Regionsdebatte – Weil verspricht: kein Machtwort aus Hannover

von Thorsten Raedlein




Wolfenbüttel. Zum ersten Mal war die IHK Braunschweig am Dienstag mit ihrem traditionellen Neujahrsempfang zu Gast in der Wolfenbütteler Lindenhalle. Über 1000 Vertreter aus Wirtschaft, Politik, Verwaltung und Gesellschaft des Kammerbezirks sind der Einladung gefolgt. Sat1-Nachrichtensprecher Marc Bartor führte als Moderator durch den Abend.

<a href= IHK-Präsident Dr. Wolf-Michael Schmid">
IHK-Präsident Dr. Wolf-Michael Schmid Foto:



Das Thema Energie stand in diesem Jahr für IHK-Präsident Dr. Wolf-Michael Schmid im Mittelpunkt. Lob bekam in diesem Zusammenhang von ihm die aktuelle Landesregierung. "Ihre Regierung, sehr geehrter Herr Weil, steht für eine aktive Industriepolitik, die eine effiziente, nachhaltige und intelligente Industrieentwicklung unterstützt", so Schmid. Er dankte dem Ministerpräsidenten für seine deutlichen Worte zum von der EU-Kommission eröffneten Verfahren zur Ökostrom-Entlastung energieintensiver Unternehmen in Deutschland. "Ich stimme voll mit Ihnen darin überein, dass es in einer Situation, in der viele Mitgliedstaaten der EU gegen eine fortgesetzte Deindustrialisierung kämpfen, wichtigere Dinge für die EU-Kommission geben muss als ohne Not tausende Arbeitsplätze in der deutschen Industrie zu gefährden. Diese Gefährdung ist in unserem Wirtschaftsraum sehr real", so der IHK-Präsident. Energieintensive Unternehmen müssten weiterhin von der vollen Ökostromumlage ausgenommen werden.

Hoher Strompreis bereitet Unternehmen Sorge


Neben denkbaren außenwirtschaftlichen Risiken, auch auf den internationalen Finanzmärkten, werde in Deutschland die künftige Entwicklung in hohem Maße vom Gelingen der Energiewende abhängen. Unter diesem Aspekt sehe Schmid es als sehr förderlich an, dass das neue Bundeswirtschaftsministerium um den Bereich Energie ergänzt wurde. Mittel- bis langfristig verspreche die Umstellung auf regenerative Energiequellen größere Unabhängigkeit von der Entwicklung der Rohstoffmärkte. Zudem erzeuge die Energiewende bei richtiger Gestaltung ein hohes Maß an Kreativität und Innovation, das sich positiv auf die wirtschaftliche Entwicklung auswirke. Innovativen Projekte der Energiewende stünden allerdings hohe Kosten für die Umstellung des Energiesystems und für die Erhaltung der Versorgungssicherheit gegenüber. "Viele Unternehmen auch des Mittelstandes sehen das weiter ansteigende Strompreisniveau mit Sorge. Als Sofortmaßnahme muss die Stromsteuer möglichst schnell deutlich gesenkt werden, um den Strompreisanstieg zu dämpfen. Aus energiepolitischer Sicht ist diese Steuer obsolet, weil die Strompreise seit ihrer Einführung massiv gestiegen sind. Auch die Niedersächsische Landesregierung setzt sich für eine Senkung der Stromsteuer ein und ich zähle auf eine Unterstützung auch durch die Bundestagsabgeordneten unserer Region", betonte Schmid.

