Medienerziehung wichtig für die Stadt Wolfsburg

von Christoph Böttcher


Medienkompetenz wird immer wichtiger. Symbolbild: Pixabay
Medienkompetenz wird immer wichtiger. Symbolbild: Pixabay | Foto: Pixabay

Wolfsburg. Nachdem in der "BLIKK-Studie" der Bundesregierung konstatiert wurde, dass übermäßiger Medienkonsum schädlich für Kinder und Jugendliche sei, hat regionalHeute.de bei der Stadt Wolfsburg nach einem Statement gefragt. Daraus entstand ein ausführliches Interview mit Maik Rauschke, Medienpädagoge der Jugendförderung der Stadt Wolfsburg.


Rauschke verweist in dem Interview maßgeblich darauf, dass das Thema Erziehung ein breites Feld sei, das nicht in der Verantwortung Einzelner liegt. So seien wederdie Erziehungsberechtigten, noch die Schulen und Kitas alleine dafür verantwortlich. Dies gelte auch und insbesondere bei der Medienerziehung. Gerade aufgrund der schnellen Entwicklung der vergangenen Jahre, müssten auch Eltern und Lehrer in vielen Fällen die eigene Medienkompetenz verbessern. Dabei versucht die Stadt Wolfsburg möglichst viel zu unterstützen, auch weil das Thema Digitalisierung einen hohen Stellenwert für die Stadt hat. Das vollständige Interview finden Sie im Folgenden in ungekürzter Form.

Das ungekürzte Interview


Rauschke: Die Jugendförderung der Stadt Wolfsburg engagiert sich schon seit mehreren Jahren mit dem Projekt „Jugendmedien“ unter anderem in den Themen „positive und akzeptierende Mediennutzung von Kindern und Jugendlichen, Medienkompetenzvermittlung, Elternarbeit, Ausbildung von MultiplikatorInnen“. Grundlage ist dabei immer die Rahmenkonzeption der Jugendförderung mit dem Grundgedanken „Jugend Raum Geben!“. Damit haben wir den Anspruch, Kindern und Jugendlichen Räume der nonformalen Bildung zu ermöglichen, in denen sie Erfahrungen im Umgang mit Medien sammeln können, in denen sie an verschiedenen Aktionen und Projekten mitwirken können, in denen sie ihre Ideen umsetzen können und Unterstützung erhalten, wenn sie diese benötigen oder einfordern.

Smartphones immer früher relevant


regionalHeute.de:Wie sollte im Zeitalter der Digitalisierung mit dem Thema Smartphones und Kinder umgegangen werden? Es handelt sich schließlich um Schlüsseltechnologien, die immer früher relevant werden.

Rauschke: Kinder erleben in ihrem Umfeld permanent Menschen, die sich mit Smartphones oder digitalen Medien beschäftigen, darüber kommunizieren, damit Probleme erzeugen oder lösen. Zudem werden digitale Medien immer öfter als Beruhigungselemente beziehungsweise zur Belohnung oder Bestrafung genutzt. Das Spiel auf dem Smartphone beim Essen, die Playstation als Babysitter, der Fernseher als Möglichkeit dann doch am Sonntag mal ausschlafen zu können.Über Nutzung, Zweck, Dauer, Inhalt, Sinnhaftigkeit oder Grenzen entscheiden in der Regel nicht Kinder, sondern Erwachsene, Eltern oder Großeltern. D.h. Kinder wachsen mit digitalen Medien im Alltag auf, ohne aber wirklich in einem konkreten und bewussten Umgang damit angeleitet oder begleitet zu werden.

Wir müssen uns daher im Kontext der Digitalisierung und den aktuellen technischen Entwicklungen schon recht früh Gedanken über die Medienerziehung unserer Kinder machen. Wie nutzen wir Eltern Medien im Zusammenleben mit unseren Kindern, welche Vorbilder sind wir im Umgang mit Smartphone, Internet und Co. Welchen Stellenwert geben wir einem Smartphone, einem Fernseher oder einem Computer im Familienalltag und im Rahmen von gemeinsamen Aktivitäten. Es geht wie bei allen anderen Themen der Erziehung von Kindern auch hier um Regeln, Absprachen, Vertrauen, Freiheiten, Grenzen und (notwendige) Grenzüberschreitungen. Vor allem aber geht es um die eigene und reflektierte Haltung zu dem Thema Medien bzw. Mediennutzung.

Vorleben, begleiten und unterstützen ist dabei besser als verbieten, verteufeln oder vorenthalten. Und Regeln im Alltag (zum BeispielSmartphones am Esstisch) müssen für alle gelten und nicht nur für Kinder.

