Braunschweig. 10.000 Pegida-Demonstranten in Dresden, die für Angela Merkel und ihren Vize Sigmar Gabriel vorgesehenen Galgen sowie der tätliche Übergriff auf die Kölner Oberbürgermeister-Kandidatin sorgen für eine neue Debatte um ein Pegida-Verbot. Der Ton der Regierenden wird schärfer. Das Verständnis für die auf die Straße gehenden Bürger scheint vorbei. Doch lässt sich der Verein verbieten? RegionalBraunschweig.de hat die Stimmen der Ratsfraktionen eingefangen und es scheint sich ein politischer Konsens zu zeigen: "Wir tolerieren euch, aber wir akzeptieren euch nicht".
SPD, Fraktionsvorsitzender Christoph Bratmann, MdL
"Aus unserer Sicht sind weder symbolische Galgen für Politiker noch Hetzreden und KZ-Vergleiche bei Demonstrationen hinnehmbar. Ein generelles Pegida-Verbot lehnen wir allerdings ab, schließlich sind Meinungsfreiheit und Demonstrationsrecht hohe Güter unserer Demokratie. Deshalb muss im Einzelfall egprüft werden, ob bei Pegida-Demos verfassungsfeindliche Symbole gezeigt werden oder der Straftatbestand der Volksverhetzung gegeben ist. Auch aus politischen Gründen wäre ein generelles Verbot der falsche Ansatz, da die Pegida-Initiatoren sich dann in eine Märtyrer-Rolle begeben würden und die Gedankenwelt dieser Bewegung trotzdem noch vorhanden wäre. So etwas wie Pegida muss unser demokratischer Rechtsstaat aushalten und wir sind aufgefordert dieser Bewegung argumentativ entgegenzutreten und zu entlarven, dass sie keine Lösungen anbietet sondern vielmehr die Gesellschaft spalten will. Hier in Braunschweig ist das bisher gelungen, da die Bragida-Bewegung bisher nur einige Dutzend Menschen mobilisieren konnte und die Gegendemonstrationen immer ungleich größer waren."
BIBS, Stellvertretender Fraktionsvorsitzender Peter Rosenbaum
"Vielen ist vielleicht nicht bekannt, dass auch Braunschweiger Bragida-Veranstaltungen vom Pegida-Funktionär Lutz Bachmann angemeldet wurden. Pegida und Bragida sind aber keine festen, geschlossenen Organisationen, die man durch Verbot verhindern kann. Es gilt vielmehr, die Brandstiftungen, Hetzreden und tätlichen Angriffe unverzüglich und konsequent zu ahnden."
Die Linke, Mitglied des Kreisvorstandes Hans-Georg Hartwig
"Das Demonstrationsrecht ist ein wichtiges Grundrecht. Die Linke musste in der Vergangenheit immer wieder ihre Stimme gegen beabsichtigte Einschränkungen des Demonstrationsrechts erheben. Wenn allerdings wie bei den PEGIDA-Kundgebungen in Dresden, fortgesetzt Reden gehalten werden die den Tatbestand der Volksverhetzung erfüllen, dann kann von der Wahrnehmung eines demokratischen Rechts nicht mehr gesprochen werden. Wenn die Veranstalter solche Reden nicht abstellen, kann die Untersagung solcher Kundgebungen sehr wohl in Frage kommen. Das Grundgesetz verbrieft kein Recht auf rassistische Hetze."
