Berlin. Deutschland hat in der Corona-Pandemie Impfstoffe im Wert von 13,1 Milliarden Euro bestellt. Das bestätigte nun das Bundesgesundheitsministerium (BMG), wie NDR, WDR und "Süddeutsche Zeitung" (Freitagsausgabe) berichten.
Der größte Teil der nun bekannt gewordenen Summe an Impfstoff-Bestellungen geht auf die Amtszeit von Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) zurück. Nach bisher geheim gehaltenen Unterlagen bestellte der Bund in der Amtszeit von Spahn bereits 556 Millionen Corona-Impfdosen im Gesamtwert von 10,05 Milliarden Euro. Die Verträge, die die EU-Kommission mit den Impfstoffherstellern für alle Mitgliedsstaaten geschlossen hat, unterliegen strenger Vertraulichkeit. Bisher waren nur bruchstückhaft Preise der Impfstoffe bekannt geworden.
NDR, WDR und "Süddeutsche Zeitung" berichten nun über eine Bestellübersicht der Bundesregierung für die einzelnen Impfstoffe, aus der die genauen Preise, Mengen und Bestelldaten hervorgehen. Deutschland soll demnach im Dezember 2020 knapp 39 Millionen Impfdosen bei Biontech/Pfizer zum Preis von rund 15,50 Euro pro Dosis bestellt haben. Neun Monate später, als die Regierung weitere 168 Millionen Impfdosen bestellt habe, soll dem Bericht zufolge die Einzeldosis im Schnitt bereits rund 23,20 Euro gekostet haben - ein Anstieg um rund 50 Prozent. Moderna habe bereits nach drei Monaten den Preis von 19,50 Euro um mehr als 50 Prozent auf 29,70 Euro erhöht, hieß es.
Die Firma Moderna beantwortete Fragen zur Preissteigerung nicht. Biontech/Pfizer teilte auf Anfrage mit: "Verlassen Sie sich nicht auf Informationen, die nicht nachgeprüft werden können (die Preisangaben können wir nicht nachvollziehen)". Aus der Pharmabranche heißt es dazu, das Mainzer Unternehmen habe jahrelang mehr Geld ausgegeben als eingenommen, um neue Medikamente zu erforschen. Das sei nun der Lohn dafür.
Und diesen Lohn wolle Firmenchef Ugur Sahin in der Erforschung neuer Medikamente stecken. Und die Preissteigerungen lägen auch daran, dass Deutschland und die EU in den Verträgen teure Auflagen hineingeschrieben hätten. Das habe man sich einfach über einen höheren Preis absichern müssen. Der Vorsitzende der Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft, Wolf-Dieter Ludwig, hält Preise, die Moderna oder Biontech/Pfizer für ihre Impfstoffe verlangt hätten, nicht grundsätzlich für anstößig, weil sie durchaus vergleichbar seien etwa mit Influenza-Impfstoffen.
Was Ludwig aber stört, sind die Preissteigerungen mitten in der Pandemie. "Ich halte das eigentlich für unseriös, weil angesichts der wirtschaftlichen Umsätze hätte man bei dem alten Preis bleiben können." Es sei allerdings so, dass "wir die Impfstoffe brauchten" und "die Pharmakonzerne diese Preise eben durchsetzen konnten". Aus dem Bundestag kommt dagegen deutliche Kritik an den Preissteigerungen.
Der Arzt und Abgeordnete Stephan Pilsinger (CSU) sagte: "Wenn das so stimmt, dann bin ich der Meinung, dass das völlig ungerechtfertigt ist. Die Bundesregierung hätte sich auf solche Deals nicht einlassen sollen." Der Vorsitzende des Haushaltsausschusses des Bundestags, der CDU-Politiker und ehemalige Chef des Kanzleramts Helge Braun, räumt ein, dass ihm "weder die individuellen Dosis-Preise der verschiedenen Impfstoffe bekannt sind noch die weiteren Vertragsklauseln". Die genauen Preise für die Impfstoffe liegen inzwischen in der so genannten Geheimschutzstelle des Deutschen Bundestags.
Wie das Ministerium auf Nachfrage mitteilt, hat Deutschland seit Beginn der Pandemie 672 Millionen Corona-Impfstoff-Dosen bestellt. Umgerechnet bedeutet das, dass für jeden Einwohner in Deutschland vom Säugling bis zum Greis gut acht Impfstoff-Dosen bestellt wurden. Braun geht davon aus, dass Deutschland noch für das laufende Jahr 2023 Abnahmeverpflichtungen bei Corona-Impfstoffen im Wert von zwei Milliarden Euro habe. "Das ist absehbar viel zu viel, so dass mit der Vernichtung eines Großteils der Lieferung gerechnet werden müsste", sagte Braun. Der heutige Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) bemüht sich nach eigenen Angaben wie auch andere EU-Gesundheitsminister seit einigen Wochen darum, die Bestellungen bei den Herstellern deutlich zu reduzieren.
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