Verantwortung in der Medienerziehung


regionalHeute.de:Wie sollte mit der Medienerziehung umgegangen werden? Obliegt die Pflicht allein den Eltern oder haben auch Kitas und Schulen die Pflicht, dort aufzupassen?

Rauschke:Medienerziehung bzw. die Vermittlung von Medienkompetenzen kann und darf niemals die Aufgabe von einzelnen Personen sein. Es geht hier um eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die an vielen Stellen der Bildungsbiografie junger Menschen zum Tragen kommt. Wir sind alle dazu aufgerufen einen Beitrag entsprechend unserer Möglichkeiten zu leisten. Eltern, Kitas, Schulen, Jugendhilfe und offene Kinder- und Jugendarbeit, Vereine, Verbände oder Kirchen, alle Menschen im Kontext des Aufwachsens von Kindern sind mehr oder weniger Vorbilder oder haben die Möglichkeit, Medienkompetenzen zu vermitteln.

Medienerziehung kann und darf dabei aber nicht losgelöst von den klassischen Erziehungsthemen gesehen werden. Alle Entscheidungen in der Nutzung von Medien, werden aufgrund der grundlegenden Wertmaßstäbe der Menschen getroffen, die diese Medien nutzen. Es gibt keine Entscheidung über Gut oder Böse, die losgelöst von der Erziehung und nur auf Medien bezogen ist.

Zusätzlich zum „Aufpassen“ sollten wir uns aber auch mit Begriffen wie „begleiten, unterstützen oder ermöglichen“ beschäftigen. Kinder sollten in die Lage versetzt werden, an den Aufgaben und Problemen die sie betreffen zu wachsen, um ihren eigenen Wertekompass zu entwickeln. Verbote, Filter oder Schutzräume sind an einigen Stellen wichtig und nötig, Freiräume, Erfahrungen oder bewusste Grenzüberschreitungen gehören aber auch zum Prozess des Erwachsenwerdens.

Die Rolle der Politik


regionalHeute.de: Welche Rolle sollte dabei die Politik einnehmen? Sollte sie sich neutral verhalten, informieren oder gar Gesetze erlassen?

Rauschke: Politik ist dazu aufgerufen, die entsprechenden Rahmenbedingungen für eine möglichst gelingende Medienkompetenzvermittlung zu gestalten. Die aktuell bestehenden Gesetze sind dabei ausreichend und gut vorhanden. Vielmehr geht es um die Verbesserung bzw. Anpassung der Ausbildungsgrundlagen der Menschen, die mit jungen Menschen arbeiten. D.h. der Umgang mit Medien und die Vermittlung von Medienkompetenzen sollten Teil der Ausbildung von allen pädagogischen Fachkräften sowie von Lehrerinnen und Lehrern werden. Zusätzlich sollten Ressourcen für die Arbeit mit Eltern und Familien bereitgestellt werden, um auch dort entsprechende Schulungen und Hilfsangebote noch besser und zielgerichteter anbieten zu können.

Vorgehen der Stadverwaltung


regionalHeute.de:Wird die Studie zukünftige Entscheidungen in der Ratsarbeit der Stadt Wolfsburg beeinflussen? Werden sich beispielsweise der Jugendhilfe- oder Schulausschuss dem Thema widmen?

Florian Reupke, Kommunikation Stadt Wolfsburg:Da das Thema Digitalisierung gesamtgesellschaftlich zunehmend in den Fokus rückt und sich die Stadt Wolfsburg – auch in Hinsicht auf die Teilnahme am Wettbewerb Digitale Stadt sowie der Initiative #WolfsburgDigital, die gemeinsam mit dem Volkswagen Konzern durchgeführt wird – intensiv damit beschäftigt, wird das Thema auch bei der künftigen Rats- und Verwaltungsarbeit noch stärker in den Fokus rücken. Da sich insbesondere die Jugendförderung bereits mit unterschiedlichen Projekten in diesem Feld bewegt, werden sich auch der Jugendhilfe- und der Schulausschuss künftig weiterhin dem Thema Digitalisierung sowie damit einhergehenden Chancen und Herausforderungen widmen.

Aktuell bietet die Jugendförderung unter anderem Multiplikatorenschulungen, Elterninformationsveranstaltungen, Medienkompetenzförderung in den Kinder- und Jugendeinrichtungen, medienpädagogische Freizeitangebote für Jugendliche und Kinder in Form von Medienwochen, LAN-Partys zur Förderung von Medien- und Sozialkompetenzen sowie auf Wunsch auch Beratung für junge Menschen und ihre Eltern an.


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