Zeitzeuge Zuckmücke - TU befragt Insekten zum Wetter der Vergangenheit

Im gleichen Tagebau in Schöningen, in dem auch die historischen "Schöninger Speere" gefunden wurden, fanden sich auch bemerkenswert gut erhaltene Fossilien von Zuckmücken.

Kopfkapsel einer Zuckmückenlarve des Typs Chironomus anthracinus, aus den gleichen Sedimentschichten wie die Speere in Schöningen. Deutlich zu erkennen ist das dunkel gefärbte Mentum, ein Teil der Mundwerkzeuge der Larve, mit der arttypischen Zahnreihe von drei mittleren und je sechs seitlichen Zähnen.
Kopfkapsel einer Zuckmückenlarve des Typs Chironomus anthracinus, aus den gleichen Sedimentschichten wie die Speere in Schöningen. Deutlich zu erkennen ist das dunkel gefärbte Mentum, ein Teil der Mundwerkzeuge der Larve, mit der arttypischen Zahnreihe von drei mittleren und je sechs seitlichen Zähnen. | Foto: Falko Turner / TU Braunschweig

Braunschweig. Vor über 20 Jahren entdeckten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler im ehemaligen Tagebau Schöningen circa 300.000 Jahre alte Jagdwaffen. Diese „Schöninger Speere“ revolutionierten die Sicht auf den Homo heidelbergensis. Doch in was für einer Umwelt lebte dieser direkte Vorgänger des Neandertalers? Im Herbst 2020 startet an der Technischen Universität Braunschweig ein Forschungsprojekt, das aus den Sedimenten des Schöninger Tagebaus mehr über diese Umwelt erfahren will. Doch auch das heutige Klima könnte dadurch verständlicher werden. Die TU Braunschweig berichtet in einer Pressemitteilung über das Projekt.


Das neue Forschungsprojekt am Institut für Geosysteme und Bioindikation (IGeo) befasst sich mit fossilen Larven von Zuckmücken. Als die Holzartefakte vor mehr als 300.000 Jahren eingebettet wurden, bedeckte ein See die heutige Tagebaugrube. Zwischen Algen und im Seesediment lebten die Mückenlarven. Ihre Kopfkapseln aus Chitin können, konserviert in den Sedimentschichten, die Jahrhunderte überdauern. Dabei schlossen sie Informationen zu vergangenen Umweltparameter mit ein. Die Forschenden können unter anderem die damaligen Sommertemperaturen, Wassertiefe und den Nährstoffgehalt des Sees an der Zusammensetzung der damaligen Zuckmückenartengesellschaften ablesen.

In Kombination mit anderen Bioindikatoren wie Kieselalgen, Muschelkrebsen und Pollen können die Überreste von Zuckmücken damalige Klima- und Umweltveränderungen rekonstruieren. Des Weiteren zeichnet die Ausgrabungsstätte in Schöningen eine gut erhaltene Sedimentabfolge aus. Zusammen mit den archivierten Fossilien ergibt sich so ein einzigartiges Umwelt- und Klimaarchiv Niedersachsens. In Kooperation mit dem Niedersächsischen Landesamt für Denkmalpflege soll das neue Forschungsprojekt bisherige Erkenntnisse zur Temperaturentwicklung verfeinern. Gleichzeitig soll das Projekt Informationen zur Evolution innerhalb der Zuckmückenarten liefern. In den Sedimenten des Schöninger Tagebaus finden sich die bisher ältesten, erhaltenen Zuckmücken-Mikrofossilien. Ihre außergewöhnlich gute Erhaltung sei einmalig für Archive dieses Alters.

Das Projekt zur Erforschung von Erd-, Klima- und Menschheitsgeschichte fördert das Ministerium für Wissenschaft und Kultur (MWK) im Programm PRO*Niedersachsen mit insgesamt rund 200.000 Euro für drei Jahre.


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