Drittes Trockenjahr in Folge - Was uns blüht wenn dem Harz das Wasser ausgeht

Ab Mitte Oktober schon könnten die Harzwasserwerke die Wasserabgabe aus den Talsperren reduzieren, um mehr Trinkwasser produzieren zu können. Für die Oker, die Aller und die Leine könnte das einen spürbar fallenden Wasserpegel bedeuten.

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Dr. Christoph Donner, technischer Leiter der Harzwasserwerke und Frank Eggelsmann, Mitarbeiter im Bereich Wasserwirtschaft auf der Staumauer der nur noch zu einem Drittel gefüllten Innerstetalsperre.
Dr. Christoph Donner, technischer Leiter der Harzwasserwerke und Frank Eggelsmann, Mitarbeiter im Bereich Wasserwirtschaft auf der Staumauer der nur noch zu einem Drittel gefüllten Innerstetalsperre. | Foto: Marvin König

Goslar. Wenn im Sommer Kanufahrer auf der Oker Sport betreiben und Spaziergänger das kühle Nass in den hiesigen Parkanlagen genießen, sollten sie dabei an die Talsperren im Harz denken. Denn 30 bis 40 Prozent des Wassers in der Oker stammen aktuell aus der Okertalsperre. Das ist nur eines von vielen Beispielen, was die Harzwasserwerke derzeit für die Region leisten. Doch das Blatt könnte sich wenden. Sollten keine Niederschläge kommen, müssten die Harzwasserwerke die Notbremse ziehen. Das könnte schon in Kürze Folgen für die Flüsse in der ganzen Region haben.


"Rund 1,3 Kubikmeter pro Sekunde fließen aus der Okertalsperre im Moment in die Oker", erklärt der technische Geschäftsführer der Harzwasserwerke, Christoph Donner und fügt hinzu: "Diese Wasserabgabe ist wichtig um Flusssysteme wie auch die Aller und die Leine mit Wasser zu versorgen, damit die nicht trocken fallen. Und wir haben diese Flusssysteme in den letzten drei Jahren auf einen Füllstand von 80 bis 90 Prozent angehoben." Dies habe Auswirkungen für die ganze Region - von Braunschweig, nach Wolfsburg, bis hin nach Hannover. Donner verdeutlicht, dass diese regulierende Wirkung der Talsperren immer wichtiger wird: "Wir haben in einer Trockenwetterperiode wie jetzt einen sehr geringen Zufluss. Und wenn wir dann einmal einen starken Zufluss aufgrund eines Starkregenereignisses haben, wäre Braunschweig vielleicht wieder von einem Hochwasserszenario getroffen worden. Aber ohne unsere Niedrigwasseraufhöhung derzeit wäre die Oker im Prinzip nur noch ein trockener Bachlauf."

Die Okertalsperre, hier ein Foto aus dem Frühjahr - Durch ihren Einfluss ist der Wasserpegel der Oker in Wolfenbüttel und Braunschweig stabil.
Die Okertalsperre, hier ein Foto aus dem Frühjahr - Durch ihren Einfluss ist der Wasserpegel der Oker in Wolfenbüttel und Braunschweig stabil. Foto: Marvin König



Maßnahmen zur Sicherstellung der Trinkwasserversorgung


Doch so hypothetisch dieses Szenario auch scheint, ist es nicht in so weiter Ferne. „Bereits das dritte Jahr in Folge sind unsere Talsperren unterdurchschnittlich gefüllt und bewegen sich knapp unter dem Niveau von 2018“, sagt Christoph Donner. Sein Kollege Frank Eggelsmann verdeutlicht die aktuelle Lage: Seit 2018 fehlen durchschnittlich 50 Prozent der jährlichen Niederschlagsmengen. Bei den Harzwasserwerken habe man aus diesem Grund schon früh Vorkehrungen getroffen. "Zum Beginn des Wasserwirtschaftsjahres im November 2019 haben wir zwölf Millionen Kubikmeter Wasser von der Innerstetalsperre in die Granetalsperre gepumpt in der Voraussicht, dass es auch dieses Jahr wieder zu einem solchen Trockenjahr hätte kommen können. Und wir sehen, es ist dazu gekommen." Die Granetalsperre wurde zur primären Trinkwassertalsperre im Harz erhoben, die Ecker- und Sösetalsperre als weitere Trinkwasserreservoirs im Südharz schone man aktuell.

Schon Mitte Oktober könnten die Flusspegel fallen


Frank Eggelsmann ist seit 40 Jahren bei den Harzwasserwerken tätig. Er erinnert sich an das Winterhochwasser 1981, damals seien Schneelagen bis zu zwei Metern noch normal gewesen. Ebenso seien die Talsperren rund zweimal im Jahr für den Hochwasserschutz herangezogen worden. Etwa seit 2007 sei das kaum noch der Fall. Und so müssen die Harzwasserwerke laut Frank Eggelsmann zu drastischen Maßnahmen greifen: "Wir haben bei der Talsperrenaufsicht Sonderbetriebspläne beantragt. Es ist dann so, dass wenn wir bestimmte Pegelstände erreichen wir die Unterwasserabgabe reduzieren, damit wir das Wasser, was in den Anlagen ist länger zur Verfügung haben." Eggelsmann trifft eine Prognose: "Das sind die Dinge, die dann wahrscheinlich nach den aktuellen Hochrechnungen Mitte Oktober bis Mitte November auftreten könnten. Wir haben keine großen angekündigten Niederschlagsmengen für die kommenden 14 Tage." Infolge der aktuellen Situation könnte der aktuell noch hohe Pegel der Flusssysteme Oker, Aller und Leine nicht mehr aufrechterhalten werden.

