Rapper mit "Bienen im Arsch": Jonny S hat im Alleingang ein Album herausgebracht

von Christina Balder




Region. Als Rapper nennt er sich Jonny S. "S" wie "keine Ahnung, kein tieferer Sinn". Der Braunschweiger Jonathan Beddig alias Jonny S hat vor Kurzem sein Album "Halbes Leben" auf CD veröffentlicht. Den tieferen Sinn findet man in seinen Songs. Darin blickt er auch zurück auf seine Jugend in Wolfenbüttel.


Jonathan Beddigs Tage müssen 30 Stunden haben, mindestens. Der 29-Jährige ist Gründer und Geschäftsführer eines jungen Unternehmens - "eine IT-/Marketing-Butze", wie er es nennt -, Ehemann, Vater von zwei kleinen Kindern und Musiker, der kürzlich ein neues Album herausgebracht hat. Ach ja, und den Keller am Braunschweiger Madamenweg, in dem heute sein Büro ist, hat er natürlich auch selbst ausgebaut.

"Man wächst mit seinen Herausforderungen", sagt er. Wenn seine Kinder schlafen und seine Frau fernsieht, arbeitet er an seiner Musik. "Weggehen kannst du eh vergessen, wenn du Kinder hast, dann hast du halt die Zeit - und ich hasse Fernsehen und so." Prioritäten will er nicht setzen, und das muss er auch gar nicht. Irgendwie geht alles parallel. "Ich hab' einfach Bienen im Arsch", erklärt er und grinst breit unter seiner Baseballkappe. Und als wäre all das nicht genug, denkt der gebürtige Erzgebirger zumindest zum Spaß daran, sich an neue Projekte zu wagen: "Ich kann mir vorstellen, aufs Land zu ziehen, einen alten Bauernhof fit zu machen und Songs zu schreiben."


Kiffen, Sprayen, Regelnbrechen - in seinen Songs blickt Jonny S zurück


"Halbes Leben" ist sein erstes Album seit sieben Jahren, in digitaler Form veröffentlicht im Dezember, seit ein paar Tagen als CD sogar beim Online-Versandriesen Amazon erhältlich. Sein Studium an der Ostfalia  hat ihn abgehalten und die Situation auf dem Musikmarkt. "Der war einfach kaputt, jeder hat Musik produziert und online gestellt, alles war voll mit Noise." Produzenten, die von ihm forderten, er solle doch sein wie Bushido oder Culcha Candela, ärgerten ihn obendrein. "Halbes Leben" ist nicht Culcha Candela, nicht Bushido, nicht Casper und nicht Marteria. "Halbes Leben" ist Jonny S, und das ziemlich deutlich.

Seit Jonathan 14 war, macht er Musik. Sein halbes Leben eben. In Wolfenbüttel, wo er zum Gymnasium gegangen ist, hat er die ersten Schritte gemacht. Der Titelsong des Albums beschreibt den Weg von dort bis heute. Vom verbotswidrigen Skaten auf dem Vorplatz des Wolfenbütteler Lessingtheaters erzählt er in dem Stück, davon, wie er am Stadtgraben die Nächte durchgefeiert hat  - "und man hat sich trotzdem am nächsten Tag noch in die Schule gequält". Kiffen, Sprayen, Regelnbrechen, diese "krasse Unbeschwertheit" lässt er in "Halbes Leben" Revue passieren. Doch er zieht die Linie weiter bis heute, bis zu seinem kleinen Sohn, dank dem es dann vorbei war mit der Unbeschwertheit.



Vatersorgen und Glaubensfragen statt vulgären Gangsta-Raps


Um seinen Sohn geht es auch in "Dreckiges Kind". Die Sorgen, die ein Vater eines Kleinkinds so hat, von Ketchup-beschmierten Klamotten bis zur völligen Übermüdung, packt Jonny S in humorvolle Reime: "Ein Kind macht alles dreckig, deine Lieblingsschuhe und auch deinen Teppich. Es macht Schmutz, egal wohin du guckst, alles speckig, egal, wie viel du putzt." Jetzt hat er zwei davon, eines vier Jahre, eines  vier Monate alt. Damit ist die Jugend dann endgültig vorbei. So früh eine Familie gegründet zu haben, bereut Jonathan nicht. "Man tut sich mit vielen Dingen viel leichter als mit Ende 30."

