Braunschweig. Die Situation in der Landesaufnahmebehörde in Kralenriede ist schon länger Stadtgespräch. Dadurch das mehr Menschen als ursprünglich geplant in die Einrichtung kommen, suchen auch Politiker und Verwaltung nach Lösungen. In der vergangenen Woche hatte Sozialdezernentin angekündigt das Gespräch mit dem Leiter der LAB (Klaus Siems) zu suchen, um die Situation vor Ort zu verbessern. BraunschweigHeute.de hat sich zudem bei den Parteien im Rat umgehört, was könnte konkret verändert werden?
Jens-Wolfhard Schicke-Uffmann (Piraten) sagte: "Zwischen gerade erst angekommenen, und daher nur wenig integrierten Flüchtlingen und den übrigen Bewohnern von Kralenriede kommt es wenig überraschend immer wieder zu Konfliktsituationen, die meisten davon schlicht wegen kultureller Unterschiede. Die derzeitige Überfüllung der LAB führt zusätzlich dazu, dass Freizeit lieber außerhalb der Einrichtung verbracht wird, was die Konflikthäufigkeit erhöht. Die Dauer der Überfüllung alleine wird inzwischen auch zu einem Problem, da es einen Unterschied macht, ob sich die derzeite Auslastung der LAB als Ausnahmesituation darstellt oder droht, zur neuen Normalität zu werden. Im Ausschuss für Integrationsfragen klang es so, als ob das Land vorhabe, die Kapazität der Einrichtung dauerhaft um 250 Plätze zu erhöhen.
Wenn es so kommt, darf sich diese Erweiterung auf keinen Fall darauf beschränken nur ein paar Container aufzustellen, sondern muss auch mit entsprechenden Personalerweiterungen und neuen Gemeinschäftsräumen in der LAB einhergehen. Zur Entlastung beitragen kann alles, was das Konflikpotential vor Ort senkt ohne die Lage der Flüchtlinge zu verschlechtern: Eine besseren Entwicklungs- und Außenpolitik (die Leute fliehen ja aus guten Gründen hierher), weitere LAB-Standorte - grundsätzlich auch an anderer Stelle in Braunschweig, attraktive Freizeitangebote für die Flüchtlinge, aber auch das Angebot interkultureller Trainings für die Anwohner, die sich einen sichereren Umgang mit Menschen anderer Kulturkreise wünschen. Viele gute Aspekte kombinieren würden gemeinsame Aktivitäten im Ortsteil, zum Beispiel beim Sport oder auch ein interkulturelles Fest. Abschließend: Es muss eine Perspektive entwickelt werden, wie die Überlastungssituation mittelfristig vollständig gelöst werden kann - eine überfüllte LAB ist für Menschen in- und außerhalb der Einrichtung eine Belastung. Diese Art von Problemen ist grundsätzlich auch nicht flüchtlingsspezifisch; wäre ein Spielplatz oder eine Straße überlastet, würden sich Nutzer und Anwohner ebenso zu Recht beschweren. Dass Frau Hanke das Gespräch mit Herrn Siems sucht ist absolut richtig. Die Aktivitäten der Stadt und der LAB sollten so gut wie möglich miteinander abgestimmt sein, um die ohnehin knappen Resourcen nicht unnötig zu belasten."
Mehr für den Stadtteil tun
Udo Sommerfeld entgegnete: "Wie ich bereits im Ausschuss für Integrationsfragen dargestellt habe, gibt es für die Stadt Braunschweig zwei wichtige Themen. Zum einen muss sichergestellt werden, dass jeder Asylbewerber einen Braunschweig Pass erhält. Damit kann das "Mobil-Ticket" der Verkehrs GmbH von den Flüchtlingen erworben werden. Das hat zur Folge, dass sich die Mobilität der Flüchtlinge erhöht und die Zahl der Menschen in Kralenriede sinkt. Für uns ist auch wichtig, dass die Ausgabe des Braunschweig Passes von städtischen Mitarbeitern übernommen und die nicht ausreichende Zahl der LAB-Mitarbeiter entlastet wird. Weiter ist zu überlegen ob die schon erfolgte Ausweitung der Stellen im städtischen Gesundheitsamt ausreichend ist. Hier muss gegebenenfalls weiteres Personal zeitnah eingestellt werden.
