Braunschweig. In der Ratssitzung in der kommenden Woche steht die Zukunft des Bahnübergangs Grünewaldstraße auf der Tagesordnung. Nachdem eigentlich schon politisch beschlossen war, dass sich die Stadt für den Bau einer Unterführung ausspricht, gab es dagegen ein erfolgreiches Bürgerbegehren. Zu einem daraus folgenden Bürgerentscheid wird es aber eventuell nicht kommen, da es für die Ratssitzung zwei Anträge von SPD und CDU gibt, im Sinne des Bürgerbegehrens gegen eine Unterführung und für einen neuen ebenerdigen Bahnübergang zu stimmen. Doch das passt nicht jedem.
Nun meldet sich der Kreisverband Braunschweig des Verkehrsclubs Deutschland (VCD) in einem offenen Brief an die Mitglieder des Rates zu Wort. Man kritisiert, dass ein Bahnübergang nicht zum neuen Mobilitätsentwicklungsplan passe, der ebenfalls kommenden Dienstag auf der Tagesordnung steht. Zudem befürchtet der VCD, die Bahn könnte sich komplett gegen einen neuen Bahnübergang in der Grünewaldstraße entscheiden.
Das meint der VCD
Wir veröffentlichen den offenen Brief ungekürzt und unkommentiert:
Sehr geehrte Ratsmitglieder,
am 18. Februar 2025 steht eine weitreichende Entscheidung an: Sie werden über den Mobilitätsentwicklungsplan (MEP) abstimmen – ein strategisches Konzept, das die Weichen für eine nachhaltige, zukunftsorientierte Mobilität in Braunschweig stellen soll. Gleichzeitig geht es um den Bahnübergang Grünewaldstraße – ein Prüfstein für die Umsetzung der MEP-Ziele in der Praxis.
Das Vorgehen rund um die zukünftige Bahnquerung an der Grünewaldstraße ist alarmierend. Die aktuelle Entwicklung zeigt: Lautstärke dominiert über fundierte Argumente. Anstatt eine sachliche verkehrspolitische Entscheidung zu treffen, scheint sich die Mehrheit im Rat dem Druck einer einzelnen Interessengruppe zu beugen. Mit der Übernahme der Forderungen des Bürgerbegehrens wird über ein komplexes verkehrstechnisches und sicherheitsrelevantes Thema entschieden – ohne ausreichende Berücksichtigung rechtlicher Rahmenbedingungen, planerischer Zwänge oder langfristiger Auswirkungen. Kurz vor der Bundestagswahl mag dieses Votum politisch opportun erscheinen, doch es verkennt die Realität:
1. Ein beschrankter Bahnübergang wird mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht genehmigt. Die DB InfraGO und das Eisenbahnbundesamt (EBA) unterliegen strengen gesetzlichen Vorgaben (§§ 2 und 3 des Eisenbahnkreuzungsgesetzes), die Sicherheit und Verkehrsfluss an Bahnübergängen priorisieren. Eine Eisenbahnüberführung bietet in beiden Aspekten deutliche Vorteile gegenüber einem beschrankten Bahnübergang und ist daher in der Abwägung zu bevorzugen.
2. Letztlich droht die dauerhafte Schließung des Bahnübergangs. Die DB InfraGO verfolgt eine klare Strategie: gefährliche Bahnübergänge werden schrittweise abgebaut. Durch die aktuelle Ratsentscheidung gibt die Stadt Braunschweig ihre Forderung nach einer leistungsfähigen Querung auf – und riskiert, dass es an dieser Stelle künftig gar keine Querung mehr gibt. Das wäre ein schwerer Rückschlag für den Fuß- und Radverkehr.
3. Ein verkehrspolitisches Eigentor für eine nachhaltige Stadtentwicklung. Mit minimalem finanziellen und planerischen Aufwand für die Stadt Braunschweig, würde eine Eisenbahnüberführung eine sichere, leistungsfähige Verbindung für den Fuß- und Radverkehr schaffen – ein zentrales Element der Mobilitätswende. Stattdessen droht nun eine Verschlechterung der Verkehrssituation und eine Verlagerung des Fuß- und Radverkehrs auf längere, weniger attraktive Routen.
4. Das falsche Signal für die politische Kultur. Der Erfolg dieses Bürgerbegehrens zeigt: Wer am lautesten ruft, setzt sich durch. Sachliche Abwägungen, langfristige Planungen und gesetzliche Rahmenbedingungen spielen plötzlich eine untergeordnete Rolle. Das schafft einen gefährlichen Präzedenzfall: Entscheidungen werden nicht mehr anhand von Fakten, sondern aufgrund von Stimmungen getroffen.
Besonders irritierend ist, dass Sie einerseits mit dem MEP eine nachhaltige Mobilitätsstrategie verabschieden wollen, andererseits aber genau die Maßnahmen blockieren, die für deren Umsetzung entscheidend wären. Das ist nicht nur widersprüchlich, sondern gefährdet die Glaubwürdigkeit einer zukunftsfähigen Verkehrspolitik.
Wir fordern Sie auf, Ihrer Verantwortung für eine zukunftsfähige Mobilität gerecht zu werden. Eine kreuzungsfreie Querung an der Grünewaldstraße muss Bestand haben. Politische Entscheidungen müssen sich an Fakten, Planungssicherheit und realistischen Rahmenbedingungen orientieren – nicht an kurzfristigen Stimmungen.
Wir stellen mit Bedauern fest, dass Widerstand gegen Infrastrukturprojekte aus Umweltschutzgründen bei Vorhaben des Rad- oder Schienenverkehrs von der Politik regelmäßig aufgegriffen und teils übernommen wird, während derselbe Widerstand gegen Straßenbauprojekte meist nur zur Kenntnis genommen oder sogar aktiv bekämpft wird. Dabei scheint der Umfang des Eingriffs in die Umwelt keine Rolle zu spielen – sei es in Braunschweig oder auf Landesebene. Wir fordern daher eine konsequente, einheitliche Bewertung aller Eingriffe in die Natur sowie eine angemessene Würdigung der ökologischen Vorteile von Schienen- und Radverkehrsprojekten.
Mit freundlichen Grüßen Verkehrsclub Deutschland (VCD), Kreisverband Braunschweig, Frank Tristram – Vorstandssprecher des VCD Braunschweig