Berlin. Der Vorsitzende des Bundeswehrverbandes, André Wüstner, hat vor der Gefahr eines russischen Angriffs gewarnt und die unzureichende Ausstattung der deutschen Streitkräfte kritisiert. "Ich halte es für gut möglich, dass Putin über kurz oder lang sogar eine räumlich begrenzte konventionelle Auseinandersetzung - einen Krieg - mit einem Bündnispartner, und damit mit uns, führt. Ich frage: Wie sind wir darauf vorbereitet? Ich fürchte: schlecht", sagte Wüstner den Zeitungen der Funke-Mediengruppe (Donnerstagausgaben).
"Die Bedrohungslage für das Bündnis und damit für Deutschland ist äußerst angespannt", fügte Wüstner hinzu. "Wir brauchen eine höhere Geschwindigkeit im Zulauf von Hardware, Munition und Waffensysteme, Logistik, sanitätsdienstliche Unterstützung." Es gelte noch immer, was die Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages, Eva Högl (SPD), bereits im letzten Jahresbericht beschrieben habe: "Es fehlt nahezu an allem."
Der Chef des Bundeswehrverbandes forderte "schnellstens" eine Tagung des Bundessicherheitsrates und des Koalitionsausschusses. Diese müssten sich mit den "möglichen Worst-Case-Szenarien der nächsten Jahre" auseinandersetzen und konsequent Schlüsse ziehen. "Es muss zwingend in die bereits laufenden Haushaltsverhandlungen eingegriffen und der Verteidigungsetat für 2024 signifikant angehoben werden", betonte Wüstner. "Die Kapazitäten der Rüstungsindustrie Deutschlandes müssen derart erhöht werden, dass wir mit Blick auf Munition und Ausstattung endlich wieder ‚vor die Welle‘ kommen."
Wüstner übte scharfe Kritik an der Umsetzung der von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) am 27. Februar 2022 - drei Tage nach Beginn des russischen Einmarsches in die Ukraine - angekündigten "Zeitenwende". "Es kann nicht sein, dass uns die Welt um die Ohren fliegt, und wir einfach weiter machen wie bisher! Die Zeitenwende, soweit sie die Bundeswehr betrifft, vollzieht sich in Zeitlupe", rügte Wüstner. Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) habe zehn Milliarden Euro mehr für den Verteidigungshaushalt verlangt - und sei damit in der Ampelkoalition gescheitert. "Das Ergebnis: Die qualitative Einsatzbereitschaft der Bundeswehr fällt immer weiter. Wir sind weit davon entfernt, die Ankündigung von Bundeskanzler Scholz, bald die größte konventionelle Armee im Rahmen der Nato zu stellen, einzuhalten, von den Nato-Verpflichtungen ab 2025 ganz zu schweigen", so Wüstner.
Deutschland habe in der Vergangenheit zu passiv auf globale Krisen und Kriege zu passiv reagiert. Wenn die Ampel jetzt nicht handele, "werden wir uns später fragen müssen, weshalb wir im Herbst 2023 weiter im Schlafwandel-Modus agiert haben", erklärte der Vorsitzende des Bundeswehrverbandes. "Wir müssen jetzt erkennen, dass wir uns von einer Epoche des Friedens in eine Zeit der kriegerischen Auseinandersetzung bewegen. Wir müssen jegliche Naivität ablegen und endlich wieder verteidigungs- und abschreckungsfähig werden."
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