Berlin. Im Vorfeld des für Montag am Landgericht Rottweil anberaumten Schadenersatzprozesses gegen den Impfstoffhersteller Biontech hat das Bundesgesundheitsministerium (BMG) die exakte Zahl der vor Gericht anhängigen Schadenersatzklagen gegen Impfstoffhersteller veröffentlicht. "Derzeit sind 209 Schadensersatzbegehren gegen die Hersteller von Covid-19-Impfstoffen vor Gericht anhängig", teilte das BMG auf Anfrage der "Welt am Sonntag" mit.
Die Anzahl der Prozesse ist dem Ministerium auch deshalb bekannt, weil die Bundesrepublik Deutschland die Rechtsanwaltskosten und mögliche Schadenersatzforderungen für die Herstellerfirmen weitgehend trägt. Dazu ist die Bundesrepublik gemäß den Verträgen mit den Impfstoffherstellern verpflichtet, welche die EU-Kommission während der Pandemie geschlossen hat. Anwälte der möglicherweise impfgeschädigten Kläger kritisieren die staatliche Kostenübernahme als Nachteil für die Kläger in den anlaufenden Prozessen. "Der Staat nimmt in den Covid-19-Prozessen eine Doppelrolle ein, die problematisch ist", sagte der Wiesbadener Rechtsanwalt Joachim Cäsar-Preller, der den Kläger im Rottweiler Prozess gegen Biontech vertritt. Der Düsseldorfer Rechtsanwalt Tobias Ulbrich, der nach eigenen Angaben rund 1.500 Mandanten in der Angelegenheit vertritt, befürchtet durch die staatliche Kostenübernahme Auswirkungen auf die anlaufenden Schadenersatzprozesse. "Die Hersteller haben aufgrund der staatlichen Bezahlung ihrer Anwälte nicht das geringste Interesse, einen Vergleich zu schließen", sagte Ulbrich in der "Welt am Sonntag". Kathrin Vogler, gesundheitspolitische Sprecherin der Linken, nannte es verständlich, "dass der Staat in der Pandemielage den Herstellern das Haftungsrisiko weitgehend abgenommen hat, um die Versorgung der Bevölkerung mit Impfstoffen sicherzustellen". Allerdings sorge das bei den Betroffenen dafür, "dass sie sich einer kaum überwindbar erscheinenden Phalanx von Anwälten und Gutachtern entgegensehen, die sie im Auftrag der Rechtsabteilungen der Konzerne, aber auf Kosten der Steuerzahlenden, in einen Kampf David gegen Goliath drängen", so Vogler. Zudem kritisierte sie, dass der Staat hier vollständig an der Seite der Konzerne stehe und den Bürgern bestenfalls nach einer Einkommensprüfung Rechtsberatungshilfe zukommen lasse. Dies "verschärft diese Schräglage und bedarf dringender Korrektur", so Vogler.
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