Hannover/Braunschweig. Die neue niedersächsische Landesregierung hat kürzlich bekannt gegeben, dass sie die Kommunalparlamente effektiver machen wolle. Unter anderem soll die Mindestgröße von Fraktionen von zwei auf drei Mitglieder heraufgesetzt werden. Für die kleineren Parteien könnte das zum Problem werden.
regionalHeute.de fragte bei den Fraktionen an, die derzeit im Stadtrat nur zwei Mitglieder haben und somit ihren Fraktionsstatus verlieren würden, was die Entscheidung aus Hannover für kleinere Parteien bedeuten würde. Außerdem wollten wir wissen, was ihrer Meinung nach die eigentlichen Beweggründe der Landesregierung für die Gesetzesänderung sein könnten?
Maximilian P. Hahn, Die Fraktion P² (Die Partei):
"Tatsächlich käme die Erhöhung auf eine Fraktionsmindestgröße mit drei Abgeordneten einer niedersächsischen Wahlhürde gleich. Das derzeit gültige Verfassungsgesetz jetzt mit GroKo-Mehrheit im Landtag ändern zu wollen, zeigt unverhohlen, wie wenig Rücksicht sie auf den Wählerwillen nehmen wollen und wieviel "Bedenken" die Koalitionsparteien vor einer Vielfalt im politischen Diskurs haben. Oder sind sie es einfach leid, dass sie oftmals mit kleineren Parteien um gemeinsame Lösungen ringen müssen? Hochmut, Arroganz, Machtdemonstration - was auch immer: Vom Bürger gewählte und engagierte Mandatsträger in ihrer ehrenamtlichen Tätgikeit zu behindern - indem sie in ihren Rechten beschnitten werden - ist Unterdrückung von demokratischer Vielfalt und Wählerwille."
Christian Bley, DieFraktionP² (Piraten):
"Ohne den Fraktionsstatus werden den ehrenamtlich tätigen Mandatsträgern eine Vielzahl an Arbeits- und politische Gestaltungsmöglichkeiten genommen beziehungsweise massiv eingeschränkt. Denn sie verlieren neben den Mitarbeitern in den Fraktionsgeschäftsstellen, die inhaltlich zuarbeitend und unterstützend tätig sind, auch noch die Möglichkeit auf Akteneinsichten.
Vielleicht sollten auch die anderen im Landtag vertretenen Parteien einmal darüber nachdenken, ob diese systematische Schwächung nicht auch ihre eigenen Mandatsträger und die Stimmen ihrer Wählerschaft aushebelt. Denn wenn man die Wahlergebnisse 2016 als Grundlage zur Neuregelung nähme, träfe es nicht nur die sogenannten kleinen Parteien: In der Gemeinde Visbeck (LK Vechta) wäre die SPD fraktionslos und es gäbe dort nur noch eine (!) Ratsfraktion. In vielen anderen Städten wie Einbeck, Bremervörde oder Wittingen gäbe es keine Grünenfraktion mehr und in Seelze würde die Hälfte aller derzeit vertretenden Fraktionen wegfallen. Wir zumindest haben keine Angst vor vielfältigen Meinungen oder kontroversen Diskussionen im Rat, um zu gemeinsamen Lösungen zu kommen. Das geht aber nur mit der Unterstützung der Fraktionsgeschäftsstellen, damit wir dieser Aufgabe im Sinne der Wähler nachkommen können. Wer sich dem entgegenstellt, hat Demokratie nicht verstanden!"
Carsten Lehmann, FDP-Fraktion:
„Die geplante Änderung würde zu einer deutlichen Benachteiligung der Parteien mit wenig Ratsmitgliedern führen. Alleine hier in der Region würde die FDP in vier Stadträten und zwei Kreistagen den Fraktionsstatus verlieren. Was das für die Verteilung von Ausschussmandaten bedeutet, ist bisher noch unklar: Möglich ist eine Reduzierung von Mandaten und Stimmrechten. Selbst bei gleich bleibender Mandatszahl würde die Änderung aber dazu führen, dass die inhaltliche Arbeit geschwächt würde.
In Braunschweig etwa bekommen Fraktionen ab zwei Mitgliedern Mittel für Fraktionsmitarbeiter gestellt. Wenn das wegfiele, würde sich die Arbeitslast der Mandatsträger stark erhöhen. Es ist schon jetzt kaum möglich, alle Sitzungstermine regelmäßig wahrzunehmen bzw. sich darauf sachgerecht vorzubereiten.
Beispiel FDP-Fraktion: Jeder Ratsherr ist in fünf beziehungsweise sechs Ausschüssen vertreten; zuzüglich Verwaltungsausschuss und Ratssitzung. Das bedeutet einen Zeitaufwand von mehr als 150 Stunden im Jahr allein für die Teilnahme an den Sitzungen. Dazu kommt die Vorbereitung der oft sehr umfangreichen Sitzungsunterlagen. Dafür sowie für Recherchen, Erarbeitung von Anfragen und andere Aufgaben ist die Zuarbeit durch Fraktionsmitarbeiter eine große Entlastung, die die Qualität der Arbeit steigert.
In jedem Fall würde die neue Regelung das Ehrenamt schwächen. Wenn zwei Ratsmitglieder weniger Grundmandate und Stimmrechte erhielten als bisher, sinkt die Motivation, sich auf ein solches Amt einzulassen, in dem man meistens nur daneben sitzen darf, ohne mit zu gestalten. Bei gleich bleibender Ausschussverteilung an die jeweiligen Parteien müssten die wenigen Ratsmitglieder ohne Fraktionsmitarbeiter einen viel größeren Zeitaufwand in Kauf nehmen – oder ihre Arbeit schlechter machen.
In letzter Konsequenz schadet eine Neuregelung daher nicht nur vereinzelten Ratsmitgliedern, sondern der Demokratie in den Kommunen.“
mehr News aus Braunschweig