Die Wölfe kommen - Soll man die Gefahr für Weidetiere stoppen?

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Der Wolf ist auf dem Vormarsch und wird zur Gefahr für Weidetiere. Die Frage, ob man ihn zum Schutz von Ziegen, Schafen und Rindern präventiv abschießen sollte erhitzt immer wieder die Gemüter. Foto: Pixabay
Der Wolf ist auf dem Vormarsch und wird zur Gefahr für Weidetiere. Die Frage, ob man ihn zum Schutz von Ziegen, Schafen und Rindern präventiv abschießen sollte erhitzt immer wieder die Gemüter. Foto: Pixabay

Region. Das „Aktionsbündnis aktives Wolfsmanagement“ demonstrierte am Dienstag für seine Forderung nach einem aktiven Schutz von Weidetieren vor dem Landtag. Hierzu zähle die Jagd auf den Wolf in den Hochburgen mit Wolfsrissen. Auch in unserer Region ist die Zahl der von Wölfen gerissenen Weidetiere drastisch gestiegen. Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland BUND sieht in der Forderung des Bündnisses jedoch einen Angriff auf das Räuber-Beute-Gefüge unserer Tierwelt. Wie gefährlich wird uns der Wolf wirklich?


In unserer Regionriss der Wolf allein in diesem Jahrin den Bereichen Gifhorn und Wolfsburg13 Schafe und verletzte sechs weitere. Hinzu kommt ein verschollenes Rind. Dies geht aus Zahlen des Niedersächsischen Ministeriums für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz hervor. Dem entgegen stehen dieZahlen des Vorjahres 2018: In Gifhorn waren lediglich zwei tote Ziegen nach einem Wolfsangriff zu beklagen. Fünf weitere Tieregelten als verschollen. Zu beachten ist: Hierbei handelt es sichlediglich um die Fälle, bei denen ein Wolf mit großer Wahrscheinlichkeit als Täter ermittelt werden konnte. Bei vielen Fällen in 2019 steht diese Beurteilung sogar noch aus - die Zahl der tatsächlichen Angriffe steht für dieses Jahr also noch nicht einmal fest. Weidetierhalter in anderen Regionen - vorwiegend im norddeutschen Tiefland -hat es deutlich schlimmer getroffen.

Bürokratie verursacht Frust und Resignation


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Weidetierhalter überreichten am Dienstag in Hannover eine Petition an den Landesumweltminister Olaf Lies - sie fordern ein besseres Wolfsmanagement. Foto:



Vor dem Hintergrund dieser Entwicklungen überreichten die Weidetierhalter bei der Demonstration „Weidetiere retten, Schutzjagd jetzt!“ vor dem niedersächsischen Landtag in Hannover nun eine Petition an die Regierungsvertreter. „Monitoring und Schutzzäune sind lobenswerte Begleitmaßnahmen. Sie reichen aber bei weitem nicht, um Weidetiere erfolgreich gegen Wolfsübergriffe zu schützen“, erklärte Landvolk-Vizepräsident Jörn Ehlersin einer Pressemitteilung. Ehlers führt ein Beispiel an:
„Die jüngsten Vorfälle in Löningen, wo dem Deichschäfer sechs Schafe gerissen, 45 Lämmer totgeboren und weitere 5 Schafe schwer verletzt wurden, zeigen, wie sehr der Druck auf die Weidetierhalter durch den Wolf zunimmt. Die Verantwortlichen in der Politik nehmen diesen offenbar nicht wahr, die Weidetierhalter werden mit ständig steigenden Risszahlen allein gelassen. Monatelanges Warten bis der Förderantrag bearbeitet wird sowie komplizierte und fragwürdige DNA-Analysen, von denen die Auszahlung abhängig gemacht wird, führen zu Frust und Resignation und letztendlich zur Aufgabe der Weidetierhaltung“

Das Aktionsbündnis bezieht sich damit auf Fördergelder für Wolf-abweisende Einzäunungen, Herdeschutztiere undweitereMaßnahmen.Die Fördermittel für Weidetierhalter stammen aus EU-Mitteln, die von Haltern allerdings beimNiedersächsischen Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) beantragt werden müssen. Hier startet ein langwierigerProzess, der von den Weidetierhaltern als zu bürokratisch empfunden wird.

Abschussregelungen wurden bereits gelockert


Im Bündnis fordert man nun ein echtes Wolfsmanagement inklusive Bestandsregulierung für Niedersachen und auf Bundesebene. Der gezielte und unbürokratische Abschuss auffälliger Wölfe, die systematisch Nutztiere erbeuten, soll damit ermöglicht werden. Dazu müssten Gesetze angepasst und der Wolf dem Jagdrecht unterstellt werden. Im Mai dieses Jahres wurde dazu bereits ein Gesetz im Bundestag auf den Weg gebracht. Dieses sehe nach Informationen des NDR unter anderem vor, das nach Nutztierschäden auch Wölfe geschossen werden dürfen, wenn Unklarheit über das verantwortliche Tier herrscht. Das könne allerdings auch bedeuten, dass ein ganzes Rudel geschossen wird, heißt es in den Erläuterungen. Jedoch gibt es die Einschränkung, dass jeder Abschuss einzeln von den Behörden genehmigt werden muss.

