Kein Cell Broadcast zum Unwetter: Das sagt der Wetterdienst

Zum Warntag wurde er gefeiert, beim Unwetter in der vergangenen Woche blieb er stumm: der Cell Broadcast. Doch was sagen die Verantwortlichen dazu? regionalHeute.de fragte nach.

von


Hätte die Bevölkerung durch Cell Broadcast gewarnt werden müssen?
Hätte die Bevölkerung durch Cell Broadcast gewarnt werden müssen? | Foto: Alexander Panknin; Pixabay

Braunschweig. Das Unwetter am vergangenen Donnerstag sorgte für reichlich Chaos in unserer Region. Besonders hart getroffen hat es die Stadt Braunschweig. Hier sorgte Starkregen für überflutete Straßenzüge, lahmgelegten Verkehr und unzählige Feuerwehreinsätze. Obgleich es vom Deutschen Wetterdienst (DWD) bereits eine frühe Warnung gegeben hatte und auch Warn-Apps bespielt wurden - das neue Cell Broadcast, welches noch zum Warntag als neue Errungenschaft gefeiert wurde, schwieg. regionalHeute.de hinterfragte dies beim DWD.



Am Freitag nach dem Unwetter, waren die Einsatzkräfte noch vielerorts dabei, den Menschen mit ihren vollgelaufenen Kellern zu helfen und andere Schäden zu beseitigen. Auf einem Pressetermin gaben Stadt und Feuerwehr einen Lagebericht ab. Darin wurde auch das Ausbleiben einer Warnung über den Cell Broadcast-Dienst thematisiert. Hätte man darüber nicht noch mehr Menschen warnen können?

Trotz frühzeitiger Wettermeldung befanden sich noch unzählige Menschen auf den Straßen und der Verkehr kam mitten im Betrieb zum Erliegen, als sich die Wetterfront über Braunschweig entlud. Autos standen bis zur Hälfte im Wasser, die Gullys konnten die Wassermengen nicht aufnehmen und Passanten wateten durch das teilweise kniehohe Nass. Die Feuerwehr wies darauf hin, dass sie nur zu Lagen informieren könne, die sie selbst zu beeinflussen vermag. Bei einem Unwetter sei dies schwierig. Dafür gäbe es andere verantwortliche Stellen. "Der Deutsche Wetterdienst hätte örtlich warnen können und vielleicht auch sollen", hieß es seitens der Feuerwehr.

Doch wie steht der DWD zu der Kritik? regionalHeute.de fragte nach.

So war die Lage in Braunschweig


Am Donnerstag zog ein sogenanntes "okkludierendes Tief" von Ostfrankreich über Mitteldeutschland nach Polen. In der einfließenden sehr warmen und hochreichend feuchten Luft schwenkten die zugehörigen Fronten über Mitteldeutschland von Süd nach Nord und konvergierten mit sechs- bis zwölfstündigem gewittrigen Starkregen bis 70 Liter pro Quadratmeter zwischen Südwestniedersachsen, Bremen, Hamburg und Westmecklenburg. Diese Gebiete seien zur Mittagszeit vom DWD bewarnt worden. Die Warnungen liefen von 18 beziehungsweise 21 Uhr bis in die Frühstunden des 23. Juni, so erklärt der Deutsche Wetterdienst.



Präfrontal seien zwei extreme Gewitterzellen von Nordrhein-Westfalen nach Südostniedersachsen gezogen, eine Zelle mit Tornadogefahr von Kassel über Göttingen zum Westharz, die zweite Zelle vom Weserbergland Richtung Salzgitter/Braunschweig. Beide Zellen wurden mit Vorlauf stromab meist für 1,5 Stunden bewarnt (Böen bis 140km/h, um 5 Zentimeter Hagel, um 50 l/qm in kurzer Zeit). Es gab vielerlei Schadensinfos und Feedback aus Kassel, Göttingen und dem Harz, die die Warnungen bestätigten. Nachfolgende Gewitterzellen hätten dann einen Süd-Nord-Kurs eingeschlagen und eine etwas schwächere Intensität gehabt. "Im Vorwege waren seit dem Vormittag ununterbrochen Telefonate mit Feuerwehren, Einsatzzentralen etc. zu führen, darunter auch mit Braunschweig und Salzgitter", so der DWD.

Warum wurde nicht über Cell Broadcast gewarnt?


Der DWD habe die Möglichkeit nach Einzefallprüfung die Öffentlichkeit auch über Cell Broadcast zu warnen. Allerdings nur, wenn der DWD bei extremer Unwettergefahr auch über das Modulare Warnsystem des Bundes und der Länder (MoWaS) warnt. Da die regional sehr unterschiedlichen Auswirkungen (aufgrund Infrastruktur und Topographie sowie lokalen Vorsorgemaßnahmen) der extremen Unwetter von den Meteorologen im Warndienst des DWD jeweils individuell abgeschätzt werden müssen, erfolgt bei extremen Unwettergefahren nicht grundsätzlich eine Alarmierung per MoWaS. So erklärt der DWD und weiter: "Ob beim Einsatz von MoWaS auch noch zusätzlich Cell Broadcast genutzt wird, ist auch von der jeweiligen Einschätzung der Meteorlogen in der Vorhersagezentrale des DWD abhängig."

Diese Abwägung hätte man auch am vergangenen Donnerstag, 22. Juni, treffen müssen. Eine MoWaS Warnung sei für Kassel und Umgebung ausgegeben worden, die zum ersten Mal auch mittels Cell Broadcast verteilt wurde. Für Braunschweig erfolgte keine zusätzliche Warnung über MoWaS und damit habe es auch keine Option für Cell Broadcasting gegeben.

Grundsätzlich gelte: Bei extremen Unwettern besteht immer auch Lebensgefahr. Um eine Abstumpfung der Bevölkerung zu vermeiden, löse der DWD bei extremen Unwettern nicht grundsätzlich sondern nur nach Einzelfallprüfung MoWaS oder gar zusätzlich Cell Broadcasting aus. Für Braunschweig in der vergangenen Woche sei die Abschätzung der Folgen der Wetterlage schwieriger einzustufen gewesen als für Kassel, so dass von einer zusätzlichen Warnung über MoWaS und Cell Broadcast abgesehen wurde.


mehr News aus Braunschweig


Themen zu diesem Artikel


Wetter Feuerwehr Feuerwehr Braunschweig