Bericht: Stoiber wollte von Schäuble angeblich Merkel-Putsch

Der im Dezember 2023 verstorbene CDU-Politiker Wolfgang Schäuble sollte nach dem angeblichen Willen des früheren CSU-Chefs Edmund Stoiber in der Flüchtlingskrise Angela Merkel im Kanzleramt ablösen.

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Wolfgang Schäuble am 08.11.2023 - Eines der letzten Fotos
Wolfgang Schäuble am 08.11.2023 - Eines der letzten Fotos | Foto: via dts Nachrichtenagentur

Offenburg. Der im Dezember 2023 verstorbene CDU-Politiker Wolfgang Schäuble sollte nach dem angeblichen Willen des früheren CSU-Chefs Edmund Stoiber in der Flüchtlingskrise Angela Merkel im Kanzleramt ablösen. Das steht zumindest in Schäubles Memoiren, die am 8. April posthum erscheinen und aus denen der "Stern" einzelne Passagen vorab druckt.


Damit nennt Schäuble erstmals einen Namen in Verbindung mit Umsturzplänen während der Flüchtlingskrise 2015. Stoiber sei aktiv geworden "und feuerte Seehofer, seinen Nach-Nachfolger im Ministerpräsidentenamt, in dessen Attacken gegen Merkel an", schreibt Schäuble demnach über die Spannungen innerhalb der Union. "Und mich wollte er dazu bewegen, Merkel zu stürzen, um selbst Kanzler zu werden", schreibt er laut "Stern"-Bericht über Stoiber. "Ich lehnte das entschieden ab. Wie Jahrzehnte zuvor bei Kohl blieb ich bei meiner Überzeugung, dass der Sturz der eigenen Kanzlerin unserer Partei langfristig nur schaden könnte, ohne das Problem wirklich zu lösen. Das war mein Verständnis von Loyalität, das nach heutigen Maßstäben vielleicht ein wenig antiquiert erscheint." Schäuble hatte bereits im Dezember 2022 in der ZDF-Sendung "Markus Lanz" von Überlegungen berichtet, Merkel zu stürzen, aber keine Namen genannt.

Weiter schreibt Schäuble in seinen Erinnerungen: "Die ganze Debatte amüsierte mich fast ein wenig, weil ich ja mein Alter kannte, seit mehr als einem Vierteljahrhundert querschnittsgelähmt war und insgesamt eine angeschlagene Gesundheit hatte." Schäuble war Ende 2015, auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise, 73 Jahre alt. "Vielfach hatte ich in den Jahren zuvor meine Nachrufe lesen können - und jetzt sollte ich, dessen Karriere angeblich immer "unvollendet" geblieben war, endlich den Sprung ins Kanzleramt wagen? Das war einigermaßen absurd."

"Als die Kanzlerin am 4. September 2015 die im Rückblick für diese Krise zentrale Entscheidung traf, die Grenzen angesichts der katastrophalen Zustände am Bahnhof von Budapest, wo Flüchtlinge zu tausenden gestrandet waren, weiterhin offenzuhalten, fand ich dies aus humanitären und europapolitischen Gründen richtig", schreibt Schäuble in seinen Erinnerungen. Er habe Merkel "nach Kräften unterstützt", so Schäuble. "Auch Merkels Ende August 2015 geäußerten Satz "Wir schaffen das!" fand ich richtig."

Mit zunehmender Dauer der Krise hätten Merkel und er dann aber unterschiedliche Vorstellungen entwickelt. Im Unterschied zur Kanzlerin habe er es für richtig gehalten, den Bürgern "reinen Wein einzuschenken und klarzumachen, dass der Einsatz für die Flüchtlinge eben auch mit Kosten und Opfern verbunden ist". Appelle allein nützten nichts, schreibt Schäuble. So sei er "gelegentlich frustriert" gewesen, dass Merkel "in mancherlei Hinsicht beratungsresistent blieb". Nach Schäubles Ansicht hätte Merkel ganz andere Möglichkeiten gehabt, um wirklich politisch zu führen und nicht nur zu reagieren.

Schäuble zieht eine durchwachsene Bilanz der Ära Merkel: "Als Bundeskanzlerin hat sie wesentlich dazu beigetragen, dass unser Land mit strukturellen gesellschaftlichen Veränderungen ohne allzu große Verwerfungen zurande kam." Als das "vielleicht wichtigste politische Verdienst" nennt Schäuble, "dass ihr auf Ausgleich ausgerichteter Politikstil gerade auch unter Nachbarn und Partnern für Vertrauen und Zutrauen in unser Land sorgte". Allerdings hätten später "die Nachteile ihrer ständigen Suche nach Kompromissen mit Koalitionspartnern und den anderen Parteien im Bundesrat" überwogen.

Persönlich habe er "eine grundsätzliche Sympathie für sie gehabt, sie menschlich immer gemocht". Richtig sei aber auch, "dass wir beide sehr unterschiedliche Ansichten davon haben, was es heißt, politisch zu führen". Das habe auch seine Loyalität strapaziert. "Sie hat ihren jeweiligen Koalitionspartnern zu sehr nachgegeben und der Fraktion unter Volker Kauder den Anspruch, ein Gegengewicht zu bilden, gar nicht erst zugestanden."


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