Dürre und Flutkatastrophen: TU Braunschweig untersucht Extremwetter

"Entgegengesetzte Extreme gleichen sich nicht aus", die TU Braunschweig beschäftigt sich mit extremen Wetterereignissen.

Die Okertalsperre im Harz im Oktober 2022: Anhaltende Trockenheit führt zu niedrigem Wasserstand und Baumsterben, was wiederum die Böden anfälliger und weniger aufnahmefähig für Niederschläge macht.
Die Okertalsperre im Harz im Oktober 2022: Anhaltende Trockenheit führt zu niedrigem Wasserstand und Baumsterben, was wiederum die Böden anfälliger und weniger aufnahmefähig für Niederschläge macht. | Foto: Sándor Fekete/TU Braunschweig

Braunschweig. Beim globalen Klimawandel gehe es nicht nur um einen Anstieg der Durchschnittstemperatur, sondern vor allem um die Verstärkung der Extreme: Selbst in den „gemäßigten Breiten“ Mitteleuropas nehmen sowohl Trockenheit wie im Dürre-Sommer 2022, als auch Starkregenereignisse wie bei der Flutkatastrophe des Sommers 2021 in der Eifel und im Ahrtal dramatisch zu. Das in diesem Jahr unter der Federführung der Technischen Universität Braunschweig gestartete Forschungsprojekt EXDIMUM (Extremwettermanagement mit digitalen Multiskalen-Methoden) beschäftigt sich mit einem Spektrum komplexer Herausforderungen, die durch diese Extremwetterlagen entstehen. Es ist eines von nur 12 aus 160 eingereichten Projekten, die im Rahmen des Förderprogramms Wasser-Extremereignisse (WaX) vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert werden. Es hat eine Laufzeit von drei Jahren und ein Fördervolumen von gut 3 Millionen Euro. Dies teilt die TU Braunschweig in einer Pressemitteilung mit.



Beteiligt sind neben Prof. Sándor Fekete aus der Abteilung Algorithmik und Prof. Jochen Steil vom Institut für Robotik und Prozessinformatik der TU Braunschweig auch die TU Clausthal und die Universität Kiel sowie Partner aus der Wirtschaft: die Eurawasser Betriebsführungsgesellschaft mbH, die Remondis Aqua Industries, die DSI Aerospace Technologie GmbH, die AMENO GmbH sowie Planet Labs PBC und SCALGO.

Entgegengesetzte Extreme gleichen sich nicht aus


„Die Entwicklung, dass Extremwetterereignissen immer häufiger auftreten, spielt sich gleichzeitig auf verschiedenen und oft entgegengesetzten Skalen ab“, erklärt Prof. Sándor Fekete. Dabei sei extreme Trockenheit ein längerfristiger Prozess, der sich über größere Regionen erstrecke. Hochwasser hingegen würden oft kurzfristig und stärker lokalisiert auftreten. Umgekehrt könnten bei Überflutungen bereits kleine lokale Unterschiede im Gelände, beispielsweise ein durch Totholz blockierter Bach oder ein neu zu errichtender Damm, drastische Unterschiede im Abfluss von Niederschlägen für eine ganze Region bewirken.

Entgegengesetzte Extreme gleichen sich dabei keineswegs aus, sondern können sich gegenseitig weiter verstärken, so Fekete: „Anhaltende Trockenheit beeinträchtigt die Vegetation und die Beschaffenheit des Bodens, der weniger aufnahmefähig und erosionsresistent wird. Bei Starkregen fließt damit nicht nur mehr Wasser oberflächlich ab und richtet am Boden Schaden an, sondern es bleibt auch weniger Wasser im Boden zurück, was wiederum das Nachwachsen von Vegetation beeinträchtigt.“

Alarmzeichen im Harz erkennbar


Im Harz, dem höchstem Mittelgebirge Norddeutschlands, werden diese Probleme besonders deutlich. Lag in Braunlage der durchschnittliche Jahresniederschlag zwischen den Jahren 1990 und 1999 noch bei 1350 Millimeter und von 2000 bis 2009 bei 1360 Millimeter, waren es zwischen 2010 und 2019 nur noch 983 Millimeter. „Wenn man sie denn beachtet, sind die Folgen in einer Naturlandschaft früher in vollem Umfang erkennbar als bei land- und kulturwirtschaftlich bewirtschafteten Flächen, wo sich zum Beispiel mit intensiver Grundwasserbewässerung die Problematik länger überdecken und ignorieren lässt“, sagt Prof. Fekete.

Auch am anderen Ende der Skala gebe es im Harz klare Alarmzeichen, erläutert der Wissenschaftler: „Trotz der Möglichkeit, Hochwasserspitzen mit Talsperren schützend abzudämpfen, überschwemmten bereits 2014 und 2017 nicht mehr beherrschbare Flutwellen das Umland. Wie bei der Flutkatastrophe in der Eifel und im Ahrtal 2021 deutlich wurde, lassen sich dabei konkreter Ort und Zeitpunkt solcher Extremwetterlagen nur relativ kurzfristig erkennen.“ Selbst bei funktionierenden Hilfsstrukturen könnten so kaum noch größere Schutzmaßnahmen umgesetzt werden, wenn nicht schon im Vorfeld passende Maßnahmen zur Katastrophenminderung geplant waren. Entsprechend wichtig sei es daher, umfassende Szenarien zur Verfügung zu haben, um im Ernstfall wirksam reagieren zu können. Diese sollen im Rahmen von EXDIMUM erarbeitet werden.

Simulation möglicher Extremwetterlagen


Im Projekt kommen dafür Methoden der Informatik und der Informationstechnik unter Nutzung unterschiedlicher Datenquellen zum Einsatz. So verbindet die Modellierung zur Ausbreitung von Niederschlägen topographische Informationen mit Angaben zur Landnutzung, dem Zustand der Vegetation und Daten zur Bodenfeuchte. „Wir kombinieren räumlich und zeitlich hochaufgelöste Luftbilder mit Referenzwerten bodenbasierter Sensoren. Mit dem so erzeugten digitalen Abbild der Realität können neuartige Methoden der Künstlichen Intelligenz nicht nur bestehende Zusammenhänge erkennen, sondern mit Hilfe eines in verschiedenen Raum- und Zeitdimensionen arbeitenden Modells auch den jeweiligen Systemzustand abbilden“, so Fekete.

Ziel der Forschenden sei es, Prognosen und Handlungsempfehlungen für Netzbetreiber und Flussgebietsmanager abzuleiten. Dafür sollen durch die Simulation möglicher Extremwetterlagen, wie bei großen Niederschlagsmengen, bereits im Vorfeld aussichtsreiche Handlungsansätze identifiziert und getestet werden. Das könnte zukünftig dabei helfen, den Ablauf von Flutkatastrophen wie im Ahrtal besser vorherzusagen und Menschenleben zu retten.


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