[fvplayer src='http://wolfenbuettelheute.de/wordpress/wp-content/uploads/2014/01/final-schmid.mp4' width=640 height=360 splash='http://wolfenbuettelheute.de/wordpress/wp-content/uploads/2014/01/stand-schmid.jpg']


Regionale Verkehrsprojekte


In der Region von großer Bedeutung seien natürlich auch wichtige Verkehrsprojekte. Schmid nannte den Lückenschluss der Bundesautobahn A 39 zwischen Wolfsburg und Lüneburg, den Ausbau der A 39 zwischen der A 2 und Wolfsburg auf sechs Fahrstreifen, den Ausbau des Stichkanals bei Salzgitter sowie der Neubau eines Schiffshebewerkes bei Scharnebeck sowie den zweigleisigen Ausbau der Bahnstrecke im Zuge der "Weddeler Schleife". All diese seien keine Selbstläufer, sondern bedürfen weiterhin nachhaltigen Engagements. Die Landesregierung unterstütze diese Projekte sehr, die Entscheidungen würden jedoch in Berlin getroffen und hier seien die Bundestagsabgeordneten der Region in besonderem Maße gefordert - gerade bei der bevorstehenden Neuaufstellung des Bundesverkehrswegeplanes 2015. Eine leistungsfähige Verkehrsinfrastruktur gehöre zu wesentlichen Voraussetzungen für eine prosperierende Entwicklung der Region. Dies gelte insbesondere auch für den öffentlichen Personennahverkehr. Er sehe hier den Zweckverband Großraum Braunschweig auf gutem Wege, der allerdings auch der Unterstützung durch die Niedersächsische Landesregierung bedürfe.

"Ein hohes Maß an gemeinsamer Arbeit, an konstruktivem Zusammenwirken sehe ich bei den wissenschaftlichen Institutionen unseres Wirtschaftsraumes, die ja seit langem in dem Verein ,Forschung Region Braunschweig' zusammengeschlossen sind. Seit dem Erfolg Braunschweigs als Stadt der Wissenschaft 2007 ist diese Zusammenarbeit kontinuierlich gewachsen und hier in Wolfenbüttel möchte ich beispielhaft die konstruktive Zusammenarbeit zwischen der Ostfalia Hochschule für angewandte Wissenschaften und der TU Braunschweig erwähnen - unter anderem mit dem gemeinsamen Entrepreneurship-Center", erklärte der IHK-Präsident.

Kommunale Zusammenarbeit


Neue Impulse für die kommunale Zusammenarbeit und zur Regionalentwicklung verspricht sich Schmid vom Anfang Januar berufenen Landesbeauftragten für Regionalentwicklung in Braunschweig, Matthias Wunderling-Weilbier: "Sie kennen die Region mit ihren Stärken und Chancen, Sie kennen die Probleme des ländlichen Raumes und Sie kennen aufgrund Ihrer intensiven Arbeit an einem engeren Zusammenwirken zwischen der Stadt Wolfsburg und dem Landkreis Helmstedt Möglichkeiten, aber auch Fallstricke eines Aufeinanderzugehens zweier Nachbarn." An die anwesenden Vertreter der Städte, Gemeinden und Kreise richtete er den Appell, gemeinsam mit dem Landesbeauftragten für Regionalentwicklung in einen konstruktiven Dialog einzutreten und im Interesse der Sache die kommunale Zusammenarbeit als Grundlage einer zukunftssichernden Regionalentwicklung voranzubringen.

Innenstädte im Auge behalten


Beim Blick nach innen in unsere Region hinein müsse insbesondere die Entwicklung der Innenstädte im Auge behalten werden. Neben Gastronomie und bürgernahen Dienstleistungen sei hier der Einzelhandel von besonderer Bedeutung. Die Verbindung von Handel und Stadt, von Stadt und Handel sei traditionell und eng. Die Herausforderung heiße: Wie schaffen wir Handelsplätze, die  attraktiv sind für die Verbraucher, die den Kaufleuten und Investoren Planungssicherheit verschaffen, die robust sind mit Bezug auf das Rauf und Runter der Konjunktur, eine schrumpfende Bevölkerung und eine Ausweitung des Internethandels? "Wir haben gesehen, welch enormen Aufwand an Energie und Zeit es kostete, den ehemaligen Hertie-Häusern in Peine und hier in Wolfenbüttel eine neue Perspektive zu geben. Hier haben Sie, Herr Bürgermeister Kessler und Herr Bürgermeister Pink, gemeinsam mit den Mitgliedern Ihrer Stadträte mutige und richtige Schritte gewagt", lobte Schmid.

