Kult oder Nostalgie? - In Braunschweig boomen die 80er Jahre

von André Ehlers




Braunschweig. Die Erinnerung an die 80er Jahre scheint in unserer Stadt eine ganz besondere Rolle zu spielen?! Auf der Facebook-Seite „Bohlweg-Zeiten - Die 80er in Braunschweig“ diskutieren fast 3000 Mitglieder über dieses spannende Jahrzehnt und tauschen Bilder aus. Das dazugehörige Buch ist ein Renner.

Im Mai steigt im „Foyer61“ die 80er-Pop-Party „3300“, im Sommer im Kleinen Haus die 80er-Revue „DA DA DA“ mit der Jazzkantine. Und als die Wolters-Brauerei ankündigt, ab April den Conti wieder in die Regale zu stellen, sorgt das sowohl bei Fans, als auch bei Bedenkenträgern, die zwei Flaschen im neuen Träger vermissen, für ein großes Echo.

Kurzum: Die 80er-Jahre sind in Braunschweig „Kult“!


Ole Schulz-Weber hat die „Bohlweg-Zeiten“-Gruppe vor drei Jahren gestartet. Im BraunschweigHeute.de-Interview wollen wir dem „Geheimnis“ der 80er in Braunschweig auf die Schliche kommen:




Wie ist diese Facebook-Gruppe: „Bohlweg-Zeiten – Die 80er in Braunschweig“ enstanden?

Schulz-Weber: Ich hatte mit einem Freund überlegt, ob wir mal eine Revival-Party im kleinen Rahmen eines Studenten-Cafés machen und dort Vitrinen aufstellen, mit den alten Kassetten und alten Postern und anderen Dingen. Das ging aber nicht voran, weil wir auch nicht wussten, wie man das finanzieren sollte: Ist es privat, macht man es öffentlich? Und dann gab es irgendwann Facebook und da war es tatsächlich sehr einfach. Ich habe für Freunde und Bekannte angefangen zu posten, weil ich mich mit dem Medium noch gar nicht auskannte. Ich war ja ganz neu angemeldet und habe erst einmal überlegt, wie ich es für mich nutzen kann um irgendetwas damit zu machen, was ich schon immer machen wollte. Das war die erste Idee.

Wie erklärst Du dir dieses große Interesse an diesem Jahrzehnt?

Schulz-Weber: Also, die 80er Jahre sind ja die geburtenstarken Jahrgänge. Das heißt, die Discos und die Innenstadt waren regelrecht bevölkert von Jugendlichen. Es war alles voll. Egal, wo du hinkamst: Das Jolly Joker war bis zum Bersten gefüllt. Das würde heute gar nicht mehr klappen, weil es gar nicht mehr so viele Jugendliche gibt. Ich glaube, das ist auch der Grund, warum es in den 80ern so viel Jugendkultur in Braunschweig gab; einfach weil so viele Leute da waren. Sie trafen sich am Bohlweg –sicher auch schon in den 70ern und später in den 90ern- aber in den 80ern war dieser Kult und diese Stelle bei „Stresa“, gerade in Verbindung mit den Schloßpark-Partys auf dem Höhepunkt. Das ist seit den 60ern und 70ern immer so weiter angewachsen. In den 90ern ist es dann gekippt und weniger geworden. Bis es dann tot gemacht wurde durch den Umbau des Bohlwegs. Aber in den 80ern ist dieser Ort auf seinem Höhepunkt gewesen.

Für was stehen die 80er?

Schulz-Weber: Das Interessante in den 80ern war natürlich die Vielfalt der Jugendkulturen. Das heißt, man ist ja dauernd verkleidet aus der Tür gegangen. Die Popper, New Wave und andere Szenen. Die gab es ja eigentlich weder davor noch danach. Das fing in den 70ern zwar mit den Punks an, aber auch das war in den 80ern auf dem Höhepunkt: Sich zu verkleiden, wenn man als Jugendlicher aus dem Haus geht. Das schwankte dann in den 90ern in die Grunge-Kultur und HipHop-Kultur. Aber die Leute waren nie so verkleidet wie wir in den 80ern. Die waren relativ unauffällig gekleidet.



Heute sitzen „Emos“ vor dem Schloss?!

Schulz-Weber: Das ist aber nur ein kleiner Teil der Jugendlichen. Der größere Teil kleidet sich nach H&M-Style. Das sind vielleicht noch 5 Prozent, die sich extravagant anziehen. Geh‘ mal in die Schulen. Da findest Du keinen. Wenn die sich zurecht machen, dann nur nachmittags.

