Wolfsburg. Anfang Dezember war es in Detmerode zu einem Großeinsatz der Polizei gekommen. Ein fünfjähriges Mädchen wurde dabei vom SEK aus der Obhut ihres Vaters befreit. Mitte März hatte die Polizei hierzu nochmals einen Zeugenaufruf gestartet. Doch nun wurden die Ermittlungen gegen den Vater eingestellt, wie die Staatsanwaltschaft Braunschweig auf Nachfrage mitteilt.
In den Mittagsstunden des 5. Dezembers vergangenen Jahres war es in einem Wohnblock im Kurt-Schumacher-Ring zu dem Einsatz gekommen. Die Polizei sprach seinerzeit von einer Bedrohungslage. Eine Zeugin hatte über den Polizeinotruf gemeldet, dass es in einer Nachbarwohnung zu Streitigkeiten zwischen einem Vater und seiner Tochter komme. Es bestand der Verdacht, dass der Mann seine Tochter gegen ihren Willen in der Wohnung festhalte. Die Polizei entdeckte den 48-Jährigen in Begleitung seiner Tochter auf dem Balkon. Später kam es zum Zugriff.
"Nicht so dramatisch"
Doch nach Abschluss der Ermittlungen und ohne weitere Ermittlungsansätze stelle sich das Geschehen nicht so dramatisch dar, wie man zunächst annehmen konnte, teilt Oberstaatsanwalt Christian Wolters nun mit. Es lasse sich lediglich nachweisen, dass der Beschuldigte seine Tochter von innen gegen die Balkonbrüstung gedrückt und anschließend in die Wohnung geschubst habe. "Wie es dazu kam und was Hintergrund der offenbaren Streitigkeit war, ist unklar und nicht aufzuklären", so Wolters.
Konkrete Beweise dafür, dass der Beschuldigte sein Kind über die Balkonbrüstung gehalten habe, liegen nicht vor. Die Zeugenaussagen, die dies zunächst für möglich erscheinen ließen, hätten sich nicht bestätigt. In ihren offiziellen Vernehmungen hätten die Zeugen ein Über-die-Brüstung-halten nicht ausgesagt.
"Kein öffentliches Interesse"
Strafrechtlich bleibe damit allenfalls der Vorwurf der Nötigung, wobei aufgrund der Gesamtschau für den Beschuldigten von zumindest verminderter Schuldfähigkeit am Tattag auszugehen sei und etwaige (körperliche oder psychische) Folgen der Tat für das Opfer nicht bekannt geworden seien. Bei der Nötigung handele es sich um ein Privatklagedelikt, das heißt eine Straftat, die nur dann von Amts wegen verfolgt werden soll, wenn ein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung bestehe. Ein solches sei hier nicht ersichtlich, so der Oberstaatsanwalt.
Man bewerte den Vorfall inzwischen als eine rein familiäre Auseinandersetzung. Für das geschädigte Kind wurde durch das Amtsgericht ein Ergänzungspfleger bestellt, der die Rechte des Kindes wahrnimmt und die aus Sicht des Kindes besten Entscheidungen treffen soll. Dieser Ergänzungspfleger habe entschieden, dass das Kind von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch macht, also nicht gegen den beschuldigten Vater aussagen möchte. Außerdem habe der Ergänzungspfleger ausdrücklich auf die Stellung eines Strafantrages verzichtet und damit deutlich gemacht, dass das Kind keine strafrechtliche Verfolgung des Vaters wünscht.
Im psychischen Ausnahmezustand
"Wenn man zudem noch berücksichtigt, dass der Beschuldigte nicht vorbelastet ist und sich bei der Tatbegehung in einem psychischen Ausnahmezustand befand, dann besteht kein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung", erläutert Christian Wolters. Vor diesem Hintergrund sei das Verfahren gegen den Beschuldigten eingestellt worden.