Lob gab es auch für alle Unternehmer und alle weiteren Führungskräfte der Wirtschaft für ihren Einsatz. "Mit der Prosperität Ihrer Unternehmen sichern Sie den Wohlstand auch in unserem Wirtschaftsraum. Sie sichern und schaffen Arbeits- und Ausbildungsplätze - 97 Prozent aller Ausbildungsplätze in Deutschland werden von privaten Unternehmen bereitgestellt, rund 60 Prozent von Unternehmen, die den Industrie- und Handelskammern angehören."

Das sagen die Gäste beim IHK-Neujahrsempfang

[fvplayer src='http://wolfenbuettelheute.de/wordpress/wp-content/uploads/2014/01/final-umfrage-ihk.mp4' width=640 height=360 splash='http://wolfenbuettelheute.de/wordpress/wp-content/uploads/2014/01/stand-ihk-umfrage.jpg']

Weil sieht Niedersachsen gut aufgestellt


<a href= Ministerpräsident Weil während seiner Rede vor den Gästen der IHK Braunschweig beim Jahresempfang in Wolfenbüttel.">
Ministerpräsident Weil während seiner Rede vor den Gästen der IHK Braunschweig beim Jahresempfang in Wolfenbüttel. Foto:



"Wenn wir einmal auf die wirtschaftliche Lage schauen, stehen die Vorzeichen dafür vielleicht gar nicht einmal schlecht. Alles in einem betrachtet war 2013 für die niedersächsische Wirtschaft ein gutes Jahr", so der Ministerpräsident in seiner Rede. Die Arbeitslosenquote habe im Dezember mit 6,5 Prozent unter dem Bundesdurchschnitt gelegen. Bei der Entwicklung der Zahl der Arbeitslosen liege Niedersachsen im Vergleich der westdeutschen Flächenländer auf Platz 2. Noch beachtlicher sei aber vielleicht die Tatsache, dass immerhin über 39000 sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse innerhalb von zwölf Monaten entstanden seien. Ihm sei dabei bewusst, dass diese Zahlen die Leistungen der Unternehmen und deren Mitarbeiter widerspiegele. Dafür danke er im Namen der Landesregierung. Auch der Ausblick auf 2014 stimme zuversichtlich. Nach der Konjunkturumfrage der Industrie- und Handelskammern würden 89 Prozent der Unternehmer in Niedersachsen ihre Geschäftslage als gut oder zumindest befriedigend empfinden. Das Niedersächsische Institut für Wirtschaftsforschung habe für Niedersachsen in diesem Jahr ein Wachstum von etwa 2 Prozent vorhergesagt. "Unsere Aufgabe wird drin bestehen, diesen Erfolg dauerhaft zu sichern, ihn wetterfest zu machen. Das ist eine Aufgabenstellung für Sie in Ihren Unternehmen, das ist aber auch eine Aufgabe für die Politik", so Weil.

Weil: "Landesbeauftragte hat Scharnierfunktion"


Auch der Ministerpräsident griff das Thema Region in seiner Rede auf. "Es wäre grundverkehrt, gewissermaßen am grünen Kabinettstisch in Hannover die Landesentwicklung zentral planen und umsetzen zu wollen. Umgekehrt wird ein Schuh daraus: Das Land muss wieder dichter an die Regionen heranrücken", unterstrich Weil. Daher gebe es seit Januar einen autorisierten Gesprächspartner der Landesregierung in der Region. Gerade im Braunschweiger Land sei die ersatzlose Abschaffung der Regierungspräsidenten seinerzeit kritisch begleitet worden. Was den Kontakt zwischen Landesregierung und Region angehe, sei an dieser Stelle tatsächlich ein unübersehbares Vakuum entstanden. Der Landesbeauftragte Matthias Wunderling-Weilbier habe als Anwalt und Stimme der Region eine Scharnierfunktion zur Landesregierung. Eines dürfe man von der Landesregierung aber auf absehbare Zeit nicht erwarten: Dass in Ermangelung eines regionalen Konsenses gewissermaßen ein Machtwort aus Hannover alles regele. "Ein solches Vorgehen verträgt sich definitiv nicht mit meinem Verständnis von kommunaler Selbstverwaltung."

