Braunschweig. Die Sozialverwaltung hat den Gremien zur Ratssitzung am 15. März das „Konzept zur Integration von Flüchtlingen in Braunschweig“ (regionalHeute.de berichtete) vorgelegt. Im Finanz und Personalausschuss am Donnerstag wurde es den Ratsfraktionen vorgestellt. Diese entschieden sich dafür, das Papier passieren zu lassen und die Maßnahmen in den eigenen Fraktionen weiter zu diskutieren.
Barbara Schulze, Ratsfraktion Grüne, Fraktionsgeschäftsführerin gab an: "Die Beschlussvorlage „Konzept zur Integration von Flüchtlingen in Braunschweig“ ist erst am vergangenen Freitag (19.02.2016) im Ratsinformationssystem freigeschaltet worden. Bei unserer letzten Fraktionssitzung am Montag (22.02.2016) konnten wir das Integrationskonzept der Stadtverwaltung daher lediglich ansprechen, aber nicht ausdiskutieren. Wir werden es also am nächsten Montag noch einmal intensiver besprechen, um die Verwaltungsvorlage im Detail bewerten zu können. Eine Stellungnahme zum Integrationskonzept werden wir erst am kommenden Dienstag abgeben. Bei diesem wichtigen Thema möchten wir ungern an der Oberfläche bleiben. Daher haben wir alle Ratsfraktionen zu Wochenbeginn darüber unterrichtet, dass wir hier noch Beratungsbedarf haben."
"Es ist ein weites Feld, das wir hier abstecken"
Sozialdezernentin Dr. Andrea Hanke hatte zuvor in einer Mittelung erklärt, dass viele Fragen in Bezug auf die Flüchtlingssituation offen wären: Etwa wie viele Flüchtlinge zu erwarten sind und wie lange sie bleiben. Daher sei das Integrationskonzept auch zunächst der Rahmen der Handlungsfelder und erste Maßnahmen beschreibe und der stetig fortgeschrieben werden müsse. "Wir sind daher auch für Hinweise offen.
Ich freue mich auf die Diskussion", so Hanke. "Es ist ein weites Feld, das wir hier abstecken", sagte die Dezernentin. "Es ist letztlich die ganze Stadtgesellschaft mit all ihren professionellen und ehrenamtlichen Kräften gefordert." Doch Braunschweig könne bereits auf ein Netz von vielen Initiativen, Projekten und ehrenamtlichem Engagement zurückgreifen. "Die Dimension ist jetzt jedoch eine andere", so die Dezernentin.
Neue Abteilung soll entstehen
Aufgrund der Vielfalt an Aufgaben, die in den kommenden Monaten und Jahren auf die Stadtverwaltung bezüglich des Flüchtlingsthemas zukommen, plant diese die Schaffung einer Abteilung, die im Fachbereich Soziales und Gesundheit angesiedelt werden soll. „Dann liegt alles in einer Hand, Schnittstellen und Doppelstrukturen werden vermieden“, erläuterte Hanke. Die neue Abteilung solle für alle Fragen in Zusammenhang mit den Themen Flüchtlinge, Integration und Migration zuständig sein. Auch die Förderung des Zusammenlebens in einer von Vielfalt geprägten und diskriminierungsfreien Stadt wird in Zukunft in dieser Abteilung angesiedelt. Zu den organisatorischen Änderungen gehört deshalb auch, dass das Büro für Migrationsfragen künftig mit den genannten Schwerpunkten der neuen Abteilung zugeordnet werden soll. Für die neue Abteilung ist die Schaffung mehrerer Leitungsstellen nötig. Für die Ausschreibung und Besetzung dieser Positionen im Vorgriff auf den Stellenplan bittet die Verwaltung den Rat um Zustimmung. Karl Griezwa, Ratsmitlied, CDU, regte an, über diese Umstrukturierung auch konkret mit den Ratsmitgliedern zu sprechen. Ordnungsdezernent Claus Ruppert versprach diese Anregungen mitzunehmen. Auf die kritische Nachfrage, ob man für die geplanten Maßnahmen überhaupt genügend Personal habe entgegnete er, dass es natürlich eine zentrale Herausforderung sei Fachleute zu finden. "Bisher haben wir noch genügend geeignete Bewerber für die Stellen. Wir betrachten das ganze schon mit einiger Sorge, denn die Ressourcen sind natürlich endlich".
Was sagen die weiteren Fraktionen?
