Wolfsburg. Mit der Kulturgeschichte der käuflichen Liebe befasst sich ein Vortrag von Alexander Kraus vom Institut für Zeitgeschichte der Stadt am Freitag, 12. August, um 19 Uhr im Raum für Freunde des Kunstvereins im Schloss Wolfsburg.
Unverhofft kommt oft – die Redewendung trifft auch auf ein Problem zu, mit dem sich die städtische Verwaltung Wolfsburgs 1971 ganz unversehens konfrontiert sah: der Eröffnung eines Bordells inmitten des Stadtzentrums. Sechzehn Wolfsburgerinnen hatten sich in einem Leserbrief zum Schutz vor sexuellen Übergriffen ein eben solches für ihre Stadt gewünscht hatten. Besagter Leserbrief machte überregional Furore und hatte zur Folge, dass sich fast vierzig Bewerber ungefragt bei der Stadt um eine Konzession bewarben. In der Poststraße gab es ihn dann bald, den sogenannten „Bienenkorb“, Wolfsburgs ersten „Puff“.
Der Historiker Alexander Kraus hat in den Akten des Instituts für Zeitgeschichte und Stadtpräsentation einiges zu dieser spannenden Entwicklung gefunden, die sich zu einem handfesten Skandal in der damaligen Stadtverwaltung entwickelte: „Die Prostitution wurde nicht nur mit einem Mal zum Verwaltungsproblem, sondern wurde von einer nahezu unüberschaubaren Anzahl an Akteuren mit kollidierenden Interessen auf allen denkbaren Kanälen verhandelt.“
Die Geschichte des Bordell-Skandals zeigt, wie das Private – die käufliche Liebe – zum Politischen wurde. Die hitzig geführte Diskussion, an der vom empörten Anwohner über den „Wirtschafter“ des Bordells bis zur regionalen und überregionalen Presse eine ganze Menge Personen beteiligt waren, erwuchs zu einem Rechtsstreit.
Im Raum für Freunde des Kunstverein Wolfsburg steht der Vortrag auch in direkter Korrespondenz zur künstlerischen Auseinandersetzung mit dem Thema Sexualität, das auch in der derzeitigen Ausstellung „arti 2016 – Ich bin so frei“ von Wolfsburger KünstlerInnen thematisiert wird.
Der Vortrag bietet darüber hinaus eine ergänzende, historische Perspektive auf das Jahresthema des Kunstverein Wolfsburg „Sexualität in der digitalisierten Kultur“: „Was 1971 und in den folgenden Jahren in Wolfsburg verhandelt wurde, ist eine Facette der Sichtbarkeit von Sexualität und deren Allgegenwart – und dies in einer Zeit, in der an ihre digitalen Spielräume noch kaum zu denken war“, sagt Alexander Kraus.
Doch es gibt noch eine weitere Ebene der zeitgenössischen Kunst: Der gebürtige Wolfsburger Künstler Benjamin aka STOK LA ROCK (Hamburg) wird den Vortrag mit Live-Zeichnungen begleiten, um den oftmals allein sprachlich vermittelten Diskurs sichtbar zu machen.
Kulturgeschichte: Vortrag über Wolfsburgs ersten Puff
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