Das, womit er sich nicht leichttut, wie Krisen in der Partnerschaft oder Ärger mit unsachlicher Kritik, verarbeitet er zu Songs. Melancholisch findet Jonny S sein Album. "Die letzten Jahre waren einfach nicht so leicht", erzählt er. Emotionen packt er in Worte, setzt sich hin, kritzelt eine Strophe hin und fügt vielleicht erst Monate später den Rest dazu, wenn das Gefühl vom ersten Mal wieder da ist. Manches fließt sofort von Anfang bis Ende aufs Papier. "'Ohne dich' habe ich in einem Rutsch geschrieben", erzählt Jonathan. Kurz nach der Firmengründung, mit dem kleinen Sohn nachts allein, während seine Frau Carola arbeitete, habe er das Gefühl gehabt, dass er für gar nichts mehr Zeit hatte, sich selbst zwischen Pflichten verlor. "Da ist an einem Abend dieser Song aus mir herausgebrochen", sagt er.  Der freikirchlich erzogene Rapper erzählt hier von seinem Glauben, dem Vertrauen in Gott. Ein "Christenrapper", wie ihn manche Internet-Kommentatoren abschätzig nennen, ist er aber nicht. "Das ist Quatsch, das Thema Glaube ist bisher in meinen Songs überhaupt nicht vorgekommen", sagt er. Er wolle auch seinen Hörern nicht erzählen, was sie glauben sollen, doch den Song habe er machen müssen. "Es gibt Punkte, da geht es aus eigener Kraft nicht weiter. Mein Glaube ist ein Teil meiner Persönlichkeit, da wäre es blöd, diesen Teil aus meinen Songs auszuklammern."


Bei den Emotionen gepackt: Fremde haben sein Album finanziert


Einmal geschrieben und digital veröffentlicht, sollte das Album den Sprung vom Digitalen ins Handfeste schaffen. Aber das kostet Geld. "Und mit einer jungen Firma hat man kein Geld übrig, eher im Gegenteil." Also mussten andere helfen. Mit Musik ist es leicht, Fremde  zum Spenden zu bewegen. "Leute geben ja auch irre viel Geld für Konzerte aus, bei Musik gehen viele irgendwann nicht mehr rational an eine Sache ran", sagt Jonathan. Kurz gesagt: Das Geld kam zusammen. 4900 Euro brauchte er, um sein Album in einer Auflage von tausend Stück pressen zu lassen, 250 mal auch noch auf Vinyl.  Gut 5300 Euro kamen zusammen.  Jonathan staunt heute noch: "Das war echt krass, auf einmal war das Ziel erreicht, mit einer anonymen Spende von 1300 Euro!"

Musik ist das, was Jonathan immer machen wollte, auch wenn er bis heute keine Noten lesen kann. Ohne Plattenfirma, im Alleingang hat Jonny S dieses Album fertiggebracht, neben Familie und Job. Es kann sein, dass auch Jonathan Beddigs Tage nur 24 Stunden haben. Die sind dann aber bis zur letzten Minute gefüllt mit Leidenschaft, für das, was er tut.


Verlosung


Eins von drei frisch gepressten Exemplaren des Albums "Halbes Leben" können Sie gewinnen. Dazu müssen Sie nur das Kontaktformular ausfüllen und ein bisschen Glück haben. Unter allen Einsender entscheidet das Los über die drei Gewinner.
Teilnahmeschluss ist am Sonntag, 4. Mai, 23.59 Uhr. Die Gewinner werden telefonisch und schriftlich benachrichtigt, die Namen werden veröffentlicht. Ihre Daten werden für die Dauer des Gewinnspiels digital übermittelt, gespeichert und nach der Auslosung gelöscht.

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