Wolfenbüttel: Junge kreative Kultur stellt sich vor - Ein peinlicher Akt für Wolfenbüttel

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Um es gleich voran zu stellen: Für die Kultur liebende Stadt Wolfenbüttel war die Besucherpräsenz des gestern Abend im Gästehaus der Bundesakademie für kulturelle Bildung veranstalteten offenen Werkstatt-Abends "Kreative Stadtentwicklung - Kultureller Inkubator Wolfenbüttel" ein gar peinlicher Akt gegenüber den internationalen angereisten Gästen, aber auch den Veranstaltern. Nicht ein einziger Besucher erschien - verdient gehabt hätte dieser besondere Abend viele.

Dies bedauerte Dr. Sabine Baumann, Programmleiterin Bildende Kunst an der Bundesakademie, auch in ihrer Begrüßung. "Gäste fanden heute nicht den Weg zu uns. Wir sind hier in Wolfenbüttel", stellte sie ernüchternd fest.

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Günther Langer, Kunstverein Wolfenbüttel Foto: Werner Heise)



"Es ist ein schmales Feld, das wir hier beackern, in einer Stadt, die nach hinten schaut", bemerkte der als Gastredner erschienene 1. Vorsitzende des Kunstvereins Wolfenbüttel, Günther Langer und vermutete, dass der Saal mit Grauhaarigen vollbesetzt wäre, wenn es an diesem Abend um über 100 Jahre zurückliegende und nicht zeitgenössische moderne Kunst ginge. Denn diese sei das schwierigste, was es gibt.

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Workshop Initiator Nikola Markovic mit seiner Mentorin Dr. Sabine Baumann Foto: Werner Heise)



Nikola Markovic, Kulturmanager und Stipendiat der Robert Bosch Stiftung aus Belgrad an der Bundesakademie für kulturelle Bildung, hatte zu diesem Abend im Rahmen des von ihm konzipierten und seit Donnerstag laufenden Workshops "Kultureller Inkubator - Vom passiven Beobachter zum kulturellen Akteur und Mitgestalter" geladen. Noch bis zum kommenden Donnerstag treffen unter diesem Titel 25 junge Menschen aus Ungarn, Litauen, Serbien, Bosnien und Deutschland hier in Wolfenbüttel zusammen um sich fachlich zum Thema "alternative Stadtentwicklung" und den damit verbundenen gesamteuropäischen Problemen wie Armut, soziale und kulturelle Marginalisierung oder auch Umweltproblemen wie Müll und Lärm auszutauschen und fortzubilden. Den Workshop Teilnehmern soll weiterhin auch die praktische Kompetenz vermittelt werden eigene Ideen erfolgreich und nachhaltig umzusetzen. "Wir möchten auch versuchen gemeinsam Lösungsansätze für bestehende Probleme zu erarbeiten und eine Guerilla-Kunstaktion entwickeln, die die Workshop Teilnehmer zurück in ihren Städten umsetzen", erzählt der engagierte Stipendiat Nikola Markovic, der noch bis Ende Oktober hier in Wolfenbüttel tätig sein wird.

Die Teilnehmenden im Alter zwischen 20 und 25 Jahren, die nahezu allesamt perfektes Deutsch sprechen, studieren in den unterschiedlichsten Bereichen und gehören überwiegend zur "Goethe-Guerilla", einer 2010 vom Goethe-Institut in Belgrad eingerichteten Plattform für junge kreative Menschen, mit der das Goethe-Institut auch das Signal geben möchte, dass junge Leute willkommen sind. Es ist das erste Treffen dieser Art der lokalen "Goethe-Guerilla" Gruppen, fernab der virtuellen Welt.

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Die Gruppen präsentieren ihre Arbeiten Foto: Werner Heise)



Gestern Abend stellte jedes Land in mit Videomaterial untermalten Präsentationen kreative, ungewöhnliche und damit auffällige Kunstaktionen, so genanntes Guerilla, vor, welche die Teilnehmer bei sich vor Ort durchgeführt haben. Und so erfuhr man von einer Reinigungsaktion in Zügen, am Bahnhof und in leerstehenden Gebäuden, von einem riesigen zentral in der Öffentlichkeit platzierten YENGA-Spiel zum Thema "Hunger", bei welchem Brote so lange gestapelt wurden bis "das System zusammenbrach", der Vorlesung und kostenlosen Verteilung deutscher Literatur auf einem Platz in Budapest und einem riesigen Scrabble Spiel zur Vermittlung der deutschen Sprache, welches selbst bei der dortigen Deutschen Botschaft für Interesse sorgte und dem Postkarten-Projekt aus Litauen, welches sich mit dem Problem beschäftigt, das Menschen in Zeiten der E-Mail scheinbar vergessen haben, wie man Postkarten schreibt und welch Gefühl es ist, diese selbst zu erhalten.

Passend hierzu konnte Günther Langer vorweg über das aktuelle Projekt des Kunstvereins Wolfenbüttel "Kunst findet Stadt" - beziehungsweise dem aus der Schriftart doppeldeutig erkennbarem "Kunst findet statt" - berichten. Ebenfalls ein bei der "Guerilla-Kunst" einzuordnendes Projekt, welches offiziell vom 9. September bis 14. Oktober an verschiedenen Orten in Wolfenbüttel zu sehen ist. Darüber hinaus gab Langer den Jungkünstlern viele wertvolle Tipps aus seiner über 30 Jahre langen Erfahrung aus dem Kunstverein mit auf den Weg, sprach über behördliche und finanzielle Problemstellungen, seinen eigenen Egoismus, wenn es um Kunst geht, über das Ziel, dass Kunst die Augen und das Denken öffnen solle, den viel diskutierten "Geistreiter" auf dem Stadtmarkt aus 2011 und ermutigte, "Lassen Sie sich bloß nicht entmutigen!"

Im Anschluss an die Vorträge fand ein reger offener Austausch unter den Teilnehmern statt, die ihre zuvor vorgestellten Aktionen und Erfahrungen miteinander noch intensiver diskutierten und im Anschluss noch einen Dokumentarfilm über Shutka, die "Stadt der Roma" sahen, der sich auf seine Weise wieder ganz dem Thema "Stadtentwicklung" widmete.


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