Nach einem kurzen, aber allseits verletzenden Winterwahlkampf klopft nun, zumindest meteorologisch und kalendarisch, der Frühling an. Das gilt nicht für das politische Klima. Selbst nach der Konstituierung des neuen Bundestages. Hier herrscht noch tiefster Winter. Die Themen, mit denen sich die Wahlkämpfer Land auf, Land ab die politische Rüstung verbeulten, sind mitnichten abgeräumt.
Ich bin da ehrlich: Regelmäßig schalte ich zurzeit bei den Illners, Maischbergers, Miosgas und Co. ab, obwohl ich ein politischer Mensch bin. Alles wird dutzendfach thematisch durchgekaut. Auf allen Kanälen dieselben Diskutanten: Schlimmstenfalls verbiestert Weidel/Chrupalla und Wagenknecht, aber auch Reichinnek, Esken, Amthor, Dobrindt, Dürr und Haßelmann bieten stets Aufgewärmtes. Jeder ist jetzt Wehr- und Militärexperte und einer von mehr als 80 Millionen Wirtschaftsweisen. Dazu dann noch Donald „der Eierdieb“ Trump oder Kriegsverbrecher Putin, sodass bereits morgen mit dem Weltuntergang, aber zumindest mit dem Ende Deutschlands zu rechnen ist.
Wagt man dann noch, entweder mutig oder als Folge des Genusses geistiger Getränke, den Blick in die sogenannten sozialen Netzwerke, wird das Scheitern dieses Staates förmlich herbeigesehnt! Mit Verlaub: Man kann ein Gemeinwesen auch bewusst kaputt inszenieren. Hoffentlich bekommen die Vernunft und die Vernünftigen im Lande, im Herannahen des Frühlings und einer raschen Regierungsbildung Oberwasser, sodass diese Weinerlichkeit ein Ende hat. Es hilft alles nichts.
Schön ist, dass es die lokalen Aufreger gibt, die das Leben und die Diskussionen in Stadt, Kreis und meinem Stammtisch würzen. Es hat sich in den letzten Wochen ein beachtliches Konvolut an Themen angesammelt. Was gab und gibt es so? Ein städtischer Haushalt 2025/2026, der jedem kommunalen Akteur, die fiskalischen Tränen in die Augen treiben müsste. Ein Thema, das uns sicher noch öfter beschäftigen wird, geht es doch hierbei um die unmittelbarsten Auswirkungen politischen Handelns für die Bürgerinnen und Bürger.
Auch nicht ohne, aber langsam nervend, der kulturelle Dauerbrenner: Die Aufstellung oder Nichtaufstellung des sogenannten Kriegerdenkmals! Jüngst angereichert durch Gedankensplitter des „Wissenschaftlichen Beirates“ der Stadt! Geäußert durch Professor Grieger im letzten Kulturausschuss! Man darf gespannt sein!
Nicht ohne Sprengstoff, der plötzlich und unerwartet aus den Tiefen vergangener Ratsentscheidungen, pünktlich zu Ostern, auferstandene und fast in Vergessenheit geratene Parkplatz am Meesche-Sportpark! Und natürlich darf ein Evergreen, die tagtäglich erlebbare Verkehrslage, nicht fehlen: Temporeduzierte Straßenbereiche, die in den Nachtstunden die REM-Phase jeden Anliegers fördern sollen. Die Öffnung von Bereichen der Fußgängerzone für den Fahrradverkehr, die eigentlich keinen interessieren, weil sowieso in der FuZo ungestraft Rad gefahren wird. Mitunter sanft geäußerter Protest, weil man fast wieder einmal umgefahren wurde, führt dazu, dass einem nicht selten, ein künftiges körperliches Übel, eingebettet in volkstümliche Beschimpfungen wie etwa Idiot oder Arschgeige, in Aussicht gestellt wird.
Die Einrichtung von Fahrradzonen, über die sich laut Ratsmitglied Leo Pröttel die ganze Stadt freut, obwohl ich durchaus zahlreiche gegenteilige Auffassungen aufschnappe. Begeisternd auch, die „Erfolgsgeschichte“ Fahrradparkhaus am Bahnhof, die es jetzt gar in die Berichterstattung des ZDF – Länderspiegels geschafft hat! Glückwunsch! Souverän ist hier die Reaktion der Stadt, die sich für den Bericht und die entsprechende Werbung bedankt! Zu Recht! Können wir doch neben den vielen historischen Lustbarkeiten, wie dem Schlossquartier und den Kasematten sowie unserem Kräuterlikörhersteller nun auch eine moderne touristische Sehenswürdigkeit für unsere Besucher hinzufügen.
Halt! Hier fällt mir sowieso seit Längerem störend auf, dass das Thema „Fahrradfahren“ schleichend, Stück für Stück die kommunalpolitischen Diskurse, dank eines ausgeklügelten taktisch-strategischen Konzeptes der hier wirkenden „Grünen“ und ihrer lokalen NGOs förmlich dominiert! Ja, wie ein Kokon einhüllt! Es gibt wohl nur noch ein alles beherrschendes Thema: „Ja, mir san mit´m Radl da! Verstanden! Und keiner muckt bitte!“ Da mir schon immer eine einseitige, thematische Ausrichtung in der Kommunalpolitik suspekt war, plane ich daher die Gründung einer echten lokalen Protestbewegung, die sich künftig gegen jegliche fahrradimperialistischen Auswüchse und erneute Versuche der Einführung eines örtlichen Veggieday zur Wehr setzen wird. Gegen letztere Gängelung werde ich mit Spontanaktionen wie „Currywurstessen am Herzog-Denkmal“ protestieren.
Und jetzt mein mobilitätsorientiertes Coming-out! Ich traue mich einfach, auch wenn ich dafür Haue bekomme: Ich hasse Fahrradfahren! Schon seit meiner frühesten Jugend! Nun ist es raus! Jetzt fühle ich mich freier! Endlich!
Ein weiterer Quell nicht versiegender humoristischer Fröhlichkeit ist der seit Kurzem regelmäßig konsumierbare Podcast „Neues aus dem (Wolfenbütteler) Rathaus“! Ich habe alle drei Episoden von Anfang bis Ende gehört, was nicht ganz einfach war. Zunächst finde ich die Idee wirklich gut! Allerdings muss so ein Podcast einen Mehrwert für beide Seiten bringen! Für die Podcaster und die Lauschenden! Daran sollte man noch arbeiten, denn die fast eineinhalb Stunden an „Informationsrausch“ haben bei mir so manches Kopfkino in Gang gesetzt! Gedanklich schwankend, zwischen so manchen spannenden Dialogen des ehemaligen TV-Straßenfegers „Der Kommissar“ aus den 70ern und Szenen von Loriot (…ein Klavier, ein Klavier, Mutter wir danken dir) machten das Zuhören in der Tat zu einem Erlebnis!
Schon im letzten Jahr habe ich, gemeinsam mit den wenigen treuen Begleitern dieser Kolumne, ernsthaft in Erwägung gezogen, jedes Jahr den Preis des „Goldenen Erklärbär“ auszuloben. Nachdem ich jetzt alle drei Folgen vollständig und wohlbehalten an Körper und Geist in mich aufnehmen konnte, reift die Konzeption für einen solchen regionalen Award, wie der moderne Mensch formulieren würde.
Bis bald und eine angenehme Zeitumstellung,
Ihr Thomas Pink.
Pi(n)kant ist die Kolumne von Wolfenbüttels Bürgermeister a.D. Thomas Pink auf regionalHeute.de. Sie erscheint in unregelmäßigen Abständen und gibt allein die Meinung des Autors wieder. Lesen Sie auch die Overtüre "Pi(n)kant: Spezialitäten unserer Zeit" sowie die zuletzt erschienene Pi(n)kant-Kolumne "Pi(n)kant: Ein rostiger Apfel und der Party-Prinz von Wolfenbüttel".
Pi(n)kant: "Ich hasse Fahrradfahren!" - Gründung einer Protestbewegung
Es gibt wohl nur noch ein alles beherrschendes Thema: „Ja, mir san mit´m Radl da! Verstanden! Und keiner muckt bitte!“ - meint Bürgermeister a.D. Thomas Pink und plant in seiner Kolumne die Gründung einer lokalen Protestbewegung gegen jegliche fahrradimperialistischen Auswüchse.
von Thomas Pink
Pi(n)kant ist die unregelmäßig erscheinende Kolumne von Bürgermeister a.D. Thomas Pink bei regionalHeute.de | Foto: pixabay/regionalHeute.de