München. Der Publizist Michel Friedman fordert angesichts der wachsenden Stärke der AfD ein geschlossenes Auftreten der anderen Parteien und der Gesellschaft. "Ich bin nicht mehr bereit, die Wähler solcher Parteien als Protestwähler zu verniedlichen und zu entschuldigen", schreibt Friedman in einem Gastbeitrag für den "Stern".
"Jeder von uns ist Zeuge, wie die Funktionäre der AfD geistige Brandstiftung betreiben. Warum, so frage ich mich, sind jene so leidenschaftlich, die die Demokratie abschaffen wollen? Warum nicht jene, die behaupten, Demokraten zu sein?" Es stelle sich die Frage, ob unter den 80 Prozent, die sich nicht zur AfD bekennen, viele "Gleichgültige" mitlaufen, "dekadente Nutznießer der Freiheit, die nur nehmen, aber nicht geben", so Friedman. "Wie kann es sein, dass die AfD voller Verachtung die Demokratie und ihