Festnahmen bei AfD-Parteitag waren rechstwidrig

Der Göttinger Anwalt Sven Adam hatte die Demonstranten vertreten, die im September gegen den Parteitag der AFD protestierten und von der Polizei festgenommen worden.

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Archiv-/Symbolfoto | Foto: Alexander Dontscheff

Region. Die polizeilichen Freiheitsentziehungen von Protestierenden gegen den AFD-Parteitag in Braunschweig am 12. September 2020 waren von Anfang an rechtswidrig. Dies hat das Amtsgericht Braunschweig in insgesamt vier Beschwerdeverfahren mit nun veröffentlichten Beschlüssen vom 14. Dezember 2020 festgestellt, wie der Rechtsanwalt Sven Adam mitteilte.


Die vier Demonstrierenden im Alter von 18 bis 39 Jahren aus Wanzleben, Goslar und Braunschweig hätten laut Adam am 12. September des vergangenen Jahres ab 8 Uhr gegen den Parteitag der AFD in Braunschweig protestieren wollen. In der Nähe einer Kleingartenkolonie hätten sie gegen den Willen der eingesetzten Polizeibeamten versucht, auf die Straße Am Ganderhals zu gelangen. Dort seien sie mit Reizgas besprüht, zu Boden gebracht und anschließend in polizeiliches Gewahrsam verbracht worden. Nach einer richterlichen Vorführung sei in allen Fällen ohne Einzelfallprüfung der Gewahrsam bis 18 Uhr gerichtlich angeordnet worden.



Diese gerichtlichen Anordnungen seien auf die Beschwerde der Betroffenen nun durch andere Kammern des Amtsgerichts Braunschweig aufgehoben und der Gewahrsam für insgesamt rechtswidrig erklärt worden. Hiernach sei dem Polizeibericht kein individuelles Verhalten der Betroffenen zu entnehmen, was eine Freiheitsentziehung hätte begründen können. Das Gelangen auf eine Straße sei mit Blick auf den hohen Rang der Freiheit der Person nicht ausreichend, um eine mehrstündige Freiheitsentziehung zu begründen.



„Das Amtsgericht Braunschweig hat an dem Tag selbst als Kontrollinstanz für polizeiliche Freiheitsentziehungen versagt. Meine Mandanten wurden verletzt, zu Unrecht festgesetzt und rechtswidrig mehrere Stunden in Polizeizellen gesperrt“, ärgert sich der Göttinger Rechtsanwalt Sven Adam über die richterlichen Anordnungen zur Freiheitsentziehungen. „Es ist allerdings erfreulich, dass dieser Fehler zumindest durch das Gericht selbst nachträglich korrigiert wurde.“ Gegenüber der Polizei werde nur für die vier Betroffenen jeweils Schmerzensgeld wegen der mehrstündigen rechtswidrigen Freiheitsentziehung geltend gemacht.

Transport in Rechnung gestellt


Zudem seien aus dem Komplex aktuell noch Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Braunschweig anhängig. Die Polizeidirektion hat mit Bescheiden vom 3. November gegenüber den Betroffenen sogar eine Gebühr in Höhe von insgesamt 80 Euro für die „Beförderung einer in Gewahrsam zu nehmenden Person mit einem Polizeifahrzeug“ und die „Unterbringung im Polizeigewahrsam je angefangene 24 Stunden“ erhoben. „Schon die Erhebung dieser Gebühr ist zynisch. In den Klageverfahren hat das Verwaltungsgericht der Polizei die Rücknahme der Gebührenbescheide folgerichtig nahegelegt“ so Adam abschließend.

Bündnis gegen Rechts sieht Kritik an Polizeieinsätzen bestätigt


Das Braunschweiger Bündnis gegen Rechts sieht sich durch die Beschlüsse des Amtsgerichtes in seiner Kritik bestätigt, heißt es in einer Presseerklärung. Der Polizeieinsatz sei "überzogen", so das Bündnis und weist darauf hin, dass es im Zusammenhang mit Protesten gegen Veranstaltungen von Naziparteien wie Der Rechten und der NPD oder der rechtsextremen AfD auch in Braunschweig zu unverhältnismäßigen polizeilichen Maßnahmen und Einsätzen komme.

Sebastian Wertmüller für das Bündnis dazu: „Zum Glück gibt es genügend unerschrockene Bürgerinnen und Bürger, die das nicht akzeptieren und vor Gericht ziehen.“ Die aktuellen Beschlüsse geben ihnen recht. Mit Blick auf die zunehmende Gefahr und die zunehmenden Bedrohungen von rechts nicht nur gegenüber Migrantinnen und Migranten, sondern auch gegenüber antifaschistisch Engagierten, erwarte man ein deutlich anderes Agieren der Polizei. Wertmüller: „Die Feinde der Demokratie sind nicht die Demonstrantinnen und Demonstranten gegen Nazis und andere Rechte, sondern rechtsextreme und nazistische Parteien und Verbände und deren Mitglieder.“


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