In einer ersten Einschätzung zum Konzept sagte Ratsherr Jens-Wolfhard Schicke-Uffmann, Piraten: "Das Integrationskonzept der Verwaltung ist grundsätzlich in Ordnung. Jedoch halten wir eine Nachbesserung bei einzelnen Punkten für notwendig. Darin wird vorgeschlagen, dass ein Sozialarbeiter vor Ort für 100 Flüchtlinge zuständig ist. Diesen Betreuungsschlüssel halten wir für zu niedrig. Es steht zu befürchten, dass das dem tatsächlichen Bedarf nicht gerecht wird. Ausserdem wurde nicht explizit vorgesehen, dass in das Gremium des „Flüchtlings-Fonds“ auch Flüchtlinge entsendet werden. Dies halten wir aber für unabdingbar, denn keiner kennt die Bedarfe besser als die Betroffenen selbst. Integration gelingt nur, wenn auch hier ein guter Austausch stattfindet."
Udo Sommerfeldt, Ratsfraktion Linke, ergänzte: "Für eine abschließende Bewertung des vorgelegten Integrationskonzeptes ist es noch zu früh, weil die Auswirkungen von einzelnen Vorschlägen derzeit unklar sind. So muss geklärt werden, ob die Herauslösung des Büros für Migrationsfragen aus dem Sozialreferat wirklich zielführend ist. Die Nachfragen vom „Haus der Kulturen“, ob damit nicht eine Schwächung der Integrationsarbeit einhergeht, halten wir für sehr berechtigt. Auffällig ist, dass es nur wenige konkrete Umsetzungsvorschläge gibt.
Vieles bleibt nebulös. Auch die 50.000 Euro, die zusätzlich zur Verfügung gestellt werden sollen, sind sicherlich nicht ausreichend, um die Integration von 1.000 Flüchtlingen zu ermöglichen. Unsere Fraktion wird in den jetzt startenden Ausschusssitzungen das Konzept intensiv hinterfragen. Von den Erklärungen der Verwaltung werden wir dann unsere Entscheidung im Rat abhängig machen."
Zwar habe sich die BIBS-Fraktion noch nicht abschließend mit dem umfangreichen Integrationskonzept auseinander gesetzt,aber einige Dinge sind der Fraktion schon aufgefallen, insgesamt bewerte man das Konzept positiv, vor allem im Hinblick auf die vorgesehene Begleitung durch Sozialarbeit und die Einrichtung verschiedener Koordinations- und Anlaufstellen wie zum Beispiel die Einrichtung einer Stelle zur Koordinierung der Bildungsangebote für Neuzugewanderte oder die Ansprechstelle zur Koordination von Ehrenamtlichen. Dazu wird wohlwollend zur Kenntnis genommen, dass in Kralenriede einiges passieren soll. Kritik gibt es an dem Vorschlag, dass das Büro für Migrationsfragen in einer neuen Abteilung zur Unterbringung und Betreuung von Flüchtlingen aufgehen soll. "Die Aufgaben des Büros für Migrationsfragen gehen mit der Betreuung von 61000 hier zum Teil schon länger lebender MigrantInnen weit über den Teilbereich "Flüchtlingsfragen" hinaus. Hier sehen wir die Gefahr, dass diese notwendige Betreuung im Rahmen der neuen Zuordnung wegen des dann anderen Schwerpunktes (Flüchtlinge) leidet und an Qualität verliert", so Dr. Dr. Wolfgang Büchs-Daneben wird auch der Fördertopf für die ehrenamtliche Arbeit, mit rund 50000 Euro als zu gering bewertet. Sehr kritisch wird gesehen, dass die Vermittlung von Sprachkenntnissen "zunehmend" durch ehrenamtliche Angebote ergänzt werden soll.
Klaus Wendroth, Vorsitzender der CDU-Fraktion,sagte: "Die Mitglieder der CDU-Fraktion im Rat der Stadt Braunschweig begrüßen die Vorlage eines Integrationskonzeptes ausdrücklich."
Kritik gibt es aber an der Landesregierung, die der Stadt zu wenig Vorlaufzeit gegeben habe. "Wir dürfen die Fehler der 1990er-Jahre nicht wiederholen, denn als damals die Flüchtlinge aus dem ehemaligen Jugoslawien und später die Spätaussiedler aus Russland zu uns kamen, gab es nicht einmal ansatzweise ein solches Konzept. Mit den Problemen – wie beispielsweise einer vielfach beklagten Ghettoisierung in Teilen unserer Stadt – haben wir noch heute zu kämpfen. Von einigen Seiten habe ich bereits Kritik an einer im Konzept eingebetteten Organisationsänderung innerhalb der Verwaltung gehört. Es ist nämlich vorgesehen, das Büro für Migrationsfragen als Teil einer neuen Abteilung im Fachbereich Soziales einzugliedern. Ich kann nur an alle appellieren, nicht den Fehler zu machen, das Integrationskonzept auf diese Änderung der vorhandenen Strukturen zu reduzieren. Vielmehr sehe ich im Konzept als Ganzes eine Stärkung der Integrationsbemühungen in unserer Stadt und damit auch eine Stärkung unseres Ausschusses für Integrationsfragen." Man werde sich am Montag noch einmal umfassend mit dem Konzept befassen.
