„Macht den Mund auf, wenn gehetzt wird“


Sara Frenkel-Bass (Bildmitte, mit Blumengesteck) erinnert gemeinsam mit Auszubildenden und Mitarbeitern an die Opfer des Nationalsozialismus. Foto: Volkswagen AG
Sara Frenkel-Bass (Bildmitte, mit Blumengesteck) erinnert gemeinsam mit Auszubildenden und Mitarbeitern an die Opfer des Nationalsozialismus. Foto: Volkswagen AG

Wolfsburg. Am 74. Jahrestag des Kriegsendes in Europa erinnerte die inzwischen 96-jährige jüdische Zeitzeugin Sara Frenkel-Bass zusammen mit Volkswagen Auszubildenden an die rund 20.000 Frauen und Männer, die von 1940 bis 1945 bei der damaligen Volkswagenwerk GmbH als Zwangsarbeiter eingesetzt waren. Das berichtet die Volkswagen AG.


Am Mittwoch legten sie gemeinsam am Gedenkstein für die Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter ein Blumengesteck nieder. Im November wird die Volkswagen Jugend- und Auszubildendenvertretung erstmals einen Wolfsburger Schülerpreis für Respekt und Toleranz vergeben – Namenspatronin ist Sara Frenkel-Bass.

„Wir erinnern uns heute daran, dass vor 74 Jahren in Europa der Zweite Weltkrieg zu Ende ging. Beherzte Völker stoppten nationalsozialistischen Terror, rassistische Verfolgung und Völkermord. Freiheit und Frieden sind heute wieder in Gefahr“, sagte Sara Frenkel-Bass. „Ich appelliere deshalb an die junge Generation: Seid wachsam, schaut hin, hört nicht weg. Steht zusammen und macht den Mund auf, wenn wieder über Andersdenkende, Andersfarbige und Andersgläubige gehetzt wird. Das Leid von damals darf sich nicht wiederholen,“ betonte die ehemalige Zwangsarbeiterin.

Großes Engagement gegen das Vergessen


Sara Frenkel-Bass setzt sich seit Jahrzehnten mit großem Engagement gegen das Vergessen und für Frieden und Menschlichkeit ein. Sie berichtet jungen Menschen immer wieder, wie sie und ihre jüngere Schwester Lea als einzige ihrer Familie die Judenverfolgung im besetzten Polen und mehr als zwei Jahre Zwangs­arbeit im Deutschen Reich überlebten. Sie tarnten sich als katholische Krankenschwestern. Die Erinnerung an die Kinder der Zwangsarbeiterinnen, die aus rassistischen Motiven von ihren Müttern getrennt wurden und an Unterernährung und Verwahrlosung im „Ausländerkinderpflegeheim“ in Rühen starben, schmerzt Sara Frenkel-Bass noch heute.

Am 10. April 1945 befreiten US-Truppen die Zwangsarbeiter, unter ihnen auch KZ-Häftlinge und Kriegsgefangene, in der „Stadt des KdF-Wagens“ bei Fallersleben – wie Wolfsburg in der nationalsozialistischen Propagandasprache hieß.

Sara Frenkel-Bass hat Spuren hinterlassen


Sara Frenkel-Bass, die aus Lublin (Polen) stammt, hat in Wolfsburg Spuren hinterlassen: Auf ihre Initiative hat die Stadt Wolfsburg 2012 eine Straße in der Nordstadt nach einem verstorbenen Zwangsarbeiterkind benannt: Sofia-Gladica-Weg. Zwei Jahre zuvor war in der Innenstadt das Zwangsarbeiter-Denkmal an dem nach ihr benannten Sara-Frenkel-Platz enthüllt worden.

Sara Frenkel-Bass lebte nach dem Krieg mit ihrem Mann Manfred Frenkel zunächst in Braunschweig, wo ihr Sohn Chaim zur Welt kam. Die junge Familie emigrierte 1949 nach Israel und kehrte fünf Jahre später nach Europa zurück. Seitdem lebt Sara Frenkel-Bass in Antwerpen (Belgien).


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