Wolfenbüttel. Auf aktuellen Satellitenbildern offenbaren Google Maps und andere Kartendienste die Umrisse der sogenannten "Waldauer Schanze", die sich auf einem Felde in der Nähe von Halchter befindet. "Entdeckt" hat dies der gebürtige und geschichtsinteressierte Wolfenbütteler Mark Heßler, der seine Entdeckung über Facebook mitteilte. Die Schanzen waren kurzzeitige Verteidigungsanlagen, die im Falle eines Angriffs noch vor der eigentlichen Stadtmauer errichtet wurden. Bei guten Bedingungen werden die Umrisse dieser Anlagen wie von Geisterhand in die Landschaft gezeichnet und was einst stand wird so wieder (teilweise) sichtbar. Nun haben Kartendienste dieses Phänomen zufällig festgehalten, was unter den Schanzen-Begeisterten der Region einer Sensation gleicht.
"Als ich das gesehen habe, bin ich fast vom Stuhl gefallen", berichtet Mark Heßler gegenüber regionalHeute.de, der seit 2013 hin und wieder nach der Waldauer Schanze auf Kartendiensten gesucht hatte. Der Modellflugzeug-Enthusiast habe damals von seinem Kollegen Christian Späh von der Existenz der verschollenen, militärischen Vorrichtung erfahren. Späh hatte einen Flug seines Modellflugzeugs auf Band festgehalten und im Hintergrund die Umrisse des verschwundenen Gebäudes entdeckt. Bereits zehn Jahre zuvor wurde die Schanze das erste Mal von Segelfliegern entdeckt, was in einer Begeisterung für die militärhistorische Vergangenheit Wolfenbüttels mündete. Seit dem findet fast jährlich eine "Vier-Schanzen-Tournee" statt, in der Interessierte mehr über die Schanzen erfahren können.
Organisator dieser Veranstaltung ist Dieter Kertscher vom "Arbeitskreis Festung(smuseum)", der vermutlich auch der führende Experte in Sachen Wolfenbütteler Schanzen ist und derzeitig sogar an einem Buch zum Thema arbeitet. Der Freizeithistoriker verrät im Gespräch mit unserer Onlinezeitung, dass die Waldauer Schanze bis 2003 aus dem Wolfenbütteler Gedächtnis verschwunden und dass diese auf deutschen beziehungsweise welfischen Karten gar nicht verzeichnet war.
Eine Fälschung? - Theorien über das Phänomen
In jenem Sommer, als die Umrisse entdeckt wurden, war man sich deshalb auch nicht sicher, ob es sich nicht doch um eine Fälschung handeln könnte. "Man dachte, dass vielleicht einer mit dem Mäher darübergefahren ist, wie bei den Kornkreisen in England", erinnert sich Kertscher. Mithilfe von Sonden und Wünschelruten konnte die Existenz einer Formation unter der Erde jedoch bestätigt werden. Dass es sich um eine Schanze handelte, wurde erst durch eine Landkarte aus dem schwedischen Militärarchiv bestätigt, auf der die Waldauer Schanze eingezeichnet war. Daher vermutet man, dass sie von den Schweden errichtet wurde, die im Dreißigjährigen Krieg in der späteren Lessingstadt kämpften.
Kertscher verrät, dass sogar eine weitere Schanze, die jedoch aus dem Siebenjährigen Krieg stamme, in der Nähe vermutet wird. Die Schanzen dienten als erste Verteidigungslinie noch vor der eigentlichen Stadtmauer und wurden entsprechend nur bei Bedarf errichtet und bestanden zumeist aus Holz. Ihre Überreste, die sich zirka 40 Zentimeter unter der Erde befinden, sind nur bei bestimmten Witterungsbedingungen zu sehen. Das erklären sich Kertscher und Heßler damit, dass sich im Laufe der Zeit im Holze Pilzkulturen entwickelt haben, die die Feuchtigkeit speichern. Das bedeutet, dass bei trockenen Verhältnissen, wie etwa im Sommer 2003, diese Stellen feuchter bleiben und so, wie von Geisterhand, das Vermächtnis alter Zeiten auf dem Felde erscheint. Interessanterweise sind bei den Luftbildern im Internet die weniger bewachsenen Innenflächen und nicht die Umrisse des Mauerfundaments zu sehen. Warum dies so ist, könne man sich zurzeit jedoch nicht erklären.
Die Schanzen heute
Die Belagerung Wolfenbüttels im Jahre 1641. Kertscher hat hier die Positionen der Schanzen eingetragen. Foto: Dieter Kertscher
Noch heute prägen die Schanzen das Wolfenbütteler Stadtbild. So gibt es neben der gut erhaltenen Weißen Schanze, auch eine rote, die jedoch über die Jahre zugeschüttet wurde. Diese wurden aufgrund der Farbe der verwendeten Steine so benannt. Ferner befand sich eine am Schwedendamm, von wo aus 1627 und 1641 Wolfenbüttel mit dem Stauwasser überflutet wurde. Damals soll das Wasser über zwei Meter hoch gestanden haben. Die Waldauer Schanze wurde zunächst als Walhauer-Schanze bezeichnet, da dies nicht besser in alten Texten zu entziffern war. "Heute glauben wir, dass es Waldauer Schanze heißen muss, weil damals ein Offizier Waldau in Wolfenbüttel tätig war und wahrscheinlich Kommandeur auf dieser Schanze gewesen ist", so Kertscher abschließend. Wer sich die Schanze selbst angucken möchte, kann bei Google Maps die folgenden Koordinaten eingeben: 52.145233, 10.520463.
mehr News aus Wolfenbüttel