Wolfenbüttel: Was wäre der "Ruhm" ohne die Medien? - Cinebookreihe zeigt Kehlmann-Verfilmung

von Romy Marschall


| Foto: Romy Marschall



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Cover von Kehlmanns Roman Foto:



Dienstag war wieder Cinebook-Tag. Gezeigt wurde die Verfilmung von Daniel Kehlmanns Roman Ruhm. Im Mittelpunkt von Film (2012) und Roman (2009) steht ein Phänomen, das mediale Identitäten schafft und abschafft. Zu welchen Verwirrungen zwischen Wirklichkeit und Fiktion es dabei kommen kann, wurde gestern abend deutlich. WolfenbüttelHeute.de hat sich den Film angeschaut und Stammgäste der Cinebook-Staffel nach ihrer Meinung befragt.


Jeden ersten Dienstag im Monat veranstaltet die Buchhandlung Behr in Kooperation mit dem Cinestar-Kino Wolfenbüttel einen literarischen Filmabend. Ein Mitspracherecht bei der Auswahl der Literaturverfilmungen sichert den stetig wachsenden Zulauf. Rekordhalter der bisherigen 13 Staffeln war Das Mädchen mit dem Perlohrring mit 552 Besuchern. Auf den Plätzen zwei und drei folgen Das Labyrinth der Wörter und Jane Eyre.

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Filmplakat Ruhm Foto:



"Ruhm" ist eine Verwechslungsgeschichte mit System, "ein Roman ohne Hauptfigur". Im Film kommen einem alle Figuren in wechselnden Close-ups ganz nahe und sind doch nicht zu greifen. Da gibt es den berühmten Schauspieler, der aus seinem Leben aussteigen will und dem, als er erkennt, was er tut, die Marionetten des Ruhms begegnen. Da gibt es das Paar, er Autor, sie Ärztin ohne Grenzen, die beide um Leben und Tod von Freund und Figur hadern; und doch in Parallelwelten leben. Er, der gerühmte Autor, dem alles banal und öde ist;  sie, die am traurigen Ruhm der getöteten Ärzte zerbricht. Und es gibt die Romanfigur, die nicht sterben will und den Außenseiter, der gern unsterblich werden will. "Wirklichkeit ist lediglich eine Frage der Perspektive."


In der archaischen, kargen Welt Askisistans gibt es keinen Ruhm, bloß Regeln. In dieser Medienwüste gibt es kein wenn, dann, ob. Hier heißt es in militärischen Drill: "share room is not possible. we find room." Und so ist es folgerichtig, daß die Schriftstellerin Maria Rubinstein sich und ihr Handy verlieren muß in einem Land, in das sie reiste, um am Ruhm des erfolgreichen Autors Leo Richter zu partizipieren.

Das Handy, das zu Beginn klingelt, zieht sich als Leitmotiv durch den Film. Wie fühlt es sich an, wenn man jemand anders ist? Diese Geschichte erzählt uns der Ahnungslose, der ein Handy kauft und die Nummer des bekannten Schauspielers Ralf Tanner erhält. Mit ihm erkennt man, Ruhm ist wie ein Kleidungsstück, er läßt sich an- und wieder ausziehen. Es ist die Teilhabe, an Tod und Leben, die den Kern der Medien ausmacht. Am Ende erkennt auch der Dürrenmatt-Preisträger, "dass ich nichts bin ohne die Aufmerksamkeit eines anderen, sobald du den Blick von mir nimmst". Dies ist die Stimmung, die der Film von Isabel Kleefeld transportiert, eine unfaßbare Scheinhaftigkeit.

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Marie-Luise Geistert Foto:



"Stell dir mal vor: du kommst nach Hause und bist schon da!" sagt Marie-Luise Geistert zu ihrer Freundin nach Ende des Films. Sie erinnert an die Schlüsselszene, in der Filmstar Ralf Tanner feststellen muß, daß "er seiner Identität beraubt ist". Sie komme immer mit ihrem Freundeskreis her, erzählt Geistert: "diesmal aber ohne zu wissen, was wir eigentlich anschauen". Dennoch kannte sie das Buch und seinen Inhalt. "Es ist doch furchtbar, wenn dir jemand deine Figur klaut. Oder die Frau, die nicht mehr zurückkommt. Was ist man denn eigentlich, wenn man sich als Individuum auflöst?"

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Kinoliebhaberinnen Foto:



Die Großstöckheimer Cineastinnen, wie sie sich kurzerhand nennen, kommen ebenfalls regelmäßig als Gruppe zum Cinebook. "Ich bin ganz ohne Erwartungen hergekommen, das Buch habe ich diesmal nicht gelesen. - Ich konnte zwischendurch nicht so folgen, es war stellenweise auch lustig, aber auch verwirrend. - Es war angenehm anders. - Mit dem Titel kann ich nicht so viel anfangen. Es war zuviel, man sucht den roten Faden trotz der Ankündigung am Anfang, daß es diesen nicht gibt. - So ein plötzliches Ende. Den Nerd mochte ich am liebsten. - Es ging um verschiedene Arten von Ruhm, jeder hat seine eigene Sphäre." Die Cineastinnen freuen sich allesamt, dass es in der Cinebookstaffel andere Filme als immer nur die Blockbuster zu sehen gibt. Der entscheidende Film, der den Besuch zum monatlichen Ritual machte, war seinerzeit Brokeback Mountain.

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Camilla Petri bei ihrer Anmoderation Foto:



Beim nächsten Cinebook-Tag gibt es die moderne Verfilmung eines klassischen Stoffes: Guy de Maupassants Bel Ami. Camilla Petri verrät in ihrer charmanten Vorschau, daß die Hauptfigur, ein Soldat und Laienjournalist, sich in die Pariser Gesellschaft einführen läßt. "Er will was erreichen und das geht nur, indem er die Herzen der Pariser Damen erobert. Wie er das macht, wer welche Intrigen spinnt, können Sie dann sehen oder nachlesen. In diesem Sinne bin ich froh, daß meine Stimme wieder da ist und ich das nicht pantomimisch vormachen muß."

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Barbara Müller (l.) und Camilla Petri (2.v.l.) mit Kinoangestellten Foto:



Ins Leben gerufen hatten die Veranstaltung vor über zehn Jahren Buchhändler Hartmut Nitschke und der ehemalige Theaterleiter des Cinestars Saber Rhomdani. Damals gab es nur eine Vorstellung, heute besuchen durchschnittlich 400 Besucher drei Vorstellungen. Rund ein Drittel von Ihnen nutzt den Kombipreis von 11 Euro und kauft sich auch das Buch dazu. Inzwischen organisieren Camilla Petri (Buchhandlung Behr), Torsten Werner (Theaterleiter Cinestar) und Barbara Müller (Ebenenleiterin) die Filmreihe. Der Kartenvorverkauf für die monatlichen Cinebook-Tage startet jeweils am Folgetag einer Veranstaltung in der Buchhandlung Behr.


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