Räumung Hochhaus: Wohnraum-Vermietung war nicht genehmigt


Die Stadt Braunschweig erklärt, warum das Hochhaus nun geräumt werden musste. Foto:
Die Stadt Braunschweig erklärt, warum das Hochhaus nun geräumt werden musste. Foto: | Foto: Anke Donner

Braunschweig. Am Montag wurde bekannt, dass ein Mehrfamilienhaus in der Theodor-Heuss-Straße bis zum Ende des Jahres vollständig geräumt werden musste. Die Stadt Braunschweig ordnete dies an, weil es erhebliche Mängel im Brandschutz gab. Nun gab die Stadtverwaltung Details zu den Mängeln bekannt und erklärt, warum die sofortige Schließung notwendig war.


Wie die Stadt Braunschweig in einer Stellungnahme erklärt, wurde am 17. Oktober in dem Gebäude eine Brandverhütungsschau durch Bauordnung und Feuerwehr durchgeführt. Die Überprüfung von Hochhäusern werde regelmäßig im Rahmen von Brandverhütungsschauen der Feuerwehr durchgeführt. Die nun erfolgten Besichtigungen und Überprüfungen aller Hochhäuser in Braunschweig sind aber nicht zuletzt auch eine Reaktion auf den Brand in London, teilte die Verwaltung mit.

Bei den Überprüfungen seien in dem Gebäude in der O-v.-Guericke-Straße/Theodor-Heuss-Straße erhebliche brandschutztechnische Mängel festgestellt, die unter anderem den einzigen Treppenraum und damit den einzigen Flucht- und Rettungsweg des Hochhauses betreffen.

Unbefugte Nutzung


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64 Parteien wohnen derzeit in dem Haus. Doch die Nutzung ist eigentlich nur für gewerblich Zwecke genehmigt. Foto: Anke Donner



Insbesondere seien in dem 1973 als Bürogebäude genehmigten Hochhaus zusammenhängende Büroeinheiten getrennt und zu möblierten Ein-Zimmer-Apartments umgenutzt, die durch eine in der Baugenehmigung explizit untersagte Öffnung/Wohnungseingangstür unmittelbar an den eigentlich als Sicherheitstreppenraum vorgesehenen Treppenraum angeschlossen worden. Wann genau diese Öffnungen hergestellt worden sind, ließe sich der Aktenlage nicht entnehmen.

Diese Öffnungen im Sicherheitstreppenraum waren weder zum Zeitpunkt der Errichtung noch zu einem späteren Zeitraum zulässig, weil hierdurch die Gefahr besteht, dass im Falle eines Brandes in einer dieser insgesamt zehn Wohnungen innerhalb kürzester Zeit der einzige Rettungsweg wegen Verrauchung und wegen der sich sammelnden Brandgase für die übrigen Bewohner und Besucher des Gebäudes nicht mehr passierbar ist. Demzufolge sei die Selbstrettung aus den insgesamt 70 Apartments nicht mehr möglich. Die Rettung von außen über die Drehleiter der Feuerwehr sei oberhalb der Hochhausgrenze von 22 Metern nicht, darunter wegen der ungeeigneten (Kipp-)Fenster ,nur bedingt möglich, teilt die Stadtverwaltung weiter mit.

Nach erfolgter Abstimmung mit der Feuerwehr wurde aus diesen Gründen die weitere - ohnehin illegale -Nutzung der direkt am Treppenraum gelegenen zehn Apartments untersagt. Die Nutzungsuntersagungen an die derzeit acht Mieter der betroffenen Wohneinheiten, deren Nutzung nicht aufrechterhalten werden konnte (zwei Apartments stehen aktuell leer), wurden am 23. Oktober persönlich zugestellt, eine weitere nachträglich am 6. November. Ebenso hat der Eigentümer eine Bauaufsichtsanordnung mit allen erforderlichen Maßnahmen erhalten. Für die vollständige Räumung der acht Apartments wurde eine Frist bis zum 29. Oktober eingeräumt.

Vermietung als Wohnraumnur geduldet


Die Stadt habe zudem nach dem Termin im Oktober festgelegt, dass die Gefahr für die anderen 60 Apartments soweit zu reduzieren ist, dass diese zunächst weiterhin genutzt werden können. Es sei allerdings wegen der nicht genehmigten und auch nicht genehmigungsfähigen Wohnnutzung ohnehin geplant gewesen, dem Eigentümer des Gebäudes die Neuvermietung der Apartments zu Wohnzwecken zu untersagen. Dies sei dem Vermieter auch bereits seit Mitte 2014 bekannt. Dieses Verfahren, das die weitere Wohnnutzung der heutigen Mieter bis zu deren Auszug durch Duldung ermöglichen soll, soll auch weiterhin durchgeführt werden. Der Stadt sei an einer sozialverträglichen Lösung für die Mieter der verbleibenden 60 Wohnungen gelegen. Für die Weiter-Nutzung der übrigen Apartments waren dafür aber aufgrund der Erkenntnisse aus der Brandverhütungsschau unverzüglich weitere vom Eigentümer durchzuführende Maßnahmen erforderlich, wie unter anderem die Bereitstellung einer mobilen Brandmeldeanlage sowie die Sicherstellung der Aufstellflächen für die Feuerwehr.

