Studienerfolg zwischen zwei Kulturen


Helva Ayten strebt zurzeit ihr zweites Masterstudium an. Foto: Ostfalia
Helva Ayten strebt zurzeit ihr zweites Masterstudium an. Foto: Ostfalia | Foto: Ostfalia



Wolfenbüttel. "Persönlichkeiten werden nicht durch schöne Reden geformt, sondern durch Arbeit und eigene Leistung", ein Zitat von Albert Einstein, das Ayten Helva (36) sich zu eigen gemacht hat. Schon als Kind lernte die junge Muslima durch ihr Leben in der Türkei und in Deutschland zwei Kulturen kennen, und was es heißt, sich zu integrieren.

Ayten Helva ist Wirtschaftsjuristin und lebt in Deutschland im beschaulichen Städtchen Wolfenbüttel. Sie ist Ehefrau, Mutter von zwei Kindern im Alter von fünf und elf, sowie seit 12 Jahren Pflegemutter eines heute 23-jährigen, sie hat zwei Hochschulabschlüsse (Bachelor und Master), die sie an der Fakultät Recht der Ostfalia Hochschule für angewandte Wissenschaften erworben hat. Gemeinsam mit ihrem Ehemann hat Ayten Helva in der Türkei einen landwirtschaftlichen Betrieb gegründet, der sich mit staatlicher Unterstützung im Aufbau befindet und sich an junge Leute richtet. Jetzt strebt sie ein weiteres Masterstudium "Organisation, Governance und Bildung" an der Technischen Universität Braunschweig an. Danach will sie promovieren.

"Wenn man einen Traum hat und sich ein Ziel gesetzt hat, dann sollte jede Frau dafür kämpfen. Es braucht ein gutes Konzept, entsprechende Kompetenzen, Geduld und Durchhaltevermögen, damit kleine Fehler und Fehlentscheidungen bei der Realisierung der eigenen Ziele nicht zu Reue und damit zum Schwinden des Selbstwertgefühls führen. Wir sind Frauen von heute und leben nicht in der Vergangenheit!", so Ayten Helva aufgrund ihrer eigenen Erfahrungen.

Ihre Familie kommt aus Zentralanatolien (Türkei). Aytens Vater kam vor über drei Jahrzehnten als Gastarbeiter nach Deutschland ins niedersächsische Peine, begleitet von seiner Ehefrau, Analphabetin, und im Laufe ihres Lebens Erzieherin von sieben eigenen Kindern. Ayten wurde in Sivas geboren, dafür reiste ihre Mutter eigens in die Türkei. "Danach ging es wieder nach Deutschland. Später besuchte ich ein halbes Jahr den Kindergarten in Peine, bis meine Eltern entschieden, in die Türkei zurückzukehren. Kaum Deutsch gelernt, war es damit auch schon wieder vorbei", erzählt sie. In Sivas ging sie bis zur dritten Klasse in die Schule. "Gleich zu Anfang merkte ich, wieviel Spaß es mir machte zu lernen und mir Wissen anzueignen, gleichzeitig bescherte mir dies viele soziale Kontakte und ich wusste da schon, dass ich aus meinem Leben etwas Besonderes machen wollte."

Die Familie kehrte 1988 nach Niedersachsen zurück. Tochter Ayten war neun Jahre alt. Trotz der Empfehlung, wegen ihrer Schwäche in Deutsch die Hauptschule zu besuchen, wagte sie den Schritt in die erweiterte Realschule in Salzgitter-Thiede. Sie lernte fleißig Deutsch und schloss die Schule mit einem Notendurchschnitt von 1,4 ab. Danach bewarb sie sich in einem Krankenhaus für die Ausbildung zur Hebamme. Sie wurde zum Vorstellungsgespräch eingeladen und die Anwesenden zeigten sich von ihren Leistungen und ihrem Zeugnis begeistert. Trotzdem wurde sie nicht genommen. "Sie störten sich an meiner Kopfbedeckung. Es war die erste negative Erfahrung in meinem Leben in Zusammenhang mit meiner Kleidung und meiner Religion. Mein damaliges Gefühl habe ich auch nach 20 Jahren noch nicht vergessen", bedauert Ayten Helva. Sie fand für sich eine berufliche Alternative und absolvierte eine schulische Ausbildung zur islamischen Sozialtheologin, teils in Hamburg, Köln und in Istanbul. Auch heute ist sie in diesem Berufsfeld noch ehrenamtlich tätig.

Der Gedanke zu studieren ließ die damals 17-Jährige jedoch nicht los. So besuchte sie ab 2006 zwei Jahre das Abendgymnasium in Braunschweig, um die Fachhochschulreife zu erlangen. Danach schrieb sie sich an der Ostfalia Hochschule im Bachelorstudiengang "Recht-, Personalmanagement und -psychologie" und danach im Masterstudiengang "International Law and Business" ein. Das Studium schloss sie jeweils mit der Note "gut" ab.

"Ich habe während meines Studiums meine Tochter bekommen, das hieß schlaflose Nächte und im Anschluss Prüfungen. Nichts hat mich wirklich vom Studieren abhalten können, denn in schwierigen Zeiten hatte und habe ich Unterstützung durch meine Schwiegereltern und meinen Mann. Ich habe früh gelernt, mich Problemen zu stellen und nenne sie heute Herausforderungen. Und nur wenige Menschen werden es mir glauben, aber ich liebe es Prüfungen abzulegen", so Ayten Helva – und lacht: "Das liegt sicherlich am Adrenalin, dem Kick, den ich mag und genieße. Deshalb ist mit dem Studium definitiv noch nicht Schluss, auch wenn ich zur Finanzierung eine Teilzeitstelle benötige. Vielleicht habe ich ja Glück? Beruflich will ich nach meiner Promotion im eigenen Betrieb als Geschäftsführerin tätig sein."


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