Berlin. Unionsfraktionschef Friedrich Merz hält nach der Reichsbürger-Razzia ein AfD-Verbotsverfahren nicht für sinnvoll. Das sagte er dem Fernsehsender "Welt".
"Ich erinnere an das Verbotsverfahren gegen die NPD, das den Bundestag und den Bundesrat jahrelang beschäftigt hat. Das im ersten Durchgang gescheitert ist, vor dem Bundesverfassungsgericht. Und das dann anschließend irgendwann irgendwie erfolgreich war", so Merz. "Und haben wir das Problem gelöst? Es ist eigentlich größer als vorher."
Er halte von solchen Verbotsverfahren gar nichts. "Das ist eine abstrakte Möglichkeit, die nach unserer Verfassung eröffnet ist, aber mit einem förmlichen Verbot einer Partei schaffen Sie doch die Menschen nicht aus dem Land, die einer solchen Partei angehören, ändern Sie doch an deren Gesinnung nichts. Die organisieren sich am nächsten Tag neu und sind in einer anderen Partei. Und dann geht das Spiel von vorne los", sagte der CDU-Chef.
Man müsse sich mit den Reichsbürgern politisch auseinandersetzen, nicht juristisch, so Merz. Eine Verschärfung des Waffenrechts kann er sich durchaus vorstellen - allerdings nur, wenn die Waffen der Reichsbürger tatsächlich auf Basis des geltenden Waffenrechts erworben und gehalten wurden. "Wenn sich herausstellen sollte, dass hier Leute aus dieser Szene in den Besitz von Waffen gekommen sind, legal in den Besitz von Waffen gekommen sind, dann muss man das in der Tat überprüfen." Das alleine werde aber nichts nützen, so Merz: "Ich warne uns nur vor dem Irrtum, zu glauben, wenn man diesen Leuten die Waffen abnimmt, hat sich ihre Gesinnung geändert - das ist doch das eigentliche Problem."
Der CDU-Chef verteidigte sein tagelanges Schweigen zur Großrazzia gegen die Reichsbürgerszene. "Ich äußere mich nicht zu Dingen, die ich nicht abschließend beurteilen kann", so Merz. "Ich habe abgewartet bis der Innenausschuss und der Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages gestern auf unseren Antrag hin Sondersitzungen durchgeführt haben, um die Sachverhalte zu klären." Er stütze sich nicht auf Medienberichte, sondern wolle die Hintergründe wissen.
"Und dann äußere ich mich dazu. Und das habe ich gestern getan", sagte der CDU-Politiker. Den Vorwurf von Grünen-Chefin Ricarda Lang, er habe ein politisches Signal gesetzt, indem er sich zwar schnell zur Last Generation-Razzia geäußert, bei den Reichsbürgern aber abgewartet habe, wies er zurück: "Das ist Ihre Unterstellung, das muss ich hiermit klar und deutlich zurückweisen. Das ist eine Frechheit und eine Unverschämtheit, so etwas zu sagen", so Merz.
Er äußere sich zu diesen Sachverhalten, wenn er sie kenne und wenn er sie beurteilen könne. Es habe auch Tage gedauert, bis er sich zur "Letzten Generation" geäußert habe. "Dann allerdings genau so klar und genauso deutlich wie zu den Reichsbürgern", sagte Merz. Bei der Razzia in der sogenannten "Reichsbürger"-Szene war eine ehemalige AfD-Abgeordnete festgenommen worden.
Auch am versuchten Sturm auf den Reichstag am 29. August 2020, bei dem Absperrgitter vor dem Gebäude überwunden worden waren, hatten zahlreiche Personen mit Reichsflagge teilgenommen. Zuvor hatte die AfD zu den Demonstrationen in Berlin aufgerufen.
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