Braunschweig. Das "Sehpferdchen - Filmfest für die Generationen" will seine jungen Zuschauer nicht nur unterhalten, sondern in Workshops und Filmgesprächen auch an das Filmhandwerk heranführen und Medienkompetenz vermitteln. Die Eröffnungsfeier im Roten Saal begeisterte Kinder und Erwachsene gleichermaßen.
Dass der deutsche Fußball seinen Ursprung in Braunschweig hat, dürfte auch manch hartgesottenen Eintracht-Fan überraschen. In ihrem Kurzfilm "kicks & dreams" stellten die Schüler der Klasse 5b des Martino-Katharineum nach, wie der Lehrer Konrad Koch im Jahr 1874 an ihrer Schule das erste Fußballspiel Deutschlands organisierte. Damit hoffte er, gegen das "Stubenhockertum" des Nachwuchses angehen und die Kneipentouren der Oberschüler eindämmen zu können. Ob er damit langfristig Erfolg hatte, ist fraglich. Sicher ist jedoch, dass 140 Jahre später eine fünfte Klasse seiner Schule mit ihrem lustigen und professionell gemachten Kurzfilm für viel Gelächter sorgte und tosenden Applaus erhielt.
So beginnt am Samstagnachmittag im ausverkauften Roten Saal das Sehpferdchen-Filmfest, dass nun bereits zum vierten Mal in Braunschweig stattfindet. Unter mehr als 100 nationalen und internationalen Produktionen hat das Kulturinstitut der Stadt in Zusammenarbeit mit dem medienpädagogischen Zentrum Hannover 16 erstklassige Kinder- und Jugendfilme ausgewählt, die bis zum 9. März im Roten Saal des Schlosses und im C1-Cinema zu sehen sein werden. In anschließenden Filmgesprächen haben die Zuschauer zudem die Möglichkeit, Hintergrundinformationen zu erhalten und ihre Eindrücke auszutauschen. Ein besonderes Highlight sind die Workshops im Blauen Saal: Medienpädagogen und professionelle Filmschaffende geben nicht nur Einblick in ihr Handwerk, sondern laden die jungen Gäste auch zu ersten eigenen Gehversuchen mit Kamera, Moderation und Requisite ein.
Als Eröffnungsfilm gab es die äthiopische Produktion "Horizon Beautiful" zu sehen. Filmstudenten aus Addis Abeba erzählen darin die Geschichte des Straßenjungen Admassu, dessen Traum es ist, Fußballstar zu werden. Als ein skrupelloser Schweizer Sportmanager in die Stadt kommt, wittert Admassu seine große Chance. Doch nichts verläuft wie geplant und die beiden werden nach einem Entführungsversuch durch eine Straßengang in die afrikanische Wildnis verschlagen.
"Horizon Beautiful" beginnt als charmante Komödie und entwickelt sich zu einem intelligenten, melancholischen Drama, das zum Nachdenken anregt. Über Träume, Freundschaft und die Wiederentdeckung bedingungsloser Herzlichkeit in einer immer erfolgsorientierter werdenden Welt, die zwischenmenschliche Beziehungen nach egoistischen Kosten-Nutzen-Rechnungen beurteilt. Herausragend und herzerweichend die schauspielerische Leistung des jungen Äthiopiers Henok Tadele, der - selbst ein Straßenkind - zufällig in Addis Abeba für den Film entdeckt wurde. Traumhafte Geschichte hinter der Geschichte.
Beeindruckt zeigten sich auch die jungen Zuschauer im Roten Saal. "Ich fand den Film schön, obwohl er auch traurig war", sagt Thore (9). Die dreizehnjährige Liza und ihre schwedische Freundin Nina sind nicht nur von der Internationalität der Festivalbeiträge begeistert sondern auch von ihrer Tiefgründigkeit: "So ganz anders als die typischen Kinderfilme!".
Das dürfte das Sehpferdchen-Team um Kurator Klaus Kooker, Vorsitzender der Landesarbeitsgemeinschaft Jugend & Film Niedersachsen e.V., gerne hören. In Deutschland hätten es anspruchsvolle Kinder- und Jugendfilme schwer: "Bei uns herrscht immer noch eine strikte Trennung zwischen Kinder- und Erwachsenenfilmen", bedauert er. Damit tue man dem Medium Unrecht. Mit dem Sehpferdchen habe man sich zum Ziel gesetzt, Kinder und Jugendliche für anspruchsvolleres Autorenkino zu begeistern und den preisgekrönten Werken aus aller Welt auch in Deutschland eine Plattform zu bieten. Der bis in die hintersten Ränge gefüllte Rote Saal gibt ihm Recht.
Das "Sehpferdchen - Filmfest für die Generationen" läuft noch bis zum Sonntag, den 9. März. Weitere Informationen sowie das vollständige Programm finden sich hier.
- Stephen Dietl, www.kulturblog38.net
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