Parteivorsitzender Sigmar Gabriel und designierter Finanzminister Peter-Jürgen Schneider Foto:
Unter dem Motte "Finanzpolitische Aufgaben" fand am vergangenen Freitag eine Kommunalpolitische Konferenz in der Lindenhalle statt. Bundespolitiker Sigmar Gabriel wünschte sich eine aktive Strukturpolitik für die Region. Der designierte Landesfinanzminister Peter-Jürgen Schneider ergänzte die finanzpolitischen Aufgaben der nächsten Legislaturperiode um die drohende Wirtschaftsflaute sowie den Beginn von Neuverhandlungen beim Länderfinanzausgleich. Die Kommunen packen es schon mal an und führen Fusionsgespräche.
Eine gut besuchte Kommunalpolitische Konferenz der SPD in der Lindenhalle Foto:
Die Kommunalpolitische Konferenz des SPD-Bezirks Braunschweig am vergangenen Freitag in der Lindenhalle fand zum Thema "Die finanzpolitischen Aufgaben der kommenden Legislaturperiode" statt. Der Bundesvorsitzende Sigmar Gabriel und der designierte Finanzminister Peter-Jürgen Schneider im Team Weil führten in das Thema ein. Der Vorsitzende der Kreistagsfraktion in Wolfenbüttel Falk Hensel eröffnete im Anschluß die Talkrunde „Kommunalfinanzen vor Ort“ mit Matthias Wunderling-Weilbier (Landrat des Landkreises Helmstedt), Ruth Naumann (Bürgermeisterin der SG Schöppenstedt) und Immacolata Glosemeyer (Ortsbürgermeisterin aus Wolfsburg).
Sigmar Gabriel eröffnet die Kommunalpolitische Konferenz Foto:
Der Bundesparteivorsitzende Sigmar Gabriel eröffnete die Konferenz und stellte den für das Ressort Finanzen designierten Peter-Jürgen Schneider als "idealen Gesamtbraunschweiger" vor, von dem eine "Landespolitik, die sich wieder für die Region interessiert" zu erwarten sei. "Der Griff in die Kassen der Kommunen muß aufhören," appellierte Gabriel und forderte eine aktive Strukturpolitik mit gerechter Verteilung der Länderfinanzen. "Die Kommunen sind nur noch dabei, die Aufgaben der Bundes- und Landesregierung zu bezahlen," so der Parteivorsitzende und daher "will die SPD die Kommunalpolitik wieder an den Anfang stellen."
Einen Schwerpunkt legte er in seinen Äußerungen auf die Bildungspolitik. "Wir brauchen Investitionen in Bildung und Ausbildung, damit der Mittelstand hier seinen Nachwuchs rekrutieren kann," faßte er zusammen. Konkret sprach er die Förderung von Fachhochschulen, die Abschaffung von Studiengebühren sowie eine Imagepolierung der Universität Göttingen an.
Schneider thematisiert Länderfinanzausgleich und Finanztransaktionssteuer: Sparen allein reicht nicht, wir müssen an die Einnahmenseite ran
Peter-Jürgen Schneider bei seinem Impulsvortrag Foto:
Bei einem Regierungswechsel im Januar 2013 wäre er der neue Finanzminister für Niedersachsen: Peter-Jürgen Schneider, derzeit Vorstandsmitglied und Arbeitsdirektor der Salzgitter AG. Niedersachsen sei kein reiches Land, die Haushaltslage zwar nicht bedrohlich, aber dennoch sei man ein "Nehmerland" in puncto Länderfinanzausgleich, begann er seinen Impulsvortrag über die finanzpolitischen Aufgaben. Er halte an der einstimmig bis 2019 festgeschriebenen Ausgleichsregelung fest, "ich habe kein Verständnis für die drohende bayrische Klagewelle." Gleichwohl müsse man rechtzeitig mit neuen Verhandlungen anfassen, mahnte er und rief den langwierigen letzten Prozeß in Erinnerung, an dem er selbst und auch Sigmar Gabriel beteiligt waren.
