Philologenverband sieht Widersprüche zwischen Regierungserklärung und Koalitionsvereinbarung


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Horst Audritz. Foto: Archiv



In einer ersten Stellungnahme zur Regierungserklärung von Ministerpräsident Weil hat der Philologenverband Niedersachsen auf ausgeprägte Widersprüche zwischen dessen Ausführungen zur Bildungspolitik und den Vereinbarungen im rot-grünen Koalitionsvertrag hingewiesen.

Während Weil dem Streit um Schulstrukturen eine Absage erteile, schreibe die Koalitionsvereinbarung im Gegensatz dazu die Gesamtschule als eine alle anderen Schulformen, also auch Gymnasien, ersetzende Schulform fest, kritisierte der Vorsitzende des Philologenverbandes, Horst Audritz. Dies bedeute nichts anderes, als dass es in etlichen Regionen Niedersachsens bald keine Gymnasien mehr geben werde. Eltern und Schüler würden damit entmündigt, indem ihnen die Wahl zwischen unterschiedlichen Schulformen genommen werde. Audritz: „Dies ist kein Beitrag zum Schulfrieden, sondern eine Kampfansage an ein pluralistisches Schulwesen.“

Gleichzeitig würden nach dem Koalitionsvertrag Gesamtschulen mit zahlreichen Privilegien ausgestattet, um andere Schulformen möglichst unattraktiv zu machen. Dazu zähle etwa der vorrangige Anspruch auf vollen Ganztagsschulbetrieb und entsprechende Lehrerausstattung sowie die organisatorische Zusammenlegung von Gesamtschulen mit Grundschulen, die einen möglichst automatischen Übergang von Grundschülern auf die Gesamtschule sichern und auf andere Schulformen möglichst ausschließen solle.

Weil erwähne, so Audritz, auch nicht die im Koalitionsvertrag festgeschriebene Abschaffung der Gymnasiallehrerausbildung und deren Ersetzung durch eine gesamtschulbezogene Stufenlehrerausbildung.

Geradezu grotesk mute das Bekenntnis Weils zu mehr Qualität im Bildungswesen an, während der Koalitionsvertrag gleichzeitig dem leistungsorientierten Schulwesen eine ideologisch motivierte Absage erteile.

Dort kündige Rot-Grün etwa „neue Formen der Leistungsbewertung“ an, was in deren Wahlprogrammen bereits als „drastische Reduzierung“ von Klassenarbeiten und Klausuren definiert worden sei. Das generelle Ersetzen von Noten durch vage formulierte „Lernzustandsbeschreibungen“ und die Abschaffung der weitgehend zuverlässigen Schullaufbahnempfehlungen der Grundschule seien ebenso wie die Abschaffung von Klassenwiederholungen und das Verbot der Überweisung überforderter Schüler auf für sie geeignetere Schulformen Signale dafür, dass nicht erbrachte Leistungen in Zukunft folgenlos bleiben sollten und niemand sich mehr anzustrengen brauche. Das wichtige Ziel Chancengerechtigkeit durch von oben verordnete Niveaulosigkeit erreichen zu wollen sei ein folgenschwerer Irrweg, kritisierte Audritz.

Viele schulpolitische Zielsetzungen der Koalitionsvereinbarung würden bereits seit Jahren in Bremen praktiziert, unterstrich Audritz. Rot-Grün nehme sich damit den Träger der roten Laterne bei allen Leistungsvergleichen innerhalb der Bundesrepublik zum Vorbild. Dies stehe im krassen Gegensatz zu Aussagen Weils, der „Bildungspolitik als Wirtschaftsförderung pur“ bezeichne und eine „fundierte Ausbildung und Bildung aller jungen Leute“ fordere.

Audritz: „Die zentralen Bestimmungen des Koalitionsvertrages sind eine Absage an den Schulfrieden und an eine qualitätsorientierte Bildung“. Ministerpräsident Weil müsse sich entscheiden, ob er mit einer durch ihre Erfolglosigkeit längst widerlegten Bildungsideologie die Zukunftsfähigkeit Niedersachsens aufs Spiel setzen wolle.


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