Daneben ist natürlich das Land in der Pflicht für erheblich mehr Erstaufnahmestellen zu sorgen, damit die menschenunwürdige Unterbringung in Zelten und Containern und die daraus resultierenden, unerwünschten Begleiterscheinungen aufhören." Wolfgang Büchs (BIBS) wünscht sich mehr transparenz: "Die LAB arbeitet meiner Meinung nach zu sehr nach innen – da wäre mehr Kontakt mit den Kralenriedern nötig.
Des Weiteren muss die Stadtverwaltung mehr für den Stadtteil tun. Man sollte an den Einsatz von Streetworkern denken, damit vor Ort mehr Ansprechpartner sind - auch für die Flüchtlinge. Zudem könnten mehr Papierkörbe aufgestellt oder die Straße häufiger gereinigt werden. Auch ein Antirassismus-Training würde helfen. Ganz wichtig ist aber, dass der Prozess überparteilich moderiert wird." Des weiteren setzt sich die BIBS für eine Ausweitung des Öffentlichen Nahverkehrs ein und Büchs gibt zu bedenken: "Die Stadt wiederum muss infolge der LAB keine Flüchtlinge dauerhaft aufnehmen. Hierdurch spart sie pro Jahr Finanzmittel im deutlich 6-stelligen Bereich. Zumindest ein Teil dieser Summe sollte für Infrastrukturmaßnahmen sowie die Betreuung der Flüchtlinge und der an- deren Bewohner in den Stadtteil Kralenriede zurückfließen."
Viele engagieren sich bereits
“Wir sehen die Situation in Kralenriede dank vieler Gespräche und Versammlungen in den letzten Monaten auf einem guten Weg. Der Austausch von Erfahrungen und die Aufklärung durch Informationen wirken. Sehr ermutigend ist, dass sich der überwältigende Teil der Bevölkerung Kralenriedes von Rechtspopulisten und Rechtsextremisten vehement distanziert. Darüber hinaus haben sich viele Menschen dort mit Aktionen zur Integration von Flüchtlingen toll engagiert. Wir drängen darauf, dass die Stadt solche Aktionen weiterhin unterstützt. Wir erwarten dadurch eine stetig bessere Verständigung unter Anerkennung kultureller Unterschiede und unter Berücksichtigung der oft traumatisierenden Zustände in den Herkunftsländern der Asylsuchenden. Die rot-grüne Landesregierung hat aufgrund der Entwicklung der Asylbewerber/innen-Zahlen schon Maßnahmen wie die zur Schaffung neuer LAB-Standorte ergriffen.
Über unsere Landtagsfraktion haben wir bereits den Wunsch signalisiert, dass die Landesregierung ihre Öffentlichkeitsarbeit vor Ort verstärken sollte und zum Beispiel ein Infoblatt über die Zuständigkeiten von Bund und Land sowie die Zusammenhänge der aktuell steigenden Flüchtlingszahlen erstellt und im Umfeld der Aufnahmebehörde verteilt. Über unseren Vertreter im Aufsichtsrat der Verkehrs-GmbH (Holger Herlitschke) unterstützen wir auch, dass insbesondere in den Abend- und Nachtstunden die entsprechenden Buslinien bis zur LAB durchfahren. Dies dient wunschgemäß sowohl den Interessen der Bürger/innen um den Steinriedendamm als auch den Interessen der LAB-Bewohner/innen. Ungeachtet dieser positiven Aspekte bleibt es unsere gemeinsame Aufgabe, den Versuchen rechtsextremer Gruppierungen, die Situation für ihre konfusen Interessen zu nutzen, entschieden entgegenzutreten und für die Werte unserer Gesellschaft wie Demokratie, Toleranz und selbstverständlich das Asylrecht zu kämpfen.”, so Dr. Helmut Blöcker ( Grüne, Stellv. Vorsitzender des Ausschusses für Integrationsfragen).
"Menschen wollen ernst genommen werden"
Zur derzeitigen Situation im Umfeld der Landesaufnahmebehörde Niedersachsen (LAB) in Kralenriede erklärt Reinhard Manlik, stellvertretender Vorsitzender der CDU-Fraktion und örtlicher Ratsherr: "In den vergangenen Wochen und Monaten war ich bei zahlreichen Veranstaltungen in Kralenriede anwesend und kenne daher vor allem auch die Sorgen der direkt betroffenen Anwohner. Aber auch die Bedingungen in der Aufnahmebörde sind mir bekannt und deshalb begrüße ich die Ankündigungen unserer neuen Sozialdezernentin Frau Dr. Hanke sehr.
