Wolfenbüttel: "aufpASSEn - nachfASSEn": Fragen zur Rückholung des Asse-Mülls


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Passend zum Amtsantritt des neuen Bundesumweltministers hatte das Concilium Germanicum der Großen Schule gestern Abend zu einer Diskussion zur Rückholung des Asse-Mülls eingeladen. Referent war Dr. Rainer Gellermann, Experte in der Strahlenschutzkommission des Bundes und Großvater eines Enkelkindes in der Region Wolfenbüttel.


Mit einem Zitat von Hans Jonas aus "Das Prinzip Verantwortung" appellierte er denn auch an Bürger und Politiker, nüchtern, ehrlich und umfassend zu erörtern, welche Konsequenzen sich aus der Entscheidung zur Rückholung der strahlenden und giftigen Altlasten für nachkommende Generationen ergeben.

Die bisherige Asse-Historie zeige zahlreiche Beispiele für naives, kurzsichtiges und fahrlässiges Handeln. Zum Teil lassen sich damalige Fehlentscheidungen dadurch erklären, dass die Gefährlichkeit radioaktiver Stoffe zunächst allgemein unterschätzt wurde, meinte der Experte. Allerdings wurden aus heutiger Sicht falsche politische Entscheidungen gerade in Bezug auf die Asse auch immer wieder getroffen, obwohl es Warnungen gab (Wassereintritt, Stabilität des Grubengebäudes). Aber die Warnungen seien nicht ernst genommen worden. Die Schlussfolgerungen daraus wären unbequem gewesen und hätten nicht zu der auch in der Bevölkerung vorherrschenden Stimmung gepasst, so Gellermann.

[image=5e1764e0785549ede64cd3dc]Er plädierte dafür, den politischen Konsens zur Rückholung zu akzeptieren und konsequent zu durchdenken. Die Lehren aus den bisherigen Erfahrungen sollten auch auf den gegenwärtigen und zukünftigen Umgang mit dem Asse-Müll angewendet werden. Die Risiken der oberflächennahen Lagerung müssten nicht weniger gründlich als die Risiken durch den Wasserzutritt im Bergwerk bewertet werden.

Er stellte einige Fragen, die nach seiner Ansicht noch nicht ausreichend kommuniziert und diskutiert sind:

Was bedeutet die Rückholung des Atommülls für Sicherheit und Gesundheit in der Region und bei den Asse-Beschäftigten in den nächsten Jahrzehnten?
Auch für den Rückholungsprozess gilt, dass es keine absolut pannenfreie Technik gibt. Welche Risiken sollen berücksichtigt werden?
Nicht nur bei einer Panne, sondern kontinuierlich ist die Rückholung mit einer gewissen zusätzlichen Freisetzung von Radioaktivität z. B. über die Abluft verbunden. Genügt es, wenn die derzeit gültigen Grenzwerte eingehalten werden?

Was bedeutet die Rückholung für die Langzeitsicherung?
Der sichere Betrieb eines oberflächennahen wartungsbedürftigen Zwischenlagers für einen Zeitraum, der wahrscheinlich die Lebenszeit der heute Verantwortlichen übersteigt, ist abhängig von einer entsprechend zuverlässigen Finanzierung und von entsprechend stabilen gesellschaftlichen Strukturen. Wie beugen wir den Risiken vor, die sich aus diesen Unsicherheiten ergeben?

Nach welchen Kriterien soll das Zwischenlager errichtet werden?
Der "Kriterienbericht Zwischenlager" des BfS vom Februar 2012 beruht auf einem Konzept, nach dem oberirdisch ein Pufferlager, eine Konditionierungsanlage und ein Zwischenlager errichtet werden sollen. Das Zwischenlager soll dazu dienen, die Abfälle "für den Transport in ein annahmebereites Endlager bereitzustellen". Die Beschreibung als "Transportbereitstellungslager" erweckt Zweifel an der Tragfähigkeit des Konzepts für das Zwischenlager, weil es bisher noch nicht einmal einen Ansatz für die Suche nach einem Endlager für die Abfälle aus der Asse gibt.

Herr Dr. Gellermann sieht als reale Gefahr, dass durch die Hintertür ein oberflächennahes Endlager entsteht, das fälschlich als "Zwischenlager" bezeichnet wird. Er bejaht die Rückholung, wenn sie machbar ist. Allerdings hält er für erforderlich, die Suche nach dem bestmöglichen Zwischenlagerstandort über die nächste Umgebung der Asse hinaus zu erweitern, nicht unbedingt auf ganz Deutschland.

Wenn die Zwischenlagerung nicht verbindlich zeitlich zu befristen sei, müsse das Lager langzeitsicher und wartungsfrei sein. Nach Ansicht von Dr. Gellermann müsse eine Lösung gefunden werden, die grundsätzlich umkehrbar ist, die aber nach heutigen Maßstäben künftige Generationen nicht zum Handeln zwingt, um sicher leben zu können. Sie sollen handeln können, aber nicht müssen.

Die anschließende Diskussion war lebhaft. Fazit: Eine akzeptable und verantwortbare Lösung für die Asse kann nur in einem offenen, vorurteilsfreien und ehrlichen Diskurs unter Beteiligung von Wissenschaftlern, Politikern und Bürgern gefunden werden. Die Diskussion darf nicht mit dem Konsens zur Rückholung enden, war einhellige Meinung.


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