Pi(n)kant: Abenteuer Innenstadt - Gräben, Pfützen, Schotterparcours

Wolfenbüttels Bürgermeister a.D. Thomas Pink geht die Baustelle in der Fußgängerzone so richtig auf den Geist! Und auch von einer Landesgartenschau in Wolfenbüttel hält er nicht viel, wie er in seiner aktuellen Pi(n)kant Kolumne verrät.

von Thomas Pink


In seiner aktuellen Kolumne beschäftigt sich Thomas Pink mit dem "öffentlichen Raum" in der Stadt Wolfenbüttel.
In seiner aktuellen Kolumne beschäftigt sich Thomas Pink mit dem "öffentlichen Raum" in der Stadt Wolfenbüttel. | Foto: Werner Heise

Kalendarisch und meteorologisch befinden wir uns mitten im Sommer. Die Ferien gehen auf die Zielgerade, aber irgendwie vermissten wir bisher das „richtige Sommerwetter“. Selbst der in Dauerschleife gedudelte Sommerseufzer von Rudi Carell - „Wann wird’s mal wieder richtig Sommer“ - aus dem Jahre 1975 verhallte ungehört, aber die schon damals hier aufgestellte schräge Behauptung, schuld sei daran nur die SPD, wirkt just eindrucksvoll wie Realsatire.


Die Sommerferienkolumne widme ich dem öffentlichen Raum. Eine moderne Wortschöpfung aus dem Bereich des bürokratischen Fachchinesisch. Man wird es mir sicher zubilligen, dass ich mich für alle Dinge, die in dieser Stadt geschehen, interessiere. Auch wenn ich jetzt die Dinge durchaus unter einem anderen Blickwinkel betrachte, als zu meiner aktiven Zeit. Man lernt eben nie aus und Erkenntniszuwachs ist auch im Ruhestandsleben durchaus befruchtend.

Fasziniert hat mich unlängst eine Stellenausschreibung meiner ehemaligen Anstellungsbehörde, der Stadt Wolfenbüttel, mit der man einen Fachbereichsleiter für den Öffentlichen Raum suchte! Ja, wirklich! Flugs die Tätigkeitsmerkmale studiert, fiel mir eine Amtsbezeichnung aus frühester und dunkelster Vergangenheit ein: Die suchen eine/n Tiefbauamtsleiter/in! Und mit zunehmender Peinlichkeit schämte ich mich ob meiner unentschuldbaren verbalen Rückwärtsgewandtheit. Öffentlicher Raum bedeutet Straßen, Wege, Plätze und wunderbare Grünflächen, also ein Thema, was Politik und Verwaltung immer beschäftigt. Ich erinnere mich noch heute gerne an die „liebevollen“ Beiträge und sonstigen Begleiterscheinungen, auf allen Kanälen, etwa zur Einrichtung des Stadtstrandes Laguna Beach im Jahre 2007. Oder die Neugestaltung des Holzmarktes, der Reichsstraße und des Schlossplatzes! In der heißen Phase der Diskussion rechnete ich täglich damit, geteert und gefedert zu werden.

Heute gibt es andere, aber nicht weniger engagiert diskutierte Gestaltungsfragen für öffentliche Räume! Mir fallen da so ein: Das augenblickliche top Thema - Neugestaltung der Fußgängerzone - und mein Lieblingsthema: Durchführung der Landesgartenschau 2030! Man könnte den Themenkomplex noch erweitern um die brennende Frage: Wo findet der Weihnachtsmarkt 2024 statt? Oder die Sicherheitslage am Kornmarkt! Aber dazu vielleicht ein anderes Mal.

Fußgängerzone! Baumaßnahmen sind immer Wurzel hitzigster Diskussionen und ähnlich wie bei unserer Fußballnationalmannschaft, die das Tummelfeld für selbsternannte Bundestrainer ist, melden sich hier alle selbsternannten Tiefbaufachleute zu Wort. Eins muss man allen Verantwortlichen zugestehen: Man bemüht sich mit Nachdruck, um auch noch die schwierigste Situation medial in eine leuchtende Farbe zu hüllen. Baustellenupdates, die sich zuweilen so interessant lesen, wie die Bedienungsanleitung einer Küchenmaschine aus chinesischer Produktion. Baustellenparty für Groß und Klein - Buddel-Pausen-Sausen gegen das große Grausen! Eine vermenschlichte Maulwurfsippe als Comic-Besänftigung! Aber - stopp hier: Nach einem Jahr geht einem, zumindest mir und meiner lieben Frau, diese Baustelle aber so richtig auf den Geist!