"Der Wolf ist streng geschützt"


Der "präventive" Abschuss von Wölfen, mit dem sich Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöcknerbei dem im Mai auf den Weg gebrachten Gesetzentwurf nicht durchsetzen konnte, bleibt also mit dem Gesetz unvereinbar. Dies schließe laut Tonja Mannstedt, Sprecherin des BUND in Niedersachsen auch die Forderung nach "Wolfs-freien Zonen" aus, welche in verschiedenen Pressemitteilungen des Landvolkes laut wird. Die Sprecherin erklärt:
"Der Wolf ist durch internationale und nationale Gesetze streng geschützt. Nur durch diesen umfassenden Schutz können sich Arten, die über Jahrzehnte oder gar Jahrhunderte in Deutschland ausgerottet waren, langsam wieder etablieren." ... "Der Wolf ist Bestandteil der mitteleuropäischen Natur und Landschaft. Er spielt eine wichtige Rolle im Räuber-Beute-Gefüge unserer Tierwelt. Sein Schutzstatus darf daher – trotz oder gerade wegen der hitzigen Debatten in Niedersachsen – nicht herabgesetzt werden. Die Rückkehr des Wolfes stellt die Weidetierhaltung ohne Zweifel vor große Herausforderungen. Es ist unsere gemeinsame gesellschaftliche Aufgabe, für ein Zusammenleben mit dem Wolf Lösungen zu finden, die auch für Nutztierhalterinnen und Halter tragbar sind."

"Hilfe muss zügig und unbürokratisch ankommen"


Beim BUND hält man die auf Bundesebene im Naturschutzgesetz getroffenen Regelungen für ausreichend. Statt der Jagd auf die Vierbeiner empfehle man aber eher die Abschreckung: "Wölfe, die aus unterschiedlichen Gründen ein auffälliges Verhalten zeigen, distanzlos gegenüber Menschen sind oder gelernt haben, Schutzmaßnahmen für Nutztiere zu überwinden, müssen frühzeitig durch Vergrämungsmaßnahmen abgeschreckt werden. Die Entnahme von Einzeltieren darf nur als letztes Mittel im Rahmen der bestehenden Gesetze angewendet werden." Bei den großen Hürden für Weidetierhalter stimmt die BUND-Sprecherin mit dem Landvolk überein: "Die EU-rechtlichen Hürden für die Förderung von Herdenschutzmaßnahmen sind mittlerweile ausgeräumt. Nun muss sichergestellt werden, dass diese Hilfe auch zügig und unbürokratisch bei den Weidetierhalterinnen und Haltern ankommt, damit ihr Unmut auf den Wolf nicht wächst, sondern die Akzeptanz erhöht wird."

Gefahr für Menschen ist minimal


Bei den hohen Zahlen gerissener Weidetiere in Niedersachsen stellt sich die Frage, ob der Mensch vor dem Wolf sicher ist. Der BUND kann in dieser Angelegenheit beruhigen:
Wölfe verhalten sich von Natur aus vorsichtig dem Menschen gegenüber, weshalb sie selbst in unserer Kulturlandschaft eine Begegnung mit den Menschen meiden. Angriffe von Wölfen auf Menschen sind daher ausgesprochen selten und treten nicht spontan auf. Ursachen für Wolfsangriffe sind Tollwut, Provokation oder Futterkonditionierung.Durch ihre Körpergröße und Kraft können Wölfe Menschen in bestimmten Situationen verletzen, in Extremfällen sogar töten. Die Angst vieler Menschen vor dem Wolf steht jedoch in keinem Verhältnis zum objektiven Risiko eines Angriffes. Beherzigt man in der freien Landschaft den allgemeinen Grundsatz, sich Wildtieren nicht zu nähern und sie nicht zu füttern, geht von Wölfen nur eine sehr geringe Gefahr für den Menschen aus.

Wolfspopulationen vom Harz bis nach Braunschweig


Abgesehen von einem Rudel Wölfe im Kreis Gifhorn und einem bestätigten Paar zwischen Peine und Burgdorf kommt es in unserer Region regelmäßig zu Einzelsichtungen. Nach ganzen Rudeln sucht man aber in Südniedersachsen bisher vergeblich - für Tonja Mannstedt vom BUND ist das nur eine Frage der Zeit: "Die Wölfe in Deutschland gehören zur mitteleuropäischen Flachlandpopulation, die sich aber auch über die Mittelgebirge erstreckt. Faktoren, die eine Besiedlung von Südniedersachsen verhindern, gibt es meines Wissens nicht. Hier existieren genügend Wälder und andere siedlungsfreie Räume als Rückzugsorte. Und es gibt ja seit einigen Jahren bereits Nachweise einzelner Tiere, zum Beispiel bei Göttingen und im Harz", erklärt die Sprecherin und ergänzt: "Grundsätzlich besiedelt der Wolf für ihn geeignete Lebensräume nach und nach. Eine Besiedlung von Südniedersachsen ist vermutlich einfach noch nicht erfolgt."


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