"Wid-Wid-Wid": Die Schwalben sind zurück




Kreis Wolfenbüttel. Endlich ist das zwitschernde „Wid-Wid-Wid der Rauchschwalben wieder zu hören: Nach vielen Monaten im tropischen Afrika sind die Luftakrobaten heimgekehrt, um hier zu brüten. Etliche Hausbesitzer freuen sich über ein Nest unter oder an ihrem Dach, denn Schwalben werden seit jeher als persönliche Glücksbringer und Frühlingsboten geschätzt! Kurze Zeit später kehren auch die Mehlschwalben heim, etwa zeitgleich mit unserer dritten und kleinsten Schwalbenart, den Uferschwalben. Von diesen Luftkünstlern sollen hier die Rauch- und Mehlschwalben näher vorgestellt werden. Als letzte treffen schließlich die nicht mit den Schwalben verwandten, häufig aber mit diesen verwechselten Mauersegler ein.

Mit ihren langen Schwanzspießen und der rostroten Stirn und Kehle lassen sich die Rauchschwalben gut von den Mahlschwalben unterscheiden. Die rasant schnellen Flieger jagen mit bis zu 95 Kilometern in der Stunde pfeilschnell durch die Luft und wechseln immer wieder waghalsig die Flugrichtung. Mehlschwalben sind leicht an ihrer weißen Unterseite, Kehle und Bürzel zu erkennen. Sie sind mit Geschwindigkeiten von bis zu 75 Stundenkilometern langsamere Flieger. Typisch für ihr Flugbild sind Phasen, in denen sie mehr flattern als fliegen. Mehlschwalben jagen meist „eine Etage höher“ als die oft dicht über den Boden schießenden Rauchschwalben und den ganz oben jagenden Mauerseglern: Konkurrenzausschluss unter Luftjägern. Häufig werden Schwalben als Wetterpropheten betrachtet: „Die Schwalben fliegen tief, es gibt schlechtes Wetter“. Sie jagen in den Lufträumen mit dem reichsten Nahrungsangebot. Da sich in Schlechtwetterphasen die meisten Insekten häufig in den tieferen Luftschichten befinden, fliegen auch die Schwalben oft in Bodennähe, besonders die Rauchschwalben.

Rauch- und die Mehlschwalben haben sich eng an den Menschen angeschlossen: Sie sind beim Brüten fast ausschließlich auf Gebäude angewiesen. Rauchschwalben brüten im Inneren von Gebäuden, vorzugsweise in Ställen oder Scheunen. Dort bauen sie ihr typisches offenes napfförmiges Nest. Sie brüten in kleinen Gemeinschaften oder allein. Das Weibchen sitzt beim Brüten nicht stundenlang auf den Eiern. Es verlässt ständig das Nest, um zu jagen, kehrt aber schnell wieder zurück, so dass zwischen 50 und 100 Brutsitzungen an einem Tag erreicht werden. Ein quirliges Brutgeschäft!

Mehlschwalben brüten gerne in großen Kolonien. Ursprünglich nisteten sie an Felswänden oder Klippen (das lässt sich beispielsweise noch auf Rügen beobachten). Doch längst haben sie sich den Menschen angeschlossen und bauen ihre Nester in drei bis fünf Metern Höhe an Hauswänden unter Dachvorsprüngen. Ihr Nest ist bis auf das Einschlupfloch geschlossen. Dafür benötigen sie unbedingt den natürlichen Baustoff Lehm! Diesen nehmen sie aus Pfützen auf, vermischen ihn mit Speichel, Halmen und Federn, und kleben diese Bausubstanz Kügelchen für Kügelchen an die Wand. So entsteht ein stabiles Nest, das immer wieder nachgebessert und viele Jahre benutzt wird.

Die nach etwa zwei Wochen schlüpfenden Jungvögel werden mit Unmengen an Fliegen, Mücken, fliegenden Blattläusen, Spinnen und anderem mehr gefüttert. Wenn bei anhaltendem Regenwetter die Nahrung knapp wird, fallen die Jungen in eine Starre, in der ihre Lebensvorgänge auf „Sparflamme“ herunter gefahren werden. So können sie drei bis vier Tage ohne Nahrung überleben. Die Altvögel suchen in dieser Zeit Gebiete mit besserem Futterangebot auf: Gewässer, über denen auch bei Regen Insekten fliegen oder Schönwettergebiete, die über 100 Kilometer weit entfernt liegen können.

Die Zahl der Rauchschwalben hat in den letzten Jahrzehnten stetig abgenommen: Es wird immer schwieriger, geeignete Nistplätze zu finden. Notwendige Einflugöffnungen wie gekippte Stallfenster oder offene Scheunentore gibt es in der modernen Landwirtschaft und Stallhaltung kaum noch. Zunehmende Hygiene in den Ställen und der hohe Einsatz von Pestiziden auf den Feldern lässt auch die Nahrung der Schwalben knapp werden. Durch das Asphaltieren von Hofeinfahrten und Feldwegen finden Schwalben zum Nestbau keine feuchte, lehmhaltige Erde mehr.