Piratenpartei, Fraktionsvorsitzender Jens-Wolfhard Schicke-Uffmann
"Unabhängig von einer juristischen Entscheidung über Verbote und deren Konsequenzen ist bei Pegida – ebenso wie bei dem regelmäßig diskutierten NPD-Verbot – zu bedenken, dass ein Verbot des Vereins vor allem Symptombekämpfung ist. Die Meinung in den Köpfen ändert ein Verbot nicht“, meint Jens-Wolfhard Schicke Uffmann zur derzeitigen Diskussion. "Um Meinungen zu ändern, braucht es weiter stetig Menschen, die öffentlich aufzeigen, wo Pegida alles falsch liegt. Nur so können möglichst viele bisherige Pegidadisten erkennen, dass ihre politischen Ideen entweder ohnehin nicht mehrheitsfähig oder woanders besser aufgehoben sind. Jeder, der an einem sogenannten Spaziergang von Pegida oder Bragida teilnimmt, sollte sich allerspätestens nach den Reden auf der letzten Demonstration in Dresden darüber Gedanken machen, ob er die geäußerten Meinungen wirklich teilt.“
Die Grünen, Fraktionsvorsitzender Holger Herlitschke
Für die Grünen seien die Bürgerrechte, zu denen unter anderem auch das Recht auf Demonstrationsfreiheit und das Recht auf freie Meinungsäußerung gehöre, seit jeher ein hohes Gut. "Insofern sind wir in dieser Frage ganz nah bei Cem Özdemir, der angesichts der Debatte um ein Pegida-Verbot ebenfalls darauf hingewiesen hat, dass das Demonstrationsrecht eben auch für die Feinde der Demokratie gelte. Dabei ist vollkommen klar, dass diejenigen, die im Rahmen dieser Demonstrationen Straftaten begehen, dafür zur Verantwortung gezogen werden müssen. Allerdings", so ergänzt Holger Herlitschke, "kann man zwar Organisationen oder Demonstrationen verbieten, nicht aber die fremdenfeindliche und menschenverachtende Gesinnung der Menschen, die sich an diesen Aktionen beteiligen. Die Grünen in Braunschweig stünden angesichts der Flüchtlingssituation in der LAB in Kralenriede besonders in der Pflicht, besonnen zu reagieren und fremdenfeindlichen Tendenzen entschlossen entgegen zu treten. Sowohl die große Hilfsbereitschaft, die den Flüchtlingen im Moment entgegen gebracht würde, als auch die Tatsache, dass es dem Braunschweiger Ableger der Pegida-Bewegung, der Bragida, nicht gelungen sei, eine nennenswerte Anzahl an Unterstützern zu mobilisieren, zeige, dass man in Braunschweig sehr weit von Dresdner Verhältnissen entfernt sei. "Dennoch schauen natürlich auch wir voller Sorge auf die Radikalisierung der Pagida-Demonstrationen in anderen Teilen Deutschlands. Es gilt, wachsam zu bleiben und fremdenfeindlichen Tendenzen entschlossen entgegen zu treten."
CDU, Stellvertretende Fraktionsvorsitzende Anke Kaphammel
„Der Schutz der Meinungsfreiheit ist – aus unserer Geschichte heraus begründet – eines der entscheidenden Grundrechte in unserer Verfassung und deshalb wäre ein Verbot des Pegida-Vereins nur sehr schwer durchzusetzen. Wir sprechen uns daher derzeit gegen ein solches Verbot aus. Die Ursachen würden nämlich bestehen bleiben und sich anderweitig kanalisieren. Vielmehr müssen wir die Gründe für die nun leider wieder anwachsende Teilnehmerzahl angehen und durch eine verstärkte Öffentlichkeitsarbeit und Informationen der Politik für Aufklärung sorgen. Gleichwohl müssen aber Verstöße gegen unsere Gesetze, wie beispielsweise Aufrufe zur Gewalt gegen die Bundeskanzlerin oder andere Personen, Hetze gegen Minderheiten und nicht zuletzt die unsägliche verbale Entgleisung von Akif Pirincci konsequent strafrechtlich verfolgt und geahndet werden", so Anke Kaphammel. "Unsere Demokratie ist stark und unser Rechtsstaat ist mit den richtigen Mitteln ausgestattet, um gegen Ausländerfeindlichkeit und politische Hetze vorzugehen. Sollten diese Mittel irgendwann ausgeschöpft sein oder von Pegida eine tatsächliche Gefahr für Leib und Leben ausgehen, dann sollte ein Verbot erneut ins Auge gefasst werden." Man könne nicht jede Gruppe, deren politische Ansicht einem nicht gefalle, verbieten wollen. "Denn so würden wir uns mit Pegida auf eine Stufe stellen. Ich will aber gleichwohl allen, die an den Veranstaltungen von Pegida, Bragida und Co. teilnehmen, dringend dazu raten sich bewusst zu machen, mit wem sie sich dort gleichmachen."
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