Urheberrecht: GEW hält geforderte Erklärungen für unzumutbar




[image=5e1764d7785549ede64cd1f2]Schulleiter in Niedersachsen erhalten in diesen Tagen Post von der Landesschulbehörde. Zweimal schon waren sie seit Januar aufgefordert worden, eine dienstliche Erklärung abzugeben, in der sie bestätigen sollen, dass sie „die rechtmäßige Handhabung der Verwendung der schulisch genutzten Rechner und Speichersysteme nach eigenem Ermessen in geeigneter Weise“ sicherstellen.

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft Niedersachsen riet heute allen Schulleitern per Mail, sich nicht zu einer Erklärung nötigen zu lassen, die sie nicht erfüllen können. „Gelassenheit ist angesagt, aber wenn es darauf ankommt, gewähren wir unseren Mitgliedern Rechtsberatung und Rechtsschutz“, versichert der GEW-Landesvorsitzende Eberhard Brandt.

Die Schulleiterinnen und Schulleiter sind verärgert, weil die Schulbehörde nicht “ernsthaft” auf ihre Remonstrationsschreiben eingingen, in denen sie der Behörde mitgeteilt hatten, dass es ihnen objektiv nicht möglich sei, festzustellen, ob auf schulischen Rechnern oder anderen Speichersystemen Digitalisate von urheberrechtlich geschützten Veröffentlichungen von Schulbüchern und anderen Lehrmitteln vorhanden sind. „Unsere Kolleginnen und Kollegen führen schwerwiegende Gründe an, die nicht einfach weggewischt werden können“, so Brandt.

Die Schulleitungen verweisen darauf, dass es ihnen nicht möglich ist, die auf den schulischen Speichersystemen vorhandenen Dateien zu sichten und festzustellen, ob die darin enthaltenen Texte oder Grafiken urheberrechtlich geschützt oder zulässig sind, zumal auch Schulbuchverlage Lehrmaterialien verkaufen, die in digitalisierter Form vorliegen und deren Verwendung zulässig ist. Selbst wenn die Untersuchung technisch möglich wäre, wäre der Arbeitsaufwand angesichts der Vielzahl der Dateien und der Häufigkeit, in der Dateien neu gespeichert oder gelöscht werden, nicht zu leisten.

„Das Kultusministerium scheint die reale Situation in den Schulen vollständig zu verkennen“, kritisiert die GEW und weist darauf hin, dass nicht nur Lehrkräfte Zugang zu den Schulrechnern haben, sondern auch Schüler, die z.B. über die schulinternen Mailadressen bzw. virtuelle Klassenzimmer Materialien wie Hausaufgaben, Referate und Präsentationen einstellen und austauschen. Darum sei es den Schulleitern wie den Lehrkräften unmöglich, alle diese Dateien zu überprüfen bzw. bei einer Überprüfung zu erkennen, ob nicht lizenzierte Materialien darin enthalten sind.

Die Schulträger stellen die technische Ausstattung der Unterrichtsräume derzeit um. In diesem Rahmen werden die klassischen Overhead-Projektoren, mit denen analog erstellte und ausgedruckte Folien verwendet werden, abgeschafft. Stattdessen werden Whiteboards und Beamer eingeführt, deren Technologie auf digitalen Daten basiert. Es entstehe dadurch eine absurde Situation: Solange es die alten Overhead-Projektoren gibt, dürfen Lehrkräfte Textauszüge, Karten oder andere Grafiken mit ausgedruckten Folien in den Klassenzimmern präsentieren, denn es handelt sich um analoge Kopien. Sobald die neuen Technologien (Beamer, Whiteboards) installiert werden, dürfen die gleichen Materialien nicht mehr projiziert werden, weil es sich um digitale Kopien handelt.

„Es ist den Schulträgern nicht zu vermitteln, dass trotz der Einführung der neuen kostenaufwändigen Informationstechnologien die traditionelle analoge Technik weiter zur Verfügung gestellt werden muss, um die Arbeitsmöglichkeiten der Lehrkräfte nicht zu verschlechtern“, kommentiert der GEW-Landesvorsitzende.

Brandt setzt sich kritisch mit dem Hinweis des Kultusministeriums auseinander, die Schulen sollten die digitalen Unterrichtsmaterialien benutzen, die das Land für 4 Mio. Euro, also ca. 1.200 Euro pro Schule, erworben hat. Diese sind in den Schulen bekannt und werden genutzt. Lehrkräfte benötigen aber auch den Zugriff auf die Materialien, die in den Unterrrichtswerken enthalten sind, die die Lehrmittelverlage herausgeben. Diese sind für die tägliche Unterrichtsvorbereitung unentbehrlich, weil sie qualitativ hochwertig sind und exakt zu den vorgeschriebenen Lehrplänen passen. In den analogen Präsentationsverfahren sind sie bewährt.

Die Schulbehörde weist in ihrem Schreiben darauf hin, dass das Land Niedersachsen durch den von der KMK mit dem Verband der Lehrmittelverlage geschlossenen Vertrag verpflichtet sei, die dienstliche Erklärung von den Schulleitern zu fordern. Diese Argumentation ist aus Sicht der GEW nicht glaubwürdig, denn nur eine kleine Zahl von Bundesländern teilt die Auffassung des niedersächsischen Kultusministeriums. Die übrigen Bundesländer halten eine Erklärung der Schulleitungen und der Kollegien nicht für erforderlich.

Die GEW kritisiert, dass die Schulbehörde den Schulleitern empfiehlt, die Erklärung von den Lehrkräften abgeben zu lassen. Das liefe darauf hinaus, den schwarzen Peter nur weiterzureichen. Auch eine solche Erklärung bietet aus den oben dargelegten Gründen keine Gewähr dafür, dass sich inkriminierte Digitalisate nicht auf den schulischen Rechnern befinden.

Die Kultusministerkonferenz hat den ursprünglich vertraglich verabredeten Einsatz der Schul-Trojaner durch Nachverhandlungen mit den Verlagen bereits gestoppt. Der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft sowie den Lehrerverbänden des Beamtenbundes wurden von der KMK Gespräche zugesagt, in denen es auch um weitere Nachverhandlungen mit den Verlagen über die Lizenzen gehen soll.

Der GEW-Landesvorsitzende wendet sich an den Kultusminister: „Ich bitte Sie darauf hinzuwirken, dass bei diesen Nachverhandlungen moderne Geschäftsmodelle gefunden werden, die die digitale Verarbeitung von Unterrichtswerken ermöglichen. Diese könnten sich an einer Geräteabgabe (wie z.B. bei Kassettenrekordern, Videogeräten, Scannern) orientieren, an einer pauschalen Abgeltung wie bei analogen Kopien oder an Entgeltverfahren, wie sie bei Zeitungen oder bei iPhones, iPads und iPods üblich sind. Verbote sind kein zukunftsfähiges Geschäftsmodell. Sie sind auch im Internet gescheitert.“


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