Region. Die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) Niedersachsen richtet sich an die Öffentlichkeit und beklagt den Mangel an Kollegen: Die Einstellungszahlen würden die Pensionierungen nicht ausgleichen, gleichzeitig würden von Woche zu Woche mehr Aufgaben hinzukommen, die die Polizei leisten solle. Hoch komplexe Aufgabengebiete, wie die Bekämpfung der Cyberkriminalität und der Kinderpornografie bedürften auch bei aufwendiger technischer Unterstützung ein Mehr an Personal. Der Schutz der kritischen Infrastruktur und vielfältige klimakritische Aktionen forderten immer mehr Einsatzkräfte. Die Polizei gehe auf dem Zahnfleisch, in fast allen Bereichen herrsche Mangelverwaltung. Wer hier sage, dass doch "bisher immer alles gut gegangen" sei, gefährde die Innere Sicherheit in Niedersachsen. So teilt die Polizeigewerkschaft in einer Pressemitteilung mit.
Überall aus dem Land seien Unmutsbekundungen der Polizei zu vernehmen. Die Stimmen zeichnen ein dramatisches Bild. Auch der Direktionsverband der Polizei Braunschweig äußert sich kritisch.
Starke Belastungen
Die Polizei in Niedersachsen würde stark unter den Belastungen der aktuellen Situation ächzen. "Die Zentrale Polizeidirektion sticht durch die Vielfalt an Tätigkeiten heraus. Viele Stellen können aus Bewerbermangel nicht adäquat besetzt werden, was auch an zu schlechten Dienstpostenbewertungen liegt, egal ob in der IT oder dem regionalmedizinischen Dienst. Den Wettbewerb mit der Wirtschaft gewinnen wir selten. Zudem sind die Anforderungen an die BePo gestiegen - Präsenz im öffentlichen Raum zur Stärkung des Sicherheitsgefühls in der Bevölkerung oder Betreuung auch kleinster Versammlungslagen. Es bedarf einer klaren Aufgabenkritik, was Polizei leisten soll, was nicht und was mit vorhandenem Personal möglich ist", so Dirk Waldmann, Direktionsverbandsvorsitzender DPolG Zentrale Polizeidirektion Niedersachsen.
Aufgaben kaum noch zu erfüllen
"Im Rahmen der Strategischen Organisationsanpassung (StrO) wurde in allen Inspektionen eine Ständige Ermittlungsgruppe für komplexe kriminelle Strukturen (SEG KKS) eingerichtet. Das Personal hierfür wurde aus den Fachkommissariaten rekrutiert. Diese Abgänge wurden nicht oder nur zum Teil ersetzt. Große Umfangverfahren können in den Zentralen Kriminaldiensten mangels Personal kaum noch geführt werden. Kriminalität wird zum Teil nur noch verwaltet, nicht mehr aktiv bekämpft", so Frank Seidel, Direktionsverbandsvorsitzender DPolG Braunschweig.
"Wenn der Bürger das Gefühl bekommt, dass die Polizei weniger präsent ist, ist das schlecht für das subjektive Sicherheitsgefühl. Wenn er am eigenen Leibe erfährt, dass die Polizei nicht oder erst nach langer Wartezeit kommt, bei Ermittlungen nur ein Minimum an Zeit aufbringen kann oder kriminelle Strukturen munter weitermachen können, dann ist das ein fatales Zeichen für eine objektive Schwächung der Sicherheit in unserem Land. Eine umfassende Aufgabenkritik und ein nachhaltiger und signifikanter personeller Aufwuchs sind dringend notwendig und unvermeidbar!", so Patrick Seegers, Landesvorsitzender DPolG Niedersachsen.
Weitere Stimmen aus Niedersachsen
"Nicht zuletzt aufgrund einer Unwucht im Personalverteilungsmodell ist das Personal im DV Lüneburg knapp. Die Umsetzung der StrO sowie die zunehmend komplexen Ermittlungen (beispielsweise Cybercrime und KiPo/ JuPo) und Aufgaben (auch durch Krisen) stellen eine Herausforderung für den Personalkörper dar und erfordern zugleich mehr spezielles Wissen - zwangsläufig führt dies außerdem dann zu einer Ausdünnung der Flächenpräsenz", so Christian-Tobias Gerlach, Direktionsverbandsvorsitzender DPolG Lüneburg.
"Sowohl im ermittelnden Bereich als auch im ESD krankt es. Sachverhalte, die aufgrund von Umfang und Tätern eigentlich durch Ermittlungsgruppen bearbeitet werden müssten, bleiben beim Sachbearbeiter oder sogar ganz liegen, denn solche EG'en werden mangels Personal nicht eingerichtet. Im ESD haben wir in der Fläche Dienststellen, die mit einem absoluten Minimalschlüssel aufgestellt sind, sodass bei kleinsten Ausfällen, bei Urlaub und Erkrankungen durch alle anderen ständige Überstunden geschoben werden müssen. Darunter leiden die Qualität der Arbeit und die Gesundheit gleichermaßen", so Peer Scheffczyk, Direktionsverbandsvorsitzender DPolG Oldenburg.
Der Westen Niedersachsens zeichne sich durch eine stetige Steigerung bei den Bevölkerungszahlen sowie bei Industrieansiedlungen aus. Zudem sei er geprägt durch Tourismus, insbesondere auf den Inseln. Parallel würden die Anforderungen immer mehr - das Personal wachse jedoch nicht mit. Es fehle, um überall angemessen präsent zu sein. Auch die resultierenden Bearbeitungszahlen in den ermittelnden Bereichen seien enorm hoch - das müsse durch mehr Personal abgefedert werden. So Christian Albert, Direktionsverbandsvorsitzender DPolG Osnabrück.
Das aktuelle Personal in der Polizeidirektion Hannover reiche bei der erhöhten Belastung durch den Anstieg unter anderem bei Gewaltdelikten, der Vielzahl an täglichen Versammlungen und der Wahrnehmung von Objektschutzmaßnahmen keinesfalls aus. Es bliebe, insbesondere im städtischen Bereich der PI Hannover, oftmals weder Zeit für schriftliche Arbeiten, selbst bei hochwertigsten Delikten nicht, noch gebe es minimal ausreichende Regenerationszeiten. "Das belaste unsere Kolleginnen und Kollegen erheblich und ist eine Gefahr für ihre Gesundheit", so Jens Hoffmann, Direktionsverbandsvorsitzender DPolG Hannover.
"Das Doppelte von viel zu wenig, ist immer noch zu wenig! Die steigenden Vorgangszahlen im Bereich Cyberkriminalität und bei Betrugsdelikten werden in der Sachbearbeitung nicht durch mehr Personal kompensiert, sondern auf den bereits vorhandenen Schultern verteilt. Von mehr Personal merkt man dort nichts, ganz im Gegenteil", so Björn Wiesbaum, Direktionsverbandsvorsitzender DPolG Göttingen.
Nachgefragt
regionalHeute.de hat diesbezüglich eine Anfrage bei der Polizeidirektion Braunschweig gestellt. Wir wollten wissen, ob die Sicherheit der Menschen noch gewährleistet werden könne:
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