"Nightmare on Harzhorn" - Die zweite lange Römer-Nacht im Landesmuseum


| Foto: Stephen Dietl



Braunschweig. Am Samstagabend ging die lange Römer-Nacht in die zweite Runde. Unter dem Motto "Nightmare on Harzhorn" präsentierte das Braunschweigische Landesmuseum Geschichte zum Anfassen - und zum Gruseln.



"Roms vergessener Feldzug" - so heißt die Niedersächsische Landesausstellung 2013, die sich seit September letzten Jahres den archäologischen Sensationsfunden am Harzhorn widmet. Im Jahr 2010 entdeckten Archäologen dort das am besten erhaltene antike Schlachtfeld Europas. Damit wurde bewiesen, dass auch noch im dritten Jahrhundert nach Christus römische Militäroperationen deutlich weiter im Norden stattfanden, als von der Forschung bisher angenommen.

Mehr als 60.000 Besucher lockte die Ausstellung um die einzigartigen Funde im Braunschweigischen Landesmuseum bereits an, sodass man sie kurzerhand um sechs Wochen verlängerte. Und auch die erste lange Römer-Nacht im vergangenen Oktober erntete ein so positives Echo, dass sie nun eine Neuauflage spendiert bekam.


Und so strömten auch gestern Abend wieder hunderte Besucher aller Altersklassen ins Landesmuseum, um einen Museumsbesuch der ganz besonderen Art zu erleben. Bis Mitternacht hatten Geschichtsinteressierte erneut die Möglichkeit, bei Themenführungen und Erlebnisaktionen rund um die Harzhorn-Ausstellung die neusten Erkenntnisse über das Leben und Sterben der Römer in unserer Region aus erster Hand zu erfahren. Unter dem Motto "Nightmare on Harzhorn" lag diesmal der Fokus auf den Schattenseiten des Soldatenlebens. Mit romantisierten Schlachtenbildern sollte ein für alle Mal aufgeräumt werden und die grausige Realität des antiken Krieges als das dargestellt werden, was sie wirklich war: ein schreckliches Gemetzel - ein Alptraum.






Passend zum Ausstellungsmotto trugen daher auch die Themenführungen an bekannte Horrorfilme angelehnte Namen. "Swamp Thing - Von Moorschlachten und Mooropfern" konfrontierte die Besucher mit den Strapazen der Legionäre in den sumpfigen Gefilden der norddeutschen Tiefebene. In "The Bone Collector - Von Feldärzten und Wundheilern" gab es Schauriges und Faszinierendes gleichermaßen zu lernen: Die römische Medizin der Antike befand sich bereits auf dem Wissensstand 19. Jahrhunderts. Vieles ging im Mittelalter wieder verloren. Schon vor 2000 Jahren führten Ärzte komplizierte Operationen an inneren Organen und sogar am Gehirn durch. Knochen dienten dabei als Wundspreizer, Essig und Alkohol als Desinfektionsmittel. Mit bronzenen Hohlnadeln wurden Augenlinsen abgesaugt und Grauer Star entfernt. Und all das meist ohne Betäubung! Forscher vermuten daher eine höhere Schmerztoleranz bei den Menschen der Antike. Während man heute schon bei leichten Schmerzen eine Aspirin nähme, sei man damals von Kindesbeinen an gewohnt gewesen, mit Schmerzen zu leben.



Aber auch römische Heerführer hatten nicht viel zu Lachen. In der Themenführung "Final Destination - Vom Ende der römischen Soldatenkaiser" erfuhren die Besucher, dass nicht nur das Legionärsleben voller tödlicher Risiken war. So starb von über 40 Soldatenkaisern nur ein einziger eines natürlichen Todes. Häufig hätten schon Steuererhöhungen oder ein zu geringer Sold ausgereicht, um den tödlichen Zorn der Gefolgsleute auf sich zu lenken, so Wissenschaftlerin Stefanie Woditschka.



Doch auch die jüngsten Besucher der langen Römer-Nacht kamen nicht zu kurz. Originalgetreue Nachbildungen römischer Rüstungen und Waffen standen zum Anlegen bereit. Darunter ein neun Kilogramm schweres und in aufwändiger Handarbeit gefertigtes Kettenhemd. "Damit in die Schule, das wäre toll!", bekundet Benjamin (6) mit stolz geschwellter Brust und Schwert im Anschlag. "Schwer..." kommentiert die zwölfjährige Belinda kurz und knapp aber dennoch mit strahlenden Augen unter einem stählernen Legionärshelm. Karl (9) möchte lieber Germane sein und lässt sich daher von den anwesenden Schminkprofis täuschend echte Verwundungen ins Gesicht malen, bevor er für das anschließende Fotoshooting noch einen germanischen Mantel um die Schultern gelegt bekommt.



Für musikalische Untermalung sorgte die "NO - BigBand" der Neuen Oberschule. Mit Interpretationen moderner Songs aber auch zahlreichen Klassikern wie Dave Brubeks "Take Five" heizte sie den zahlreichen Zuhörern im Foyer des Landesmuseums ein und sorgte für ordentlich Krach in den sonst eher ruhigen Hallen. Bigband-Leiter und Lateinlehrer Harald Göb ließ es sich dabei nicht nehmen, zwischendurch und passend zum Abend kleinere Ansprachen auf Latein zu halten.

Erst gegen Mitternacht endete die zweite lange Römer-Nacht, die erneut mehr als 1000 Besucher anlockte. Begeistert zeigte sich auch Museumsdirektorin Dr. Heike Pöppelmann: "Es ist noch besser als das letzte Mal", schwärmt sie, denn der Abend dürfte einen neuen Besucherrekord aufgestellt haben. "Zwar präsentieren wir vielschichtige und sehr ernsthafte Themen. Allerdings in lockerer Atmosphäre und so aufbereitet, dass sie neugierig machen und Interesse wecken, auch bei Kindern und Jugendlichen. So verstehe ich Museumsarbeit und deswegen mache ich sie so gerne!"

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