Der Bundespolitiker und die Kommunalpolitiker lauschen dem künftigen Landespolitiker Foto:
Es gäbe trotz guter Haushaltsergebnisse im Land "überhaupt keinen Anlaß zu Zufriedenheit oder Eigenlob", kritisierte Peter-Jürgen Schneider die Landesregierung. Die nachläufige Steuerseite sei kein Wirtschaftsindikator, man steuere auf eine Flaute zu, berichtete der Unternehmer. "In zehn Jahren Regierungszeit ist der Schuldenstand von 40 auf 60 Milliarden Euro angewachsen." Das Tafelsilber sei weg. Verantwortlich für den Vermögensverzehr machte er unter anderem die andauernde Unterfinanzierung der öffentlichen Bausubstanz, so daß es inzwischen eine in vielen Bereichen marode Infrastruktur gebe, argumentierte Schneider.
Die öffentlichen Haushalte seien durch die "Krisenkette" angespannt, berichtete der designierte Finanzminister, der Konsolidierungskurs sei in ihrer Folge zusammengebrochen. "Sparen allein wird nicht reichen," um eine strukturelle Lücke im Landeshaushalt von 1,5 Milliarden Euro zu schließen, so lautete seine Aussage. "Eine durchgreifende Gesundung ist nur möglich, wenn man sich mit der Einnahmenseite beschäftigt," so sein Lösungsvorschlag mit dem Verweis auf Steuerreformen, beispielsweise die umstrittene Finanztransaktionssteuer, die auf Bundes- und EU-Ebene diskutiert wird.
Den Veränderung der Bevölkerungsstruktur müsse man jetzt konzeptionell Rechnung tragen, so Peter-Jürgen Schneider, denn "regionale Fusionen aus purer Not werden nicht funktionieren, wenn die Mittel nicht mehr da sind." Der Finanzminister in spe kritisierte in diesem Zusammenhang harsch die letzte Verwaltungsreform von 2005, bei der die Ebene der Bezirksregierungen ersatzlos gestrichen wurde. Jetzt fehle "die einigende Klammer" bei den Auseinandersetzungen um regionale Fusionen, äußerte er sich, die Kommunen seien geschwächt infolge der Reform.
Abschließend nannte Peter-Jürgen Schneider das gerade im Landtag beschlossene Neuverschuldungsrückführungsgesetz "eine Inszenierung für's Schaufenster." Es sei selbstverständlich, daß man keine Schulden mache, wenn sie nicht notwendig sind, führte der Finanzfachmann aus. Zum Hintergrund: am vergangenen Donnerstag wurde ein Gesetz beschlossen, das die Nettokreditaufnahmeermächtigung beschränkt und künftig eine unnötige Ausschöpfung aber nicht generell die Neuverschuldung verbietet.
Talkrunde der Kommunen macht die Unterschiede in der Finanzausstattung deutlich
Immacolata Glosemeyer beantwortet Falk Hensels Frage Foto:
Falk Hensel, der Landtagskandidat für den Landkreis Wolfenbüttel, moderierte die Talkrunde der Kommunalpolitiker Matthias Wunderling-Weilbier (Landrat des Landkreises Helmstedt), Ruth Naumann (Bürgermeisterin der SG Schöppenstedt) und Immacolata Glosemeyer (Ortsbürgermeisterin aus Wolfsburg). Seine provokante Eingangsfrage an die Wolfsburger Ortsbürgermeisterin "Finanzprobleme, kennt ihr das überhaupt?" machte direkt die Problemlage deutlich. Es gibt ein deutliches Gefälle in der Finanzausstattung der einzelnene Kommunen. Die einen haben zwar genügend Finanzmittel, aber zu wenig Wohnfläche, wie Immacolata Glosemeyer die Wolfsburger Situation schilderte. Andere haben keine Platzprobleme, dafür fehlten überall Mittel für öffentliche Einrichtungen wie KiTas, Freibäder oder Jugendzentren, wie die Bürgermeisterin Ruth Naumann für die Samtgemeinde Schöppenstedt erklärte.
Es gäbe Gespräche über mögliche Formen von Kooperationen unter den Kommunen bestätigten die anwesenden Kommunalpolitiker, wie beispielsweise eine Zusammenarbeit zwischen Wolfsburg und Helmstedt bezüglich einer gemeinsamen Leitstelle für die Feuerwehren. Matthias Wunderling-Weilbier, der Helmstedter Landrat, berichtete von positiven Entwicklungen der freiwilligen Interkommunalen Zusammenarbeit (IKZ). Der Landrat unterstrich zugleich, daß es "keine Vertrauenskultur mehr zwischen Landesregierung und Kommunen gibt" und bezog sich auf ein diesbezüglich gemeinsames Papier aller Landräte. "Ich will wieder anpacken," faßte die Schöppenstedter Bürgermeisterin den allgemeinen Unmut zusammen.
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