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Die Notfallreserve unserer Vorfahren


Ganz leerfallen werden die Talsperren voraussichtlich nicht. Christoph Donner betont, dass die Versorgungssicherheit gewährleistet sei: "Wir haben einen Betriebsstauraum. Der wird geschützt bis zum Letzten. Die Trinkwassertalsperren haben derzeit noch einen Füllstand von zusammengenommen 58 Prozent." Das Betriebsregime zwischen den Talsperren sei als Vorsichtsmaßnahme sehr stark zugunsten der Trinkwassertalsperren (Grane- Ecker- und Sösetalsperre) geändert worden. Doch was, wenn es doch knapp wird?

"Letztes Jahr kam das Oberharzer Wasserregal als Thema auf mit der Frage, ob wir etwas aus den Teichen nehmen können. Das ist eine Notfallreserve, die wir eng in Abstimmung mit Aufsichtsbehörden nehmen können. Das Wasser könnte teilweise in die Innerste eingeleitet und dann in die Granetalsperre überführt werden", erklärt Christoph Donner. Dies sei jedoch keine einfache Aufgabe: "Das ist keine technische Anlage wo man einfach den Stöpsel zieht. Das ist ein 300 Jahre altes System und wir diskutieren mit dem Landkreis genau, unter welchen Rahmenbedingungen das erfolgen könnte." Hierbei seien auch die Belange der betroffenen Ökosysteme zu berücksichtigen.

Dr. Christoph Donner erklärt den anwesenden Pressevertretern die Auswirkungen des Klimwandels auf die Talsperren im Harz.
Dr. Christoph Donner erklärt den anwesenden Pressevertretern die Auswirkungen des Klimwandels auf die Talsperren im Harz. Foto: Marvin König



Man könnte neue Talsperren bauen


Donner fasst zusammen: "Die Botschaft ist: Normalerweise ist die Versorgungssicherheit gegeben, aber im Rahmen vom Klimawandel wird es wichtig sein, sich auf bestimmte Szenarien einzustellen. Die Frage ist, kriegen wir drei, vier, oder fünf trockene Jahre hintereinander und kriegen wir dann zwei nasse Jahre, wo wir Hochwasserschutz leisten müssen, damit nicht alles überflutet wird. Das wird die neue Normalität in Niedersachsen sein."

"Die Botschaft ist: Normalerweise ist die Versorgungssicherheit gegeben, aber im Rahmen vom Klimawandel wird es wichtig sein, sich auf bestimmte Szenarien einzustellen."

- Dr. Christoph Donner, Harzwasserwerke



2018 wurde mit massiver finanzieller Unterstützung aus EU-Fördermitteln das Forschungsprojekt "Energie- und Wasserspeicher Harz" gestartet. Hintergrund genau dieser Forschungsarbeiten sind die Auswirkungen von Extremwettersituationen und was man diesen entgegenstellen kann. Involviert sind auch die Technische Universität (TU) Clausthal, die TU Braunschweig und die Hochschule Ostfalia. "Es wird geprüft, an welchen Standorten man durch neue Stollen und Querverbindungen und durch die Erhöhung von Dämmen die Speicherfähigkeit des Mittelgebirges Harz weiter ausbauen kann", erklärt Donner und ergänzt: "Auch wenn das ein emotionales Thema ist, auch der Neubau von Talsperren könnte hier eine Rolle spielen." Aktuell hoffe man, dass bis spätestens zum Jahr 2023 Fakten aus diesem Forschungsprojekt vorliegen, auf dessen Basis man über weitere Schritte diskutieren kann. "Da hängt vieles dran und es ist nicht ganz einfach. Wir müssen umdenken", mahnt Donner.

Was bringt der Speicher, wenn es trocken bleibt?


Doch eine Frage stellt sich hierbei: Was sollen die neuen Speichersysteme speichern, wenn die Niederschläge ausbleiben? Donner holt zur Beantwortung dieser Frage aus: "Wenn das hier jetzt ein komplett arides Gebiet wird, sozusagen Niedersachsens Sahara, dann könnte man fragen ob es überhaupt Sinn ergibt, noch Talsperren zu haben. Aber der Klimawandel ist ganz anders geprägt. Man dachte immer der Klimawandel bedeutet, dass wir wärmere Winter mit weniger Schnee haben und dafür mehr Niederschläge im Sommer, dann wäre die Niederschlagsbilanz ausgeglichen - Das ist sie aber nicht. Sie ist negativ."

"Wenn demnächst mal über mehrere Wochen ein norddeutsches Tiefdruckgebiet über dem Harz hängt, und das Harzvorland geflutet wird, dann wird allen wieder klar, warum unsere Vorfahren hier an diesen Stellen Hochwasserschutzräume gebaut haben."

- Dr. Christoph Donner, Harzwasserwerke



Die Speichersysteme für sich helfen also nicht gegen die Trockenheit. Doch ein anderes Szenario können sie ausgleichen: "Wenn demnächst mal über mehrere Wochen ein norddeutsches Tiefdruckgebiet über dem Harz hängt, und das Harzvorland geflutet wird, dann wird allen wieder klar, warum unsere Vorfahren hier an diesen Stellen Hochwasserschutzräume gebaut haben. Und dann wird einem auch klar wie viel volkswirtschaftliches vermögen geschützt wird durch diese Hochwasseranlagen. Und dazu kann ich einfach nur sagen: Es wird so weit kommen!"

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