Paris. Im Jahr 2023 sind 45 Medienschaffende im Zusammenhang mit ihrer Arbeit getötet worden. Das sind so wenige wie seit 2002 nicht mehr - trotz des Krieges zwischen Israel und der Hamas, wie aus der Jahresbilanz der Pressefreiheit, die Reporter ohne Grenzen (RSF) am Donnerstag veröffentlichte, hervorgeht.
In diesem Konflikt wurden demnach bislang mindestens 17 Journalisten mit klarem Bezug zu ihrer Arbeit getötet, dutzende weitere Fälle werden derzeit überprüft. Weltweit kam mehr als die Hälfte der getöteten Medienschaffenden in Kriegsgebieten ums Leben. Insgesamt 521 Journalisten und Reporter sind derzeit im Zusammenhang mit ihrer Arbeit willkürlich inhaftiert. Auch wenn dies einen Rückgang um gut acht Prozent bedeutet, liegt die Zahl noch immer auf sehr hohem Niveau.
Sechs von acht der weltweit längsten Haftstrafen wurden gegen weibliche Medienschaffende verhängt. "Wer aus Kriegen und bewaffneten Konflikten berichtet, bezahlt diesen Mut immer noch viel zu oft mit dem eigenen Leben. Besonders gefährlich ist es derzeit im Gazastreifen", sagte RSF-Vorstandssprecherin Katja Gloger. Man denke aber auch an die Berichterstatter in anderen Kriegen und Konflikten, etwa in der Ukraine oder in Mali.
"Ihre Arbeit bleibt gefährlich, auch wenn die öffentliche Aufmerksamkeit gesunken ist. Wir sollten uns nicht täuschen: Noch immer kommt im Schnitt fast jede Woche ein Journalist oder eine Reporterin ums Leben", so Gloger weiter. Auch die Zahl der Inhaftierten sei weiter hoch. "Wir fordern deshalb die Regierenden in den Demokratien auf, sich noch stärker für das Menschenrecht auf Pressefreiheit einzusetzen."
Insgesamt wurden im laufenden Jahr bis zum Stichtag 1. Dezember 45 Journalisten im Zusammenhang mit ihrer Arbeit getötet. Das sind 16 weniger als im Jahr 2022 (61), die niedrigste Zahl seit 2002 (33). In den Jahren 2013 und 2014 wurden hingegen mehr als 140 Medienschaffende getötet, vor allem in den Kriegen in Syrien und im Irak. Mindestens 17 Journalisten wurden seit dem 7. Oktober im Gazastreifen (13), in Israel (einer) und im Libanon (drei) getötet.
In diesen Fällen konnte RSF laut eigenen Angaben "mit hinreichender Sicherheit" feststellen, dass ihr Tod mit ihrer journalistischen Arbeit zusammenhing. Insgesamt kamen in der Region 61 Journalisten ums Leben. RSF hat Strafanzeige beim Internationalen Strafgerichtshof eingereicht, um wegen möglicher Kriegsverbrechen seitens der Hamas und der israelischen Armee zu ermitteln. Der Rückgang über die vergangenen fünf Jahre lässt sich wohl zum Teil mit verbesserten Sicherheitsvorkehrungen erklären, zum Teil mit der Abnahme der Kriegshandlungen im Irak und in Syrien.
In beiden Ländern kamen im Verlauf zweier Jahrzehnte, von 2003 bis 2022, fast 600 Journalisten ums Leben. In Zeiten ohne kriegerische Konflikte wirkten sich vor allem Verbesserungen auf rechtlicher Ebene sowie Maßnahmen zur Bekämpfung der grassierenden Straflosigkeit positiv aus, so RSF. Die Zahl der in Lateinamerika getöteten Medienschaffenden ist unterdessen deutlich gesunken, von 26 im Jahr 2022 auf sechs im laufenden Jahr. Dennoch ist die Arbeit als Journalist in dieser Region noch immer sehr gefährlich. Wegen der vielen Gewalttaten im Jahr 2022 seien einige mexikanische Medienschaffende vorsichtiger in ihrer Berichterstattung geworden - um den Preis stärkerer Selbstzensur und größerer Lücken in der Berichterstattung.
Zum ersten Mal in den vergangenen fünf Jahren kamen mehr Medienschaffende in Kriegsgebieten (23 im Jahr 2023) ums Leben als außerhalb (22). Am 1. Dezember 2023 saßen insgesamt 521 Medienschaffende wegen ihrer Arbeit im Gefängnis. Damit ist die Zahl im Vergleich zum Vorjahr um 8,4 Prozent gesunken. 264 Journalisten sind alleine in China (einschließlich Hongkong), Myanmar, Weißrussland und Vietnam inhaftiert. Jahr für Jahr behauptet China seinen Status als das Land, in dem die Behörden die meisten Journalisten einsperren lassen. Insgesamt 121 Medienschaffende, fast ein Viertel (23 Prozent) der weltweit inhaftierten Journalisten, sind dort inhaftiert, einschließlich zwölf in Hongkong. In Weißrussland unter Machthaber Alexander Lukaschenko sitzen derzeit 39 Journalisten im Gefängnis, sieben mehr als Ende 2022. Das Regime hält nun auch mehr weibliche Medienschaffende (zehn) fest als jedes andere Regime außer China (14). Weltweit machen Journalistinnen mehr als zehn Prozent aller inhaftierten Medienschaffenden aus.
In Russland sitzen 28 Medienschaffende im Gefängnis. Der Rückgang der Zahl der weltweit inhaftierten Medienschaffenden erklärt sich unter anderem mit dem Rückgang der Inhaftierten im Iran (24 weniger als im Vorjahr) und der Türkei (23 weniger). Allerdings ist es in beiden Ländern verbreitete Praxis, Journalisten wiederholt inhaftieren zu lassen. Insgesamt waren im laufenden Jahr in der Türkei 43, im Iran 58 Medienschaffende inhaftiert - auch in berüchtigten, für Folter bekannten Gefängnissen wie Evin in Teheran. Im Iran sind weiter besonders weibliche Medienschaffende gefährdet, die über die Freiheitsbewegung nach dem gewaltsamen Tod der Kurdin Jina Mahsa Amini im September 2022 berichten. Weltweit warten von den insgesamt 521 inhaftierten Journalisten mehr als die Hälfte noch auf einen Gerichtsprozess. Weltweit sind derzeit mindestens 54 Medienschaffende in fünf Ländern entführt: in Syrien, Irak, Jemen, Mali und Mexiko. Fast die Hälfte von ihnen (25) wurde zwischen 2013 und 2015 im Irak und Syrien vom sogenannten Islamischen Staat (IS) gefangen genommen. Die Zahl der Entführten ist die niedrigste seit 2017. Weltweit gelten 84 Medienschaffende als verschwunden. Mexiko ist mit 30 nach wie vor das Land mit den meisten verschwundenen Medienschaffenden. Mehr als die Hälfte (43) der weltweit verschwundenen Journalisten befinden sich in Lateinamerika.
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