Gab es in den 80ern nicht auch mehr Live-Musik? Stichwort: FBZ, „Wintergarten“ oder „Café Nein“?

Schulz-Weber: Das erstaunliche an diesen Konzerten ist ja, dass die immer voll waren. Wen immer du auch auf die Bühne gepackt hast, jede noch so unbekannte Punk-Band hat den Laden gefüllt.

Gibt es heute weniger Bands als in den 80ern?

Schulz-Weber: Die Pop-Rock-Musikschulen platzen ja aus allen Nähten. Das ist eigentlich das große Wunder, denn diese Schulen gab es damals nicht. Wer damals ein Instrument lernen wollte, der hat Klassik gelernt und sich den Rock- und Popkram selber beigebracht. Heutzutage gibt es die Schulen, aber komischerweise kein Forum mehr für die Bands, um aufzutreten. Das passt eigentlich gar nicht zusammen. Alle Jubeljahre kommt dann mal eine Band mit einem CD-Release auf die Bühne, aber diese Konzerte sind meist auch nicht gut besucht. Das ist nie so, dass man denkt, es ist ein Riesen-Hype wie damals.



Was steckt hinter der Party „3300“, am 16. Mai im Foyer?

Schulz-Weber: Die Ausrichtung ist dieses Mal ganz klar Pop, aber kein Trash. Es gab drei Partys mit der Rock- und Indieszene. Dieses Thema ist jetzt erst einmal abgehakt. Jetzt soll zu Popmusik getanzt werden, und zwar auf neutralem Boden. Das ist wichtig: Das Foyer gab es in den 80ern noch nicht. Dort sollen sich alle Szenen versammeln. Es soll „Atlantis“ genauso wie „Jolly Joker“ oder „Leuko“ sein. Alle sollen dahin kommen. Es ist einen Versuch wert. Es wird auch Bilder und Projektionen aus den 80er Jahren auf einer Leinwand geben und die DJs werden auf jeden Fall auch Atlantis-Lieder spielen.

Wieviel Nostalgie steckt in diesem Projekt?

Schulz-Weber: Das ist ganz interessant: Die Zahl 3300 hat ja für die jüngeren Leute überhaupt keine Bedeutung. Die können damit nichts verbinden. Für die Älteren ist allein die Zahl schon Auslöser, um in eine gewisse Nostalgie zu verfallen. Man hat sofort so ein heimeliges Gefühl. Braunschweig hatte noch eine einzige Postleitzahl und war nicht aufgeteilt. Das ist schon spannend, was so eine Zahl auslösen kann.

Würdest Du gerne zurück in die 80er reisen?

Schulz-Weber: Das hat ja Ulrich Schwanke im Bohlweg-Zeiten-Buch gut beantwortet. Er würde gerne zurückreisen, um wichtige Events, die man damals verpasst hat, nachzuholen. Ich selbst würde mir dann zum Beispiel die kleinen Konzerte von „Trio“ und „Ideal“ in Braunschweig ansehen. Oder „Kraftwerk“ in der Stadthalle. Außerdem würde ich gerne noch ein paar Mal ins „Leukoplast“ gehen, was ich leider verpasst habe. Solche Dinge würde man sicher gerne nachholen.

Wie wird es mit den „Bohlweg-Zeiten“ weitergehen?

Schulz-Weber: Eigentlich ist das Buch schon alles was ich wollte. Man hat ein Werk, das für die Ewigkeit in irgendwelchen Museen oder Archiven stehen kann. Die Facebook-Seite selber wird sich sicher irgendwann totlaufen, weil ja neue Dinge entstehen. Aber mit „Da Da Da“, der kommenden Jazzkantine-Revue im Kleinen Haus und vielleicht einem zweiten Buch könnte man die Reise in die Vergangenheit langsam abhaken.

Gibt es auch etwas, von dem Du froh bist, dass es die 80er nicht überlebt hat?

Schulz-Weber: Wenn ich die Frage beantworten könnte, würde ich nicht dieses ganze Erbe verwalten.

TIPP: „3300-Party“ im Foyer61, am 16. Mai, ab 20 Uhr.

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Demnächst lesen Sie in unserer Online-Zeitung, wie der 1. Stadtrat, Ulrich Markurth die 80er Jahre in Braunschweig erlebt hat.


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