Wer hatte eigentlich die faszinierende Idee, die Fußgängerzone in einem Stück von unten bis oben aufzureißen und bisweilen einen Parcours zu schaffen, der sich als Trainingsstrecke für Crossläufer-Profis angeboten hätte! Mir fällt hier die Satire von Ephraim Kishon, der Blaumilchkanal, ein. Menschen meiner Generation erinnern sich heute noch gerne an den Fernseh-Straßenfeger „Spiel ohne Grenzen“ mit Camillo Felgen und Frank Elstner. Bei diesem rasanten Aktionsspektakel kam es zu herrlichen Situationen, bei denen die Teilnehmer entweder als Superstar oder als Superdepp endeten. Die Fußgängerzone im Zustand des Jahres 2024 mit den Löchern, tiefen Gräben, Pfützen, Schotterparcours und anderen Unwägbarkeiten drängte sich förmlich zum Wiederaufleben dieser Fernsehattraktion der 70er Jahre auf. Mögliches Motto: Abenteuer Innenstadt - oder neudeutsch - S(K)ummer in the City! Mögliche Teilnehmer: Unsere Partnerstädte!

Gut gefallen hat mir auch die Berichterstattung zur Landesgartenschau. Ebenfalls einem Veranstaltungsklassiker, der bei den durchführenden Kommunen der Vergangenheit nicht immer in guter Erinnerung blieb. Man kann es eindrucksvoll nachlesen. Ok - man hat die Chance triste Stadtbereiche aufzuwerten und bei manchem nährt sich die Hoffnung touristisch zu punkten und etwa die hiesige Gastronomie zu stärken. Gerade letzteres wird oft nicht erfüllt, strömen die Besucher - überwiegend Tagesgäste - doch regelmäßig mit eigener Verpflegung ausgerüstet in die Rabatten und beißen in der Pause in die mitgebrachten Wurstbemmen.

Was jedoch völlig unwägbares Gelände ist und leider bisher noch nicht so richtig thematisiert wurde, sind die Kosten! So beklagt etwa Bad Gandersheim nach der Landesgartenschau im letzten Jahr ein Defizit von mindestens 600.000 €, was zur Folge hatte, dass die Trägergesellschaft Insolvenz anmelden musste. Die diesjährige Landesgartenschau von Sachsen-Anhalt in Bad Dürrenberg klagt schon jetzt, nach der Hälfte der Zeit, über eine noch nicht bezifferbare Kostenexplosion. Eine Frage quält nicht nur mich: Was wird aus unseren Parks? Bleiben sie weiterhin von jedermann begehbar oder sind sie während der Veranstaltung nur gegen Eintrittspreis zu durchqueren? Kann ich meine Inspektion des öffentlichen Raumes - früher Sonntagsspaziergang - weiter ungestört absolvieren? Vieles bleibt trotz erneuter Bürgerbeteiligung im Dunkeln. Bei der Info-Veranstaltung in der City konnte man Wünsche an einem Illomaten äußern. Leider konnte ich meinen Wunsch, auf diese Veranstaltung zu verzichten, nicht platzieren. Schade!

Herzlichst
Ihr Thomas Pink

PS: Sozusagen in digitaler Druckfrische erreicht mich die Nachricht, dass die Kanonen nun endlich wieder vor dem Zeughaus platziert werden. Im Namen meines Stammtisches, der in einer nahegelegenen Gastwirtschaft tagt, sprechen wir uns jedoch eindeutig gegen eine Ausrichtung der Kanonen mit Ziel Schänke aus, da wir das als Bedrohungsszenario unseres gemütlichen Beisammenseins empfinden. Wir behalten uns den Rechtsweg vor. Prost!

Pi(n)kant ist die Kolumne von Wolfenbüttels Bürgermeister a.D. Thomas Pink auf regionalHeute.de. Sie erscheint in unregelmäßigen Abständen und gibt allein die Meinung des Autors wieder. Lesen Sie auch die Overtüre "Pi(n)kant: Spezialitäten unserer Zeit" sowie die zuletzt erschienene Pi(n)kant-Kolumne "Wahlzeit ist Plakatzeit!".


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