Thüga AG soll dritter Partner bei BS|Energy werden


Der Rat muss der Auswahl der Thüga AG zustimmen. Foto: Alexander Dontscheff
Der Rat muss der Auswahl der Thüga AG zustimmen. Foto: Alexander Dontscheff | Foto: Alexander Dontscheff

Braunschweig. Aus dem strukturierten Bieterverfahren zur Suche eines dritten Partners für eine Beteiligung am Braunschweiger Energieversorger BS|Energy ist die Thüga AG als Präferierter Bieter hervorgegangen. Der Rat muss der Auswahl der Thüga AG zustimmen. Darüber informiert die Stadt in einer Pressemitteilung.


Das kommunal beherrschte Unternehmen soll mittelbar 24,8 Prozent der Gesellschaftsanteile von Veolia erwerben. Darauf haben sich der Konzern Stadt Braunschweig - also die Stadt und die Stadt Braunschweig Beteiligungsgesellschaft mbH, SBBG - und Veolia geeinigt. Eine entsprechende Beschlussvorlage hat die Verwaltung am heutigen Freitag den Gremien vorgelegt. Darin wird vorgeschlagen, der Veräußerung zuzustimmen und auf die Möglichkeit des sogenannten "Last Call" zu verzichten.

"Das Ergebnis des Bieterverfahrens und der Verhandlungen ist ein großer Erfolg für unsere Stadt", kommentiert Oberbürgermeister Ulrich Markurth. "Der Konzern Stadt Braunschweig war in diesem Verfahren aktiver Teilnehmer und Entscheider und hatte in jedem Stadium konkrete Steuerungs- und Eingriffsmöglichkeiten. Diese haben wir wahrgenommen und die Chance, anlässlich des auslaufenden Konzessionsvertrags mit BS|Energy das Unternehmen durch den Einstieg eines dritten, kommunalen Partners zu stärken und strategisch weiter zu entwickeln, optimal genutzt. Mit der Thüga AG als starkem, marktkundigen Gesellschafter können wir BS|Energy, unsere Stadtwerke, in hervorragender Weise optimieren und für die Herausforderungen der Zukunft aufstellen, von der Energiewende bis zur Digitalisierung."

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Ulrich Markurth. Foto: Anke Donner



Die Thüga AG habe das in der Gesamtbetrachtung überzeugendste Konzept vorgelegt und darüber hinaus auch das finanziell attraktivste Angebot unterbreitet, so der Oberbürgermeister weiter. "Damit eröffnet sich die Möglichkeit, einen kommunalen Partner mit großer Erfahrung und großem Knowhow sowie wirtschaftlicher und personeller Stärke für die Zukunftssicherung von BS|Energy zu gewinnen, ohne dass dies zu zusätzlichen Kosten für die Stadt Braunschweig führt. Zugleich behalten wir mit Veolia einen Partner an unserer Seite, mit dem wir seit vielen Jahren erfolgreich zusammenarbeiten." Veolia und der Konzern Stadt Braunschweig hatten vereinbart, gemeinsam einen weiteren kommunalnahen Partner für BS|Energy zu suchen.

Julien Mounier, Geschäftsführer von Veolia, Geschäftsbereich Energie, und Vorstandsvorsitzender von BS|Energy: "Die Thüga hat das beste Angebot gemacht. Das Unternehmen hat den festen Willen gezeigt, gemeinsam mit der Stadt Braunschweig und Veolia, BS|Energy zum Treiber einer modernen Stadtentwicklung auszubauen und damit Braunschweigs Entwicklung zur Smart City zu unterstützen. Unser gemeinsames Ziel sind zukunftsfähige Arbeitsplätze in Braunschweig und starke Impulse für Innovationen in der Region."

