Peine. Eine Polizeibeamtin aus Peine wurde offenbar von den Mitgliedern eines kriminellen Clans derart bedroht, dass sie selber darum bat, versetzt zu werden. Das bestätigt das Niedersächsische Innenministerium auf Anfrage von regionalHeute.de. Der Vorfall hat ein medienweites Echo ausgelöst. Lokale und regionale Politiker äußern sich besorgt.
Das Auto der Beamtin wurde viermal beschädigt, der Lack zerkratzt, die Reifen zerstochen. Auch das Auto ihres Vaters war betroffen, berichtet das Innenministerium. "Einmal wurde der Beamtin zudem mit dem Zerstören der Fensterscheibe ihrer Wohnung gedroht", so Philipp Wedelich, Pressesprecher des Innenministeriums. Die internen personellen Maßnahmen zum Schutz der Beamtin seien auf deren Wunsch sowie aus Fürsorgegründen veranlasst worden. Das Innenministerium widerspricht Berichten, wonach es erst durch die Medien von dem Vorfall erfahren habe. Man sei auf Grundlage eines polizeiinternen Meldewesens bereits Anfang Mai 2020 informiert worden.
Die Polizeidirektion Braunschweig berichtet auf Anfrage, dass man mit Bekanntwerden der Straftaten alle erforderlichen und möglichen Ermittlungsmaßnahmen der Strafverfolgung und Gefahrenabwehr eingeleitet habe. Teilweise dauerten diese noch an. Die seit Februar 2020 festgestellten Sachverhalte seien von der Beamtin zunächst nicht mit gezielten Angriffen auf ihre Person und ihres Berufs in Verbindung gebracht worden. "Die Anzeigeerstattung erfolgte durch sie Anfang April 2020. Erst dadurch wurden die Sachverhalte im Kontext der Clankriminalität eingeordnet", so Andrea Haase, Pressesprecherin der Polizeidirektion.
Bedrohung von Beamten kein Einzelfall
Wie das Innenministerium berichtet, ist es in Niedersachsen im zurückliegenden Zeitraum wiederholt zu strafrechtlich relevanten Verhaltensweisen von Angehörigen krimineller Clanfamilien gegenüber eingesetzten Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten sowohl im Dienst als auch in ihrer Freizeit gekommen. Hierbei habe es sich im Wesentlichen um Bedrohungs-, Nötigungs-, Beleidigungs-, Widerstands- und Körperverletzungsdelikte gehandelt. Soweit hier bekannt, wurde in allen Fällen eine Strafanzeige erstattet. Andere Fälle in denen diese Vorkommnisse zum Anlass eines Wohnungs- oder Dienststellenwechsels genommen wurden, seien dem Innenministerium nicht bekannt.
In Peine hat die Polizei die Clankriminalität seit Jahren im Blick. "Im Jahr 2017 kam es zu Auseinandersetzungen zwischen einer Gruppe von syrischen Flüchtlingen und einer Gruppe von Personen mit türkischem, kurdischem und libanesischem Migrationshintergrund, die zum Teil clankriminellen Strukturen zugeordnet wurden. Wiederholt plötzlich begangene Gewalt- und Straftaten im öffentlichen Raum führen seitdem immer wieder zu Polizeieinsätzen", berichtet Andrea Haase. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Polizeikommissariats Peine seien seit vielen Jahren mit dem Phänomen krimineller Großfamilien konfrontiert. Neben Ermittlungsmaßnahmen würden durch Präventions- und Kontrolleinsätze Personen dieser Gruppen identifiziert und im Rahmen rechtlicher Möglichkeiten verfolgt.
Intensive Kontrollmaßnahmen im Peiner Stadtgebiet
Zur Bekämpfung der Straßenkriminalität würden die eingesetzten Beamtinnen und Beamten durch ihre täglichen polizeilichen Maßnahmen eine hohe Kontrollintensität erzeugen. Auch künftig würden im Stadtgebiet Peine intensive Kontrollmaßnahmen auch mit der Unterstützung von benachbarten Dienststellen und der Bereitschaftspolizei durchgeführt, so die Pressesprecherin der Polizeidirektion.
Einsatzsituationen, bei denen Personengruppen gewaltsam, bedrohlich und aggressiv gegen Polizeibeamte agieren, seien für die Einsatzkräfte immer auch belastend. Hierzu gehören das plötzliche und lautstarke Auftreten von Personengruppen oder auch das sofortige Aufnehmen mit Handys. Das Fotografieren von Polizeibeamtinnen und -beamten im Einsatz ist eine im Phänomenbereich der Clankriminalität immer wieder festzustellende Handlung, auch in Peine ist dies zu beobachten, erklärt Haase.
