"Erinnerer" Jürgen Kumlehn will ein Archiv für alle

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Jürgen Kumlehn wünscht sich ein Kreisarchiv, in dem irgendwann einmal auch seine Sammlungen Platz finden. Fotos: Anke Donner
Jürgen Kumlehn wünscht sich ein Kreisarchiv, in dem irgendwann einmal auch seine Sammlungen Platz finden. Fotos: Anke Donner | Foto: Anke Donner

Wolfenbüttel. Er nennt sich selbst „Der Erinnerer“, wird von vielen als Querkopf wahrgenommen, oft angefeindet und manchmal auch bewundert: Jürgen Kumlehn. In seinem Haus hat er in mehr als fünf Jahrzehnten ein unfassbares Archiv geschaffen. Dies, so wünscht er sich, soll eines Tages allen Menschen zugänglich sein. Ein Ort, wo sein Sammelsurium untergebracht werden könnte, ist das Kreisheimat-Archiv, das der Landkreis nun einrichten will.


Man kann über diesen Mann, der sich selber den Namen „Der Erinnerer“ verpasst hat, ja vieles sagen – unbequem, störrisch, besserwisserisch und provokant – doch man muss ihm auch zugestehen, dass er dort, in den „Katakomben“ seines Hauses, einen unfassbaren Wert an Geschichte aufbewahrt.In jedem Winkel seines Kellers stapeln sich Akten, Bücher und Zeitungsartikel, die Jürgen Kumlehn, wie er selber sagt, in akribischer Arbeit zusammengetragen hat. "Ich weiß, dass das schon etwas spinnerhaft ist. Und ich kann auch nicht damit aufhören. Das würde ja auch keinen Sinn machen", sagt er.

In seinem Haus hat Kumlehn archiviertes Material in tausendfacher Ausführung. Vor allem mit der jüdischen Geschichte in Wolfenbüttel beschäftigt sich Kumlehn ganz intensiv. "Ich bin manchmal selber ganz erstaunt darüber, was ich so alles habe. Wenn ich jemandem mein Archiv zeigen würde, also wirklich ausgiebig, dann würde das schon sicher einen Tag dauern", erklärt Jürgen Kumlehn gegenüber regionalHeute.de und muss selber schmunzeln, als er sich in seinem Keller umschaut.

Die Regale sind vollgestopft mit Büchern, an den Wänden hängen Bilder von jüdischen Familien, in den Schränken sind Mappen, Akten und Briefe. Seine gesammelten Werken breiten sich sogar bis in die erste Etage des Hauses aus. Denn auch im Arbeitszimmer und auf dem Flur stehen und hängen die Zeugen seiner Sammelleidenschaft. „Manchmal brauche ich selber Tage, um bestimmte Sachen zu finden“, gibt er lachend zu.

Doch Kumlehn sorgt sich um seine Schätze, die sich nicht nur um die jüdische Geschichte drehen, sondern sich beispielsweise auch mit der Asse befassen. Was soll aus dem Archiv werden, wenn der Erinnerer mal nicht mehr ist? Kumlehn träumt davon, dass seine Dokumente der Nachwelt dienen– beispielsweise jungen Menschen für Recherchen zur Verfügung stehen. Der Traum rückt nun in greifbare Nähe, denn der Landkreis hat vor, ein Kreisheimatmagazin zu errichten. Das wäre ganz nach Kumlehns Vorstellung. Allerdings nicht so, wie es die Kreisverwaltung nun plant (regionalHeute.de berichtete).

"Gute Idee, aber falscher Ansatz"


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Jürgen Kumlehn wünscht sich ein Archiv, das für alle leicht zugänglich ist. Foto: Anke Donner



Es seien gute Ansätze da, sagt Kumlehn. Aber die Ausarbeitung des Konzepts hapert seiner Meinung nach. Das würde schon damit anfangen, dass man, seiner Auffassung nach, nicht die richtigen Leute in der zuständigen Arbeitsgruppe zusammengeholt habe. Wichtiger sei doch laut Kumlehn, dass Leute aus dem Landkreis ein Konzept erarbeiten, auch Sammler wie er Teil einer solchen Arbeitsgruppe seien. Stattdessen hole man sich Leute aus Berlin ran. "Als ich die Ergebnisse des Workshops gesehen habe – unter anderem wurde vorgeschlagen, dass man aus dem Kreisarchiv ja auch eine Akademie machen könne – da wusste ich, dass ich da nicht hingehöre", sagt Kumlehn. Seine und die Vorstellungen der Arbeitsgruppe zum Heimatarchiv gehen da weit auseinander.

"Ich finde, man sollte hier nicht mit dem Dach anfangen. Sicher kann es sein, dass das Archiv in einigen Jahren mal so gut ist, dass es eine Akademie werden kann. Aber jetzt brauchen wir erst einmal einen Anfang. Wenn die Heimatstuben oder die kleinen Heimatmuseen so angefangen hätte, wie man das jetzt hier macht, dann hätte es die nie gegeben. Sowas muss wachsen. Das ist ein jahrelanger Prozess. Es wurde ja noch nicht einmal eruiert, wer da überhaupt Interesse hat. Von mir wissen sie das. Aber es gibt viele andere Leute, die etwas beitragen können und bestimmt auch wollen", sagt er.

Der Traum von der Samsonschule


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Jürgen Kumlehn sammelt alles, was mit seiner Heimatstadt Wolfenbüttel zu tun hat. Vor allem aber beschäftigt er sich mit der jüdischen Geschichte. Foto: Anke Donner



Sollte der Landkreis ein geeignetes Gebäude finden, und auch da hat Jürgen Kumlehn schon so seine Vorstellungen, würde er sein Archiv komplett abgeben. Nur wenige, ganz persönlich Dinge, würde er behalten. Das meiste habe er sowieso digitalisiert. Schön würde er es finden, wenn es in dem Kreismagazin dann Räume gibt, die nach den Leihgebern benannt werden. Also im Kumlehn-Fall wäre das dann der Kumlehn-Raum. "Das würde mir gefallen und so ungewöhnlich wäre das auch nicht. Ich würde mich freuen, wenn man das so handhabt", sagt der Erinnerer.

Ginge es nach Jürgen Kumlehn, sollte das Magazin oder Kreisarchiv eine Einrichtung werden, die ganz einfach zugänglich ist. Für jedermann. Es soll ein Ort sein, in dem man Geschichte erleben und erforschen kann. Wo sich - vor allem junge Menschen -ungehindert informieren können. Den Traum von der Samsonschule hat er noch nicht aufgegeben. "Das müsste aber aufwendig saniert werden und das Gebäude wäre auch viel zu klein, um dort ein ganzes Kreisarchiv unterzubringen. Aber den Teil, der sich mit der jüdischen Geschichte befasst, könnte man dort unterbringen. Ich wäre ja sogar bereit, mein Archiv aufzuteilen", sagt Jürgen Kumlehn im Gespräch mit regionalHeute.de.

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