Täterschaft in der NS-Zeit: Sind die eigenen Vorfahren wirklich nur Opfer?

Laut einer Studie glaubt die Hälfte aller Befragten, dass es keine Täter in der eigenen Familie gibt.

Tatbeteiligte, Dauerausstellung der Gedenkstätte in der JVA Wolfenbüttel.
Tatbeteiligte, Dauerausstellung der Gedenkstätte in der JVA Wolfenbüttel. | Foto: Gedenkstätte Wolfenbüttel

Wolfenbüttel. Am Donnerstag, dem 27. Oktober, findet in der Gedenkstätte in der Jugendvollzugsanstalt ein Vortrag zum Thema Täterschaft im Nationalsozialismus statt. Ab 19 Uhr will Elke Gryglewski einen Vortrag halten, teilte die Gedenkstätte am heutigen Dienstag mit. Nach einem kurzen geschichtlichen Rückblick auf den öffentlichen Umgang mit Täterschaft seit 1945 soll es auch um pädagogische Ansätze für eine "produktive Beschäftigung mit Täterschaft" gehen.



Elke Gryglewski ist seit Januar 2021 Geschäftsführerin der Stiftung niedersächsische Gedenkstätten und Leiterin der Gedenkstätte Bergen-Belsen. Der Vortrag soll im Dokumentationszentrum der Gedenkstätte in der Jugendvollzugsanstalt Wolfenbüttel, Am Herzogtore 13, 38300 Wolfenbüttel stattfinden. Die Teilnahme sei kostenlos. Die Gedenkstätte bittet Interessierte vorab um eine Anmeldung, telefonisch unter 05331 - 9355010 oder per E-Mail an Veranstaltungen.Wolfenbuettel@stiftung-ng.de.

Narrative sollen überdacht werden


Die erste "MEMO-Studie zur Erinnerungskultur in Deutschland" aus dem Jahr 2018 hat gezeigt, dass über die Hälfte der Befragten überzeugt waren, keine Täter in der Familie zu haben. Etwa die Hälfte glaubte, dass ihre Vorfahren Opfer des Zweiten Weltkriegs waren. Gedenkstätten als Lernorte müssten in pädagogischen Kontexten Wege finden, mit diesen Unstimmigkeiten umzugehen und auf sie zu reagieren, hieß es. Dazu gehöre auch eine selbstkritische Auseinandersetzung mit den Narrativen, den Perspektiven und der Gestaltung, mit denen Besucher an den historischen Tatorten konfrontiert werden. Häufig fehle in Gedenkstätten eine multiperspektivische Erzählung, die neben der Perspektive der Überlebenden auch einen differenzierten Blick auf Täterschaft und Tatbeteiligung ermögliche, hieß es weiter. Dieser könne einerseits zu einer realistischeren Einschätzung der gesellschaftlichen beziehungsweise familiären Verstrickungen beitragen, und andererseits eigene Handlungsoptionen in der Gegenwart aufzeigen.