Eine Statistik ist in Vorbereitung
"Kriminelle Clanstrukturen zeichnen sich unter anderem dadurch aus, dass sie bewusst oder auch generell die allgemeine Rechtsordnung ablehnen und eine dem Rechtsstaat umgehende oder unterlaufende Paralleljustiz vollziehen", ergänzt Philipp Wedelich. Aus den Polizeidirektionen werde immer wieder von hoher Gewaltbereitschaft von Clanmitgliedern, die sich insbesondere auch in Bedrohungen oder Einschüchterungen von Zeuginnen und Zeugen oder Opfern krimineller Handlungen, aber auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Polizei, zeigt, berichtet. Eine eigenständige statistische Erfassung solcher Feststellungen oder Ereignisse erfolge bislang jedoch nicht, sei aber in Vorbereitung. Einschüchterungshandlungen fänden oftmals im Bereich unterhalb der Strafbarkeit statt. Den kriminellen Strukturen werde grundsätzlich mit einer niedrigen Einschreitschwelle und unter Ausschöpfung aller rechtlich zulässigen Möglichkeiten begegnet.
Aus justizieller und polizeilicher Sicht seien die strafprozessualen Befugnisse der Ermittlungsbehörden ausreichend, um die Clankriminalität effektiv bekämpfen zu können, so das Innenministerium. Der strafrechtliche Schutz von Polizeivollzugsbeamtinnen und Polizeivollzugsbeamten sei in den letzten Jahren bereits verbessert worden. So seien zum Beispiel Anpassungen in § 238 StGB, zu deren Opfer auch Polizeivollzugsbeamtinnen und Polizeivollzugsbeamten gehören können, vorgenommen worden. Auch im Bereich von Widerstandshandlungen und tätlichen Angriffen gegen Vollstreckungsbeamtinnen und -beamte wurden 2017 Änderungen in das Strafgesetzbuch eingefügt, insbesondere wurde der Straftatbestand „Tätlicher Angriff auf Vollstreckungsbeamte“, § 114 StGB, eingeführt.
"Vorfall nicht hinnehmbar"
Peines Bürgermeister Klaus Saemann reagiert bestürzt auf die aktuellen Vorkommnisse und stellt in einer Pressemitteilung klar: „Die Einschüchterung durch kriminelle Übergriffe von Clan-Mitgliedern ist in unserer Stadt in keiner Weise hinnehmbar.“ Auch die Peiner SPD-Abgeordneten Hubertus Heil und Matthias Möhle betonen in derselben Meldung: „Hier müssen alle Mittel des Rechtsstaates eingesetzt werden, um sowohl die Sicherheit aller Peiner Bürgerinnen und Bürger als auch der Polizeibeamten zu gewährleisten.“ Um die kriminellen Strukturen von Familien-Clans zu unterbinden und letztlich auch zu durchbrechen, arbeiteten in Peine die politischen Verantwortlichen eng mit der Polizei zusammen.
Auch Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius verurteilte den Vorfall aufs Schärfste. „Wir treten dieser Form von Kriminalität, die sich gerade dadurch auszeichnet, dass sie den Rechtsstaat nicht akzeptiert und ihre Vertreterinnen und Vertreter einzuschüchtern versucht, entschlossen und konsequent mit allen rechtsstaatlichen Mitteln entgegen“, so Pistorius.
"Mit geschlossenen Augen durch die Realität"
Wenig Verständnis für diese Reaktionen zeigt die AfD in einer eigenen Pressemitteilung. Der Fraktionsvorsitzende im Kreistag Oliver Westphal schreibt: "Ein Status, der seit mehr als zehn Jahren bekannt ist, dürfte selbst jene Politiker nicht überraschen, die gerne mit geschlossenen Augen durch die Realität spazieren." Die arabischen Clans terrorisierten nicht nur Peine, wo sie sich längst als kriminelle Organisation etabliert hätten, sondern ganz Norddeutschland. Die Verantwortung für die ungehemmte Ausbreitung liege bei den Innenministern und Ministerpräsidenten. "Diese Herren stellen sich – so wie Herr Pistorius – vor die Presse und tun vollkommen überrascht, wenn Polizisten vor arabischen Clans Reißaus nehmen. Aber offenbar möchte ein Herr Pistorius seine ganze Kraft dafür verwenden, die AfD zu bekämpfen, während sein Bundesland immer mehr in den Würgegriff arabischer krimineller Großfamilien gerät", so der Peiner AfD-Politiker.
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