Schwerpunkt Bildung und Qualifizierung


Den Standort Niedersachsen nachhaltig so weiter zu entwickeln, dass auch der wirtschaftliche Erfolg ein dauerhafter sein könne, sei eine wichtige Aufgabe der Landesregierung. "Vor diesem Hintergrund hat die Landesregierung einen unbestrittenen Schwerpunkt, so vielfältig unsere Arbeit auch sein mag. Dieser Schwerpunkt lautet Bildung und Qualifizierung. Es gibt aus meiner Sicht kein Thema, das wir in Niedersachsen ernster nehmen müssen. Den Hintergrund hatte ich schon angedeutet. Regional unterschiedlich, aber alles in allem spürbar wird Niedersachsen in den nächsten fünfzehn Jahren insgesamt Bevölkerung verlieren, vor allem aber bei der jungen Bevölkerung", betonte der Ministerpräsident. Bildungspolitik sei unter diesen Bedingungen nach seiner festen Überzeugung heute Wirtschaftsförderung pur. Mittelfristig sei der Fachkräftebedarf das vielleicht größte Risiko für ein weiteres Wachstum der niedersächsischen Wirtschaft und dem wolle man mit allen zu Gebote stehenden Mitteln begegnen. Mittelfristig werde die Zahl von jungen Leuten, die auf den Arbeitsmarkt kommen, um etwa 1/5 sinken. "1/5 aller jungen Leute verlassen heute unsere Schulen ohne das der nächste Schritt gelingt. Und um zum dritten Mal dieselbe Zahl zu strapazieren: Mehr als 1/5 aller Ausbildungsverträge werden nicht erfolgreich zu Ende geführt. Das bedeutet ein vertanes Investment an Zeit, Kraft und Geld, für die jeweiligen jungen Menschen ebenso wie für die ausbildenden Unternehmen", so Weil.

Werben für Europa


Als letzen Punkt seiner Rede griff Weil noch das Thema Europa auf. Europa sei eine großartige Idee, Europa stehe für mehr als sechs Jahrzehnte in Frieden, Freiheit und Wohlstand. Das habe es in der Geschichte des Kontinents so noch nicht gegeben, und deswegen müsse man gerade im Jahr der Europawahlen, den europäischen Gedanken mit Überzeugung vertreten. "Es gibt genug, mit dem man sich durchaus kritischer auseinandersetzen kann, aber lassen wir gemeinsam nicht zu, den zivilisatorischen Fortschritt durch die Europäische Union in Misskredit bringen zu lassen. Ich bitte Sie alle sehr herzlich, wo Sie ganz persönlich können, für Europa zu werben", so der amtierende Bundesratspräsident abschließend.

"Netzwerken" stand nach den Reden im Mittelpunkt


<a href= Marc Bartor moderierte trotz Bänderriss beim Jahresempfang.">
Marc Bartor moderierte trotz Bänderriss beim Jahresempfang. Foto:



Nach dem offiziellen Teil hatten die Gäste noch ausgiebig Gelegenheit dazu, das eigene Netzwerk zu pflegen. Die Köche von MKN und der Stiftung Neuerkerode hatten kleine Köstlichkeiten vorbereitet, Jägermeister, das Hofbrauhaus Wolters und Bad Harzburger Mineralbrunnen sorgten dafür, dass niemand durstig bleiben musste. IHK-Präsident Dr. Wolf-Michael Schmid dankte den weiteren Sponsoren des Empfangs (Stadt Wolfenbüttel, Confiserie Weibler, Lindenhalle Wolfenbüttel, Reisebüro Schmidt).

[nggallery id=308]


mehr News aus Wolfenbüttel