„Die SPD-Fraktion begrüßt, dass ein derart umfangreiches Konzept für die wichtige Integration von Flüchtlingen in Braunschweig ausgearbeitet wurde“, erklärt die Sozialausschussvorsitzende Ratsfrau Annette Schütze. „Wir teilen die im Leitbild formulierte Sichtweise, dass Integration ein wechselseitiger Prozess ist, der Anstrengungen von beiden Seiten bedarf, von den Flüchtlingen und von der einheimischen Bevölkerung.“ Die SPD-Fraktion versteht das Integrationskonzept als einen ersten Baustein zum Aufbau einer Struktur, die die Integration von Flüchtlingen zum Ziel hat. In einem fortwährenden Prozess müssen die nächsten notwendigen Bausteine definiert, bewertet und umgesetzt werden. Dieser Prozess sollte durch die Fachausschüsse eng begleitet werden. Die migrationspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Ratsfrau Kate Grigat, ergänzt: „Integration ist eine Querschnittsaufgabe, die fast alle Fachbereiche betrifft. Das neue Konzept zur Integration von Flüchtlingen in Braunschweig, unterstreicht dieses.“ Wir fangen in Braunschweig nicht bei null an, denn insbesondere das ehrenamtliche Engagement mit seinen runden Tischen, Initiativen und Netzwerken hat bereits jetzt einen hohen Stellenwert. Hier finden wertvolle Begegnungen und Dialoge statt, hier entstehen das Miteinander und der soziale Frieden.
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Auch die Ratsfraktion der Grünen hat nun eine Stellungnahme veröffentlicht:
„Unsere Ratsfraktion hat sich am gestrigen Montag (29.02.2016) - wie angekündigt - näher mit dem Integrationskonzept der Stadtverwaltung befasst. Dabei sind wir zu dem Ergebnis gekommen, dass wir die Verwaltungsvorlage grundsätzlich positiv bewerten. Sie stellt eine sinnvolle und notwendige Ergänzung zum dezentralen Standortkonzept für die Unterbringung von Flüchtlingen dar. Das Konzept beinhaltet eine große Themenvielfalt (Spracherwerb, Bildung, Kinder- und Jugendarbeit, Ausbildung und Arbeitsmarkt, Gesundheitswesen, Wohnungsmarkt etc. pp.). Allerdings ist es nicht „in Stein gemeißelt“, sondern eher eine vorläufige Arbeitsgrundlage. Die Verwaltung bezeichnet das Konzept selber als groben Rahmen, der Handlungsfelder und erste Maßnahmen beschreibt (Stichwort „work in progress“). Aus unserer Sicht bedarf dieser grobe Rahmen tatsächlich der Präzisierung, Fortschreibung und Weiterentwicklung, insbesondere an folgenden Punkten: Integration muss u. E. noch stärker als Querschnittsaufgabe begriffen werden, die alle Lebensbereiche und die gesamte Gesellschaft – und damit auch alle Fachbereiche der Stadtverwaltung (Kultur, Sport usw.) - betrifft. Trotz der aktuellen Herausforderung durch die derzeitige Flüchtlingskrise dürfen wir andere Formen der Migration nach Deutschland bzw. Braunschweig, andere Bedarfe der Integration und die hier schon länger lebenden Menschen mit Migrationshintergrund nicht aus den Augen verlieren. Das Integrationskonzept ist bislang zu einseitig auf die Stadtverwaltung fokussiert, während die Zivilgesellschaft (Vereine, Verbände etc.) noch zu kurz kommt. Wir wollen möglichst viele Bürger/innen und Akteure auf Augenhöhe einbeziehen und beteiligen, z. B. in Form von Runden Tischen. Für eine wirksame Integrationsarbeit müssen zusätzliche und ausreichende Ressourcen zur Verfügung gestellt werden – z. B. für die Arbeit mit Ehrenamtlichen. Wie die AGW (Arbeitsgemeinschaft Braunschweiger Wohlfahrtsverbände) vorschlägt, könnte deren Koordinierung sehr wohl von freien Trägern übernommen werden, die in diesem Bereich viel Erfahrung und Kompetenz besitzen. Den vorgesehenen Betreuungsschlüssel von 1 zu 100 - eine Sozialarbeiterin bzw. ein Sozialarbeiter für 100 Flüchtlinge - halten wir für nicht ausreichend, egal ob diese Fachkräfte nun bei der Stadt oder bei freien Trägern beschäftigt sein werden. Unklar ist auch noch, wie die Gemeinwesenarbeit in den einzelnen Stadtteilen genau aussehen soll. Da wir die Arbeit im Quartier für einen entscheidenden Faktor halten, um die Menschen vor Ort mitzunehmen, sehen wir hier noch einigen Nachbesserungsbedarf", so Dr. Helmut Blöcker, Stellv. Vorsitzender des Ausschusses für Integrationsfragen.
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