"Der Konzern Stadt Braunschweig als Mitgesellschafter wird ebenso wie BS|Energy selbst vom Einstieg des neuen kommunalen Partners durch dessen Bereitstellung von wirtschaftlichen und personellen Ressourcen sowie Knowhow profitieren", hebt Erster Stadtrat und Finanzdezernent Christian Geiger hervor. "Die Thüga AG wird für BS|Energy beziehungsweise die Braunschweiger Versorgungs-Verwaltungs-AG in Abstimmung mit dem Konzern Stadt Braunschweig ein Vorstands-, ein Aufsichtsrats- und ein Konsortialausschussmitglied benennen, damit die zugesagten Konzeptideen auch im operativen Geschäft des Unternehmens umgesetzt werden können. Der neue kommunale Mitgesellschafter ist bereit, seine Stimme zugunsten des Konzerns Stadt Braunschweig zu bündeln, so dass die kommunalen Belange innerhalb von BS|Energy noch weiter gestärkt werden."

Das Bieterverfahren: So wurde bewertet



Die Auswahl des Präferierten Bieters erfolgte nach der Bewertung der Angebote unter folgenden Kriterien:


  • Kaufpreis und sonstige kaufpreisbildende Positionen (entsprechend der vertraglichen Regelungen)


  • Beitrag im Bereich Zukunftstechnologie und Entwicklungsmöglichkeiten der BS|Energy aus Sicht des Bieters, wie Technologie, Wirtschaftlichkeit, Nachhaltigkeit, Innovation, Erzeugungskonzept (Stromerzeugung, Wärme, erneuerbare Energien) sowie neue Geschäftsfelder (Elektromobilität, Digitalisierung)


  • Beiträge im Bereich Synergien, wie digitale Agenda, Zusammenarbeit mit lokalen und regionalen Unternehmen mit Auswirkung auf die BS|Energy (investiv und personell), Standort- und Personalkonzept, sonstige Geschäftsaktivitäten sowie die wirtschaftliche Entwicklung



Der Konzern Stadt Braunschweig und Veolia erstellten im ersten Schritt gemeinsam eine "Long-List" von möglichen geeigneten Bietern, die im Weiteren zur Teilnahme am Bieterprozess und zur Abgabe eines indikativen Angebots aufgefordert wurden. Das indikative Angebot sollte auf Basis eines Exposés zu BS|Energy insbesondere Konzepte und Beiträge zur Stärkung des Unternehmens und des Standortes Braunschweig enthalten. Mehrere indikative Angebote wurden eingereicht. Veolia und der Konzern Stadt Braunschweig forderten dann einvernehmlich drei kommunal beherrschte Bieter zur weiteren Teilnahme am Verfahren auf. Mit jedem Bieter wurden zwei Verhandlungsgespräche geführt, in denen die Bieter ihre Angebote erläuterten und konkretisierten.

"Wir haben mit den drei Bietern, die allesamt sehr interessante Konzepte vorlegten, intensiv verhandelt – immer mit der Maßgabe, BS|Energy optimal für die Herausforderungen der Zukunft aufzustellen", betont Oberbürgermeister Markurth. "Im Vordergrund standen stets die Aspekte zur Stärkung des Standorts Braunschweig." Auf Basis der Gespräche forderten Veolia und der Konzern Stadt Braunschweig die Bieter dann auf, verbindliche Angebote abzugeben. Nach deren Abgabe erfüllten schließlich nur noch zwei Bieter die Mindestkriterien hinsichtlich des Kaufpreises und der Akzeptanz der Corporate Governance-Regelungen (Zusammenarbeit der Gesellschafter).

Warum die Thüga AG ausgewählt wurde



Die Thüga AG mit Sitz in München ist mit rund 100 Beteiligungen an Stadtwerken das größte kommunal ausgerichtete Beteiligungsunternehmen der Energie- und Wasserwirtschaft in Deutschland. Anteilseigner der Thüga sind enercity, Mainova, N-ERGIE sowie die Stadtwerkegruppe Kom9. Die Thüga AG hat rund 250 Mitarbeiter, die Thüga Gruppe insgesamt 17.200. Der Umsatz der Thüga Gruppe betrug 2016 rund 19,0 Mrd. €. Mit der Syneco Trading, der Thüga SmartService, der Conergos u. a. verfügt die Thüga über Dienstleistungstöchter, die energiewirtschaftliche Leistungen für die beteiligten Stadtwerke und andere Unternehmen am Markt anbieten.