Mehlschwalben verlieren ihre Nistplätze, weil immer noch Hausbesitzer ihre Nester gezielt entfernen aus Ärger über beschmutzte Hauswände oder Fensterbretter. Drähte werden gespannt oder Aluminium-Flatterbänder angebracht, damit die Schwalben ihre Nester nicht mehr anfliegen können. Immer häufiger werden Holzkonstruktionen unter dem Dach angebracht, die den Schwalben das Anfliegen und Nestbauen grundsätzlich unmöglich machen: So gehen Brutplätze dauerhaft verloren. Da nützt den grazilen Vögeln ihr positives Image „Schwalben bringen Glück“ oft wenig.

Silke Krause, Diplom-Biologin in der Unteren Naturschutzbehörde des Landkreises Wolfenbüttel, weist ausdrücklich darauf hin, dass Schwalben gesetzlich besonders geschützt sind – das Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) stellt Rauch- Mehl- und Uferschwalben sowie die Mauersegler unter besonderen Schutz! „Es ist verboten, wild lebenden Schwalben nachzustellen, sie zu fangen, zu verletzen, zu töten oder ihre Nester zu beschädigen oder zu beseitigen. Während der Fortpflanzungs,- Aufzucht-, Mauser-, Überwinterungs- und Wanderzeiten dürfen Schwalben nicht vorsätzlich gestört werden. Aus den Vorjahren vorhandene Schwalbennester werden in der folgenden Saison wieder genutzt. Die Nester sind während der gesamten Nutzungsdauer geschützt, unabhängig davon, ob ihre Bewohner anwesend sind“, so Krause. Weiterhin weist sie darauf hin, dass beispielsweise das Zerstören von Schwalbenbruten mit einem Bußgeld von bis zu 50.000 Euro geahndet werden kann.

Die Biologin hat auch einen Tipp für eine saubere Lösung für die nicht gewollten Kotreste an Hauswänden und Fenstern parat: etwa 20 Zentimeter breite Kotbrettchen, die ungefähr 40 Zentimeter unter den Nestern angebracht werden, schaffen Abhilfe und behindern nicht den freien An- und Abflug der Vögel zum Nest.

Für den Bau eines Nestes reicht oft eine kleine Pfütze oder Mulde mit mit feuchtem und lehmigem Boden aus, um einer ganzen Kolonie von Rauch-und Mehlschwalben zu ihrem Bau- und Nistmaterial zu verhelfen. Die in der Nähe von Schwalbenkolonien noch vorhandenen unbefestigten Wege und Plätze sollten unbedingt erhalten und zur Zeit des Nestbaus feucht gehalten werden. Wo noch Stallungen vorhanden sind, sollten für die Rauschwalbe Einflugmöglichkeiten in Gebäude gesichert werden. Die Wohnungsnot der Mehlschwalben ist leichter zu lindern, weil sie nicht auf offen stehende Stallungen angewiesen sind. Die besten Aussichten für den Bruterfolg bestehen, wenn künstliche Nisthilfen in die Nähe von älteren Kolonien gehängt werden. Schwalbenbäume bieten Mehlschwalben mit rundum angebrachten Kunstnestern ein ganzes Hotel. Konfliktsituationen an Hausfassaden lassen sich so vollkommen vermeiden.

Für die Uferschwalbe, die in den Steilwänden alter Abbauten (Kies oder Sand) ihre Brutröhren legt, ist die Sicherung dieser Wände in der Brutzeit unbedingt zu gewährleisten. Der Mauersegler baut sein Nest in großer Höhe in Hohlräumen des Mauerwerks oder unter Dachrinnen. Auch er kehrt jedes Jahr zum selben Brutort zurück. Ihm hilft das Anbringen geeigneter Kästen oder Niststeine. Schwalben nutzen zur Nahrungssuche Felder und Wiesen. Je abwechslungs, -arten,- und blütenreicher diese gestaltet sind, mit intakten Feldrainen und naturnahen Gewässern, desto mehr Nahrung steht den Insektenfressern zur Verfügung. Und desto weniger Pestizide wären erforderlich.

Silke Krause dankt allen Bürgerinnen und Bürgern, die entsprechende Verstöße beobachten und der Unteren Naturschutzbehörde melden. Sie helfen damit wesentlich, die Schwalbenbestände in unserer Region zu erhalten. Vieles geschieht aus Unkenntnis und kann durch Gespräche auf gute Weise geklärt werden.

Zum Schluss ein positives Beispiel, das Schule machen könnte: An der Kindertagesstätte in Heere hat die Gemeinde künstliche Nester für die Mehlschwalbe angebracht. So lernen die Kinder die Schwalben hautnah kennen. Was sie selber kennen, werden sie künftig sicherlich auch zu schützen bereit sein.


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