Auflagen noch nicht erfüllt


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Der Müllschlucker wurde lahm gelegt. Foto: Anke Donner



Bei Erfüllung dieser Auflagen würde die Stadt die Wohnnutzung in den anderen 60 Wohnungen vorerst weiter dulden. Die Stadt hat bei einem erneuten Ortstermin am Montag festgestellt, dass der Eigentümer bisher mit Ausnahme des Verschließens der Müllabwurfanlage nichts weiter veranlasst hat. Er hat allerdings signalisiert, weitere Kompensationsmaßnahmen unverzüglich umsetzen zu wollen und bis Dienstag eine konkrete Zeit- und Maßnahmenplanung mit der Stadt abzustimmen. Dies wolle die Stadt jetzt weiter abwarten. Setzt der Eigentümer die Auflagen um, sei die Stadt zu einer Fristverlängerung bereit und der Eigentümer könnte gegebenenfalls die Kündigungen zurücknehmen.

Rettungswege müssen gegeben sein


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Der Flucht-und Rettungsweg über das Treppenhaus muss gewährleistet sein. Foto: Anke Donner



Wenn der erste Rettungsweg über das Treppenhaus ausfällt, existiert keine andere Rettungsmöglichkeit. Die Rettung durch die Feuerwehr über die Fenster ist bei Hochhäusern grundsätzlich nicht vorgesehen, da nur ein Teil der Geschosse erreicht werden kann. Deshalb ist anstelle eines zweiten baulichen Rettungsweges auch die Errichtung eines Sicherheitstreppenraumes zulässig, der aufgrund seiner baulichen und technischen Ausgestaltung eben nicht ausfallen kann. Nur mit den angeordneten Maßnahmen könnte eine vorübergehende weitere Nutzung des Wohnhauses und der verbleibenden 60 Wohnungen zugelassen werden. Zudem hat sich die Feuerwehr bereit erklärt, hier ausnahmsweise auch die Rettung von außen bis zum 8. Stock mit in die Risikobetrachtung einzubeziehen. Hierfür müssen aber entsprechende Flächen vor dem Gebäude jederzeit zur Verfügung stehen.

Eigentümer handelte rechtswidrig


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Eine Rettung von außen ist nur bedingt möglich. Foto: Anke Donner



Für die Einhaltung bauordnungskonformer Zustände in einem Gebäude sei der Eigentümer zuständig und verantwortlich, so die Stadt. Die jahrelange unzulässige Wohnnutzung könne nicht zu einer legalisierenden Wirkung führen, die ein späteres Einschreiten verhindern würde. Spätestens seit der Änderung des Bebauungsplanes, zu dem der Eigentümer gehört und die gewerbliche Nutzungsart thematisiert wurde, sei dem Eigentümer die unzulässige Wohnnutzung bewusst gewesen, heißt es aus der Stadtverwaltung. "Im Übrigen habe der Eigentümer wie erläutert im Laufe der Nutzung baugenehmigungswidrige Zustände geschaffen, die – was die Sache noch verschlimmert – gravierende Folgen für die Sicherheit der Bewohner hat. Er habe dies eigenmächtig und ohne Abstimmung getan, die Stadt hätte dem auch nicht zugestimmt", erklärt Stadtsprecher Adrian Foitzik.

Aufgrund der aktuell festgestellten brandschutztechnischen Mängel sind die erläuterten Anordnungen unausweichlich. Warum die ungenehmigten Nutzungen sowie die vorliegenden Mängel, die vermutlich bereits seit den 1970er Jahren bestehen und spätestens 1980 bekannt wurden, nicht schon zu einem früheren Zeitpunkt seitens der Stadt unterbunden worden sind, lässt sich aus den vorliegenden Unterlagen nicht entnehmen. Eine formelle Duldung oder gar eine nachträgliche Genehmigung ist in den Akten jedenfalls nicht vorhanden, sodass der lange Zeitraum der illegalen Nutzung nicht dazu führen kann, dass ein Einschreiten insbesondere gegen die Brandschutzmängel ausgeschlossen wäre.

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