Urteil: Jobcenter muss Fahrten zu inhaftiertem Sohn erstatten

von Christina Balder




Braunschweig. Wer von Hartz IV lebt und ein Familienmitglied im Gefängnis besuchen möchte, kann die Kosten dafür vom Jobcenter erstattet bekommen. Das hat das Sozialgericht Braunschweig im April entschieden - das Urteil ist nun rechtskräftig.

Das Gericht urteilte im Fall einer Frau, die Arbeitslosengeld II bezieht. Sie, ihr Mann und ihr 1991 geborener Sohn wohnte zusammen, bis der Sohn im Januar 2012 zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren verurteilt wurden. Ab April 2012 saß er in der Jugendanstalt in Hameln, wo die Eltern ihn zwei Mal pro Monat besuchten. Weil der Mann der Klägerin an einer Angststörung leidet, kann er öffentliche Verkehrsmittel nicht nutzen - sie fuhren also regelmäßig mit dem Auto nach Hameln.

Beim Jobcenter beantragte die Frau die Kostenübernahme für diese Fahrten. Das Geld, das sie vom Jobcenter regelmäßig bekommt, reiche dafür nicht aus. Das Jobcenter lehnte ab: Es sei zumutbar, die Kosten aus dem Regelsatz zu bestreiten. Das dagegen durchgeführte Widerspruchsverfahren blieb erfolglos. Im August 2012 erhob die Klägerin beim Sozialgericht Braunschweig Klage gegen die ablehnende Entscheidung des Jobcenters.

Die 49. Kammer des Sozialgerichts Braunschweig hat der Klägerin Recht gegeben und das Jobcenter zur Übernahme der Fahrkosten verurteilt. Dabei hat die Kammer bei der Berechnung des Anspruchs eine Kilometerpauschale in Höhe von 0,10 € zugrunde gelegt, also 23,60 € je Fahrt.

Die Kammer sieht die Voraussetzungen auf Fahrtkostenübernahme erfüllt, heißt es in einer Mitteilung des Gerichts. Gesetzliche Grundlage für den Anspruch ist § 21 Absatz 6 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Bei den Fahrten zum Gefängnis handele es sich um einen besonderen Bedarf, der nicht typischerweise bei SGB II-Leistungsbeziehern auftrete. Die Besuchsfahrten der Eltern zu ihrem Sohn sind nach Ansicht der Kammer auch erforderlich, um den Familienzusammenhalt aufrecht zu erhalten und für eine soziale Integration nach Ende der Haft vorzusorgen Es sei der Klägerin auch nicht zuzumuten, die Kosten für die Fahrten aus der ihr zur Verfügung stehenden Regelleistung anzusparen. Es handele sich bei den entstehenden Kosten in Höhe von 47,20 € monatlich nicht um einen "Bagatellbetrag."

(Urteil vom 9. April 2014 - S 49 AS 2184/12)


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