Die Thüga AG bietet umfangreiche unentgeltliche Beratungsleistungen, personelle und finanzielle Unterstützung, Sachwerte und spezifisches Knowhow zur effektiven Umsetzung von Projekten, insbesondere in den Bereichen Synergien und Zukunftstechnologien, an. Das vorgelegte Konzept umfasst neben der Errichtung einer Digitalisierungsagentur/Innovationsplattform für BS|Energy als Kompetenzzentrum für Digitalisierung urbaner Infrastruktur auch den Bereich der Elektromobilität. Als entscheidender Vorteil wurde bei der Thüga AG auch gesehen, dass dort große Erfahrungen im Hinblick auf die Begleitung von Erzeugungsprojekten ihrer Beteiligungen im Bereich Wärme und Strom bestehen, gerade im Hinblick auf die Dekarbonisierung.

Zudem vermochte die Thüga AG gezielt unentgeltliche Beratungsleistungen in den Bereichen Erzeugungskonzepte, Optimierung der Netzgesellschaft, Organberatung sowie allgemeiner Beratung anzubieten. Das Konzept konnte durch die Einbeziehung der entsprechenden Mitarbeiter mit sehr konkreten Mehrwerten überzeugen. Darüber hinaus überzeugte es im Bereich Energiehandel und der Rückgriffsmöglichkeit auf White-Label-Lösungen (Vermarktung von Produkten oder Dienstleistungen eines Herstellers unter verschiedenen Namen, der Hersteller selbst tritt dabei nicht in Erscheinung) und dem entsprechenden Knowhow sowie der Weiterentwicklung von Hubgrade (Veolia-Konzept zur Digitalisierung technischer Prozesse von kommunalen und industriellen Kunden).

Des Weiteren ist die Thüga AG auch bereit, in den nächsten Jahren im Bereich des Sponsorings sowohl anteilig entsprechend der bisherigen Förderung als auch darüber hinaus mit zusätzlichen Mitteln finanzielle Unterstützung zu leisten.

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Finanzdezernent Christian Geiger Foto: André Ehlers

"Wir wollen uns mit einem starken kommunalen Partner zusammenschließen", fasst Erster Stadtrat Geiger zusammen. "Deshalb schlagen wir den Ratsgremien vor, von der Ausübung des sogenannten Last Call abzusehen."

Im Vorvertrag ist vorgesehen, dass die SBBG berechtigt ist, innerhalb von vier Wochen nach Auswahl des Präferierten Bieters die Verkaufsanteile in Höhe von 24,8 Prozent zu den vom präferierten Bieter gebotenen Konditionen im Rahmen eines sogenannten Last Call zu erwerben. Insofern erfolgt der Eintritt eines neuen Gesellschafters nur dann, wenn der Rat der Stadt Braunschweig überzeugt ist, dass die Konzepte des Präferierten Bieters deutliche Vorteile bieten gegenüber der einfachen Erhöhung der Beteiligung des Konzerns Stadt Braunschweig an BS|Energy. Dementsprechend waren auch die Verhandlungen mit den Bietern davon geprägt, dass die genannten Vorteile konkret und werthaltig sein mussten und zudem rechtsverbindlich abzusichern waren.

