Asse/Wolfenbüttel. Die Grünen im Rat der Stadt Braunschweig wollen in der kommenden Ratssitzung am 16. Dezember eine Resolution einbringen, in der sich der Rat der Stadt bereit erklärt, die Forderungen zum Asse II-Zwischenlager zu unterstützen.
Wie die Grünen in ihrer Forderung begründen, sei die ehemalige Schachtanlage Asse II im Landkreis Wolfenbüttel ein Thema, das die gesamte Region Braunschweig betreffe. Das frühere „Forschungsendlager“ sei bekanntlich eine "tickende Zeitbombe" und durch den ständigen Laugenzufluss - aktuell 13.500 Liter pro Tag - permanent vom „Absaufen“ bedroht. Aufgrund der räumlichen Nähe stelle Asse II auch für die Braunschweiger Bevölkerung eine potentielle Gefahr dar, meinen die Grünen. Angesichts der dort gelagerten hochgiftigen Stoffe könne es zu einer radioaktiven Verseuchung der näheren und weiteren Umgebung kommen. Dies soll durch die - politisch hart erkämpfte - Bergung der etwa 126.000 Fässer mit Atommüll und deren Lagerung an einem anderen, weniger gefährdeten Standort vermieden werden.
Unklar sei lange gewesen, so die Grünen, wo der Asse-Müll nach seiner Rückholung bis zu seiner endgültigen Deponierung zwischengelagert und konditioniert werden soll. Im Juli 2020 wurde von einem Vertreter des Bundesumweltministeriums verkündet, dass das Zwischenlager direkt an der Asse errichtet werden soll. Betroffene Bürger und politische Vertretungen würden nun völlig zu Recht beklagen, dass es im Vorfeld keinen fairen Standortvergleich gegeben hat.
Hilferuf aus der Asse
Der Rat der Samtgemeinde Elm-Asse habe am 6. Oktober 2020 eine Resolution zur Zwischenlager-Standortsuche für die radioaktiven Abfälle aus der Schachtanlage Asse II beschlossen. Eine Vertreterin der Grünen in diesem Rat habe anschließend um Solidarität gebeten. Dieser Bitte wollen sich die Grünen im Rat der Stadt Braunschweig nicht verschließen, teilen diese mit. Dazu der Grüne Ratsherr und Stellvertretende Fraktionsvorsitzende Helge Böttcher: „Oberste Priorität hat für uns die Rückholung des atomaren Mülls aus der Asse. Dabei wissen wir uns einig mit allen anderen Grünen in der Region und darüber hinaus. Dass der Müll ab 1967 überhaupt in die Asse kam, war absolut keine wissenschaftliche, sondern eine rein politische Entscheidung. Das war schon damals und ist auch heute noch scharf zu kritisieren. Wir fordern daher, dass sowohl die Endlager- als auch die Zwischenlagersuche nach streng wissenschaftlichen Kriterien und unter breiter Beteiligung der Bürger durchgeführt werden. Die Entscheidung für ein Zwischenlager direkt an der Asse mag inhaltlich nachvollziehbar sein, ist aber anscheinend wieder nicht nach wissenschaftlichen Kriterien erfolgt. Aktive Bürger und Initiativen vor Ort wurden durch die plötzliche Ansage seitens der Bundesregierung erneut vor vollendete Tatsachen gestellt. Vor diesem Hintergrund halten wir es für ein Gebot der Stunde, konkrete Forderungen für das Zwischenlager zu formulieren - unabhängig von der Standortfrage. Daher haben wir zur kommenden Ratssitzung am 16. Dezember eine entsprechende Resolution eingebracht. Wir hoffen sehr, dass unser Antragstext bei den anderen Fraktionen auf Unterstützung trifft.“
Den Grünen zufolge sollte sich der Rat der Stadt Braunschweig insbesondere dafür stark machen, dass eine Dokumentation der radioaktiven Umgebungsstrahlung vor Baubeginn und ein dauerhaftes umfassendes Gesundheitsmonitoring mit jährlicher Berichterstattung erfolge, eine rechtssichere Beschränkung des Zwischenlagers auf nur aus Asse II zurückgeholten Atommüll durch Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrages vereinbart wird, dass es eine Beschränkung auf eine maximale, nicht verlängerbare Nutzungsdauer der gesamten Anlage, festgesetzt wird und eine sofortige und zielorientierte bundesweite Suche nach einem Endlager für die radioaktiven Abfälle erfolgt.