Es ist ansonsten nämlich zu befürchten, dass sich hier etwas weiter zuspitzt, was nicht in unserem Interesse ist. Das Land Niedersachsen ist in der Pflicht, wenn es darum geht, die Rahmenbedingungen zu verbessern und dazu gehört in meinen Augen die Einrichtung weiterer Erstaufnahmeeinrichtungen, so dass die Anzahl an Flüchtlingen in Kralenriede wieder auf ein Normalmaß heruntergefahren werden kann. Die rot-grüne Landesregierung, seit nunmehr über zwei Jahren im Amt, muss endlich mehr unternehmen. Es bringt nichts, mit den Anwohnern über Pro und Contra des Asylverfahrens diskutieren zu wollen, denn die Menschen vor Ort wollen nicht belehrt werden sondern Lösungen für ihre alltäglichen Sorgen. Und vor allem wollen sie nicht pauschal mit Bragida und Co. in Verbindung gebracht werden. Ich kenne zahlreiche Menschen aus Kralenriede persönlich und mit einer Stigmatisierung tut man ihnen mehr als unrecht. Die Stadt Braunschweig kann aber ebenfalls helfen. So sollte in meinen Augen neben Maßnahmen der Verkehrs-GmbH darüber nachgedacht werden, wie der ständig beklagten Vermüllung im Bereich des Steinriedendammes entgegen gewirkt werden kann. Das von Frau Dr. Hanke vorgeschlagene Gespräch mit dem Leiter der LAB kann hier einen guten Auftakt bilden. Die Menschen aus Kralenriede wollen nicht allein gelassen sondern ernst genommen werden. Das fordere ich ein, dafür wird die CDU-Ratsfraktion sich einsetzen.“
Auf Anfrage von BraunschweigHeute.de nimmt Kate Grigat, migrationspolitische Sprecherin der SPD-Ratsfraktion, dazu Stellung: "Tatsächlich ist die Flüchtlingssituation in der LAB in Kralenriede weiterhin angespannt. Wie Sozialdezernentin Dr. Hanke im Ausschuss berichtet hat, wird es bei steigenden Flüchtlingszahlen trotz vieler Bemühungen des Landes, neue Erstaufnahmeeinrichtungen zu etablieren, noch eine Weile dauern, bis die Flüchtlingszahlen in Kralenriede wieder sinken. Handeln ist angesagt", stellt Grigat fest. "Wir freuen uns deshalb sehr, dass Frau Dr. Hanke einen Gesprächstermin mit Klaus Siems, dem Leiter der LAB in Braunschweig, verabredet hat. Es ist wichtig, dass Frau Dr. Hanke sich vor Ort ein Bild macht und sich persönlich über die Wohnsituation für Flüchtlinge in Kralenriede informiert. Auch der Kontakt mit den Menschen vor Ort, die die angespannte Situation in Kralenriede verbessern möchten, ist wichtig. Dazu gehören zum Beispiel Bezirksbürgermeisterin Gudrun Ohst, die Bezirksratsmitglieder, die Initiative ‚Aktiv für Respekt und Toleranz‘ (ART), die Kirche, die Polizei und Anwohner. Im Dialog mit uns haben Anwohner Reibungspunkte angesprochen. Einige Verbesserungen haben schon stattgefunden. Gelenkbusse werden eingesetzt. Fahrausweise für die Flüchtlinge werden ausgegeben. Begegnungen für Einwohner und Flüchtlinge werden organisiert. Die Polizei zeigt mehr Präsenz auf der Straße. Wird das bereits von den Anwohnern wahrgenommen? Hat sich das Sicherheitsgefühl verändert? – Was bis jetzt fehlt," stellt Grigat abschließend fest, "ist ein etablierter Ansprechpartner oder eine Anlaufstelle zur Begegnung und Beratung vor Ort für Anwohner und Flüchtlinge. Das neue Projekt ‚Demokratie Leben!‘ könnte eine Möglichkeit bieten, weiter zu kommen. Die SPD wird diesen Prozess weiter begleiten."
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