Berlin. Die Zahl der Straftaten mit extremistischem Hintergrund in Deutschland ist im vergangenen Jahr erneut auf einen neuen Höchststand gestiegen. Wie aus dem am Dienstag vorgestellten Verfassungsschutzbericht 2023 hervorgeht, wurden insgesamt 39.433 solcher Straftaten gezählt. Bei 2.761 handelte es sich demnach um Gewalttaten. 2022 waren es 35.452 Straftaten und davon 2.847 Gewalttaten - auch das war bereits ein neuer Höchststand.
Die Bedrohung durch Spionage, illegitime Einflussnahme, Desinformationskampagnen und Cyberangriffe hat sich laut Bericht gegenüber 2022 weiter verschärft. Die Hauptakteure dieser gegen Deutschland gerichteten Aktivitäten sind Russland, China und der Iran. Propaganda und Desinformation - vor allem durch das russische Regime - haben noch einmal deutlich an Intensität gewonnen. Auch das strategisch gesteuerte Vorgehen Chinas forderte die Cyber- und Spionageabwehr in besonderem Maße.
Im Rechtsextremismus ist das Personenpotenzial weiter angewachsen und liegt bei 40.600 (2022: 38.800). Auch der Anteil der gewaltorientierten Rechtsextremisten ist abermals auf nunmehr 14.500 (2022: 14.000) gestiegen. Die Vernetzung von Akteuren im Bereich der "Neuen Rechten" nimmt weiterhin zu. Zudem ist 2023 auch das Personenpotenzial der "Reichsbürger" und "Selbstverwalter" erneut um 2.000 Personen auf insgesamt 25.000 angewachsen. Das gewaltorientierte Personenpotenzial liegt bei weiterhin rund zehn Prozent, also 2.500 Personen (2022: 2.300). Das Gefährdungspotenzial durch die Waffenaffinität vieler Szeneangehöriger besteht laut Verfassungsschutzbericht fort. Im Jahr 2023 wurden mindestens 360 "Reichsbürgern" und "Selbstverwaltern" waffenrechtliche Erlaubnisse entzogen oder freiwillig zurückgegeben.
Das linksextremistische Personenpotenzial ist im Jahr 2023 um 500 auf insgesamt 37.000 Personen gestiegen. Mehr als jeder vierte Linksextremist ist den Behörden zufolge als gewaltorientiert einzuschätzen. Bei den linksextremistisch motivierten Straftaten gab es auch einen Zuwachs an Gewalttaten (um 20,8 Prozent auf 727 Delikte). Insbesondere nahm Gewalt gegen Polizeibeamte deutlich zu, darunter ein nach derzeitigem Ermittlungsstand versuchter Mord. Der Versuch der Beeinflussung der Klimaprotestbewegung durch Linksextremisten mit dem Ziel einer Radikalisierung der Aktionsformen hin zur Sabotage von Infrastruktur setzte sich fort. Das Bündnis "Ende Gelände" wird nunmehr als linksextremistischer Verdachtsfall bearbeitet.
Im Bereich Islamismus/islamistischer Terrorismus zeigt sich ein annähernd gleichbleibendes Personenpotenzial von 27.200 Personen (2022: 27.480). Europa und damit auch Deutschland stehen laut Verfassungsschutz weiterhin und verstärkt im Fokus terroristisch-jihadistischer Organisationen, vor allem des ISPK. Die Gefährdung durch den islamistischen Terrorismus in Deutschland sowie für deutsche Interessen und Einrichtungen weltweit hat sich seit dem terroristischen Angriff der Hamas auf Israel weiter erhöht. Sowohl der IS als auch Al-Qaida haben die Ereignisse im Nahen Osten zum Anlass genommen, zum "Jihad" aufzurufen.
Das Personenpotenzial im auslandsbezogenen Extremismus ist im Vergleich zum Vorjahr mit 30.650 Personen (2022: 29.750) weiter leicht angestiegen. Die zahlenmäßig bedeutsamste Organisation in Deutschland ist weiterhin die "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) mit 15.000 Anhängern (2022: 14.500).
"Die Sicherheitslage bleibt angespannt", sagte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD). "Wir haben alle Schutzmaßnahmen massiv hochgefahren, um uns gegen die aktuellen Bedrohungen durch Extremismus, Terrorismus und hybride Bedrohungen zu wappnen." Das sei auch notwendig, "denn die Bedrohung unserer Demokratie durch Spionage, Sabotage, Desinformation und Cyberangriffe hat eine neue Dimension erreicht", so Faeser.
Verfassungsschutzpräsident Thomas Haldenwang sprach unterdessen von "einem sehr hohen Niveau von Bedrohungen". Deutschland stehe im Fokus - vor allem von Gruppen wie dem ISPK. "Aber auch radikalisierte Einzeltäter ohne erkennbare Anbindung an Terrororganisationen stellen eine große Gefahr dar." Der Nahostkonflikt habe zudem wie ein Brandbeschleuniger für den Antisemitismus in Deutschland gewirkt, "der ein Brückennarrativ für teilweise sehr unterschiedliche Extremismusfelder ist", so Haldenwang.
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