Die Ausübung des Last Call würde also dazu führen, dass die SBBG die von Veolia abgegebenen Gesellschaftsanteile erwirbt, ohne auf die Stärke und die Erfahrung des Präferierten Bieters zurückgreifen zu können. Die oben dargelegten, überzeugenden Ergebnisse des Ideen- und Konzeptwettbewerbs für die Stärkung der Zukunftstechnologien und des entsprechenden Knowhows wären nicht umsetzbar, weil die SBBG über die entsprechende Erfahrung nicht verfügt. Die erworbenen Anteile dürfte die SBBG zwar im üblichen Rahmen weiter veräußern, auch an ein kommunal beherrschtes Unternehmen. Die Durchführung eines weiteren Veräußerungsverfahrens wäre in diesem Fall allerdings allein vom Konzern Stadt Braunschweig durchzuführen, ohne hierfür auf die Marktkenntnis und die Erfahrungen von Veolia und/oder BS|Energy zurückgreifen zu können. Schon aus diesem Grund ist nach Auffassung der Verwaltung nicht zu erwarten, dass in einem derart gestalteten Verfahren ein für das Unternehmen BS|Energy besseres Ergebnis erzielt werden kann als jetzt.

Das Veräußerungsmodell



Die Thüga AG soll einen Anteil von 33,1 Prozent an der Veolia Stadtwerke Braunschweig Beteiligungs-GmbH erwerben, die die Veolia-Beteiligung an BS|Energy hält. Dies entspricht einer mittelbaren Beteiligung von 24,8 Prozent an BS|Energy. Eine unmittelbare Beteiligung ist steuerlich nicht möglich, wie sich im Zuge einer Abstimmung mit dem zuständigen Finanzamt zeigte.

Mehrheitsgesellschafter von BS|Energy bleibt Veolia mit künftig 50,1 Prozent statt bisher 74,9 Prozent der Anteile. Die Stadt Braunschweig wird über ihre Beteiligungsgesellschaft SBBG weiterhin 25,1 Prozent halten.

Im Zusammenhang mit der neuen Anteilseignerstruktur wird, wenn der Rat zustimmt, auch eine Vergrößerung von Vorstand und Aufsichtsrat sowie Konsortialausschuss der BS|Energy bzw. der Braunschweiger Versorgungs-Verwaltungs-AG (BVVAG) vorgenommen. Zur operativen Umsetzung der zugesagten Konzeptideen wird die Thüga AG ein (viertes) Vorstandsmitglied nach vorheriger Abstimmung mit der SBBG benennen. Der Aufsichtsrat wird zukünftig 15 Mitglieder (bisher 12 Mitglieder) haben, von denen die SBBG künftig vier Mitglieder benennen kann. Wie bislang wird der Oberbürgermeister der Stadt Braunschweig den Aufsichtsratsvorsitz innehaben. Die Thüga AG wird ein Aufsichtsratsmitglied in Abstimmung mit der SBBG vorschlagen, zudem wird ein weiterer Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat vertreten sein. Für Veolia bleibt es wie bisher bei fünf Aufsichtsratsmitgliedern. Auch für den Konsortialausschuss wird die Thüga AG einen Vertreter benennen können.

So geht es weiter



Nach Vorberatungen im Finanz- und Personalausschuss am 31. Mai und im Verwaltungsausschuss am 5. Juni entscheidet der Rat am 12. Juni über den Vorschlag der Verwaltung. Die Finalisierung der vertraglichen Regelungen soll bis zum 30. Juni abgeschlossen sein. Nach der Beschlussfassung des Rates und der anschließenden Gesellschafterversammlung der SBBG kann die Unterzeichnung der Beitritts- und Ergänzungsvereinbarung zum Konsortialvertrag vorgenommen werden. In den abgestimmten Verträgen ist geregelt, dass die Transaktion mit wirtschaftlicher Rückwirkung auf den 1. Januar 2018 durchgeführt werden soll.

Ebenfalls zum Abschluss gekommen sind die im Auftrag des Rates geführten Verhandlungen mit BS|Energy über den erneuten Abschluss der Konzessionsverträge für die Versorgung mit Fernwärme und Wasser. Sie sind von der beabsichtigten Beitritts- und Ergänzungsvereinbarung zum Konsortialvertrag unberührt. Die Verwaltung empfiehlt, die Konzessionsverträge unter den ausgehandelten Bedingungen fortzuführen. Hierzu gibt es eine gesonderte Beschlussvorlage.


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