Kritik an BGE und Land
Während sich der Rat der Stadt Braunschweig in der kommenden Woche mit dem Thema befasst, übt der Asse II – Koordinationskreis, die unabhängige Bürgerinitiative gegen die Flutung des Atommüll-Bergwerks Asse II, Kritik an der BGE - der Bundesgesellschaft für Endlagerung- und Niedersachsens Umweltminister Olaf Lies. Grund sei, dass der Asse II Koordinationskreis keine Antwort auf Fragen bezüglich des Strahlenschutzgesetzes und dessen Auswirkung auf die Rückholung in der Asse bekomme.
Insbesondere befürchte man, so teilte es der Asse II – Koordinationskreis Olaf Lies und Stefan Studt von der BGE mit, dass mit Inkrafttreten des aktuellen Strahlenschutzgesetzes und der aktuellen Strahlenschutzverordnung die Rechtfertigung für die Rückholung des Atommülls aus Asse II entfallen würde, da sich die Ausbreitungsberechnungen in der Strahlenschutzverordnung drastisch geändert hätten. Mit diesen neuen Berechnungen dürfte selbst für das alte GSF-Flutungskonzept ein Sicherheitsnachweis erfüllt sein.
Weiter erklärt Asse II – Koordinationskreis:
"Die Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) treibt die Errichtung einer Atommüllfabrik („Konditionierungsanlage“) und eines langfristigen Zwischenlagers an der Asse voran. Das Tempo des staatlichen Betreibers von Asse II bei der Errichtung eines neuen Atommüll-Komplexes steht in frappierendem Gegensatz zur Langsamkeit bei der Rückholung des Atommülls aus dem maroden Salzbergwerk. Mehr als zehn Jahre nach dem Beschluss zur Rückholung gibt es noch immer keinen Masterplan dafür, noch immer keine Bergetechnik, noch immer keinen neuen Schacht 5, der für Bergung des Atommülls notwendig ist.
Es verdichten sich Verdachtsmomente, dass hier unter dem Vorwand, Anlagen für den Atommüll aus Asse II zu errichten, eher ein Umschlagplatz für die Vorbereitung des nicht hitzeentwickelnden Atommülls aus der ganzen Republik zur Einlagerung in das alte Eisenerzbergwerk Schacht Konrad in Salzgitter entstehen soll, das nur 25 Kilometer von Asse II entfernt liegt.
Für die offiziell deklarierte Rückholung des Atommülls aus Asse II könnte mit Inkrafttreten des aktuellen Strahlenschutzrechts nämlich die rechtliche Rechtfertigung entfallen sein. Mit dieser neuen Strahlenschutzverordnung wurden ab 2019 diverse Sicherheitsreserven gestrichen. Nun dürfen aus einer Atomanlage deutlich höhere Emissionen (gemessen in Becquerel) entweichen, bis der gleich gebliebene, über Modelle errechnete Grenzwert der Belastung von Anwohnern erreicht wird. Allein über die Anwendung des neuen Berechnungsverfahrens für die Ausbreitung, hätten sich die errechneten Belastungen der Menschen an der Asse (in mSv) um zirka Faktor 10 reduziert, bei praktisch gleich gebliebenen Emissionen aus Asse II (in Bq).
Ein politisch oder juristisch erzwungener Abbruch der Rückholung könnte sich stützen auf §57b AtG, Absatz 2, Satz 4: „Die Rückholung ist abzubrechen, wenn deren Durchführung für die Bevölkerung und die Beschäftigten aus radiologischen oder sonstigen sicherheitsrelevanten Gründen nicht vertretbar ist.“
Schon am 13. Januar 2020 hat der Asse II-Koordinationskreis sowohl BGE-Geschäftsführer Stefan Studt (SPD) als auch den niedersächsischen Umweltminister Olaf Lies (SPD) auf einer großen Veranstaltung in Remlingen mit den beiden rechtlichen Problemfeldern konfrontiert und verlangt, sie sollten darstellen, wie denn angesichts dieser Probleme die Genehmigungsfähigkeit einer Rückholungsplanung sichergestellt werden soll. Auch erneute Nachfragen hierzu wurden bisher nur ausweichend beantwortet und ohne fachliche Begründung. Offensichtlich weiß niemand, wie die eine etwaige zukünftige Rückholung für den Atommüll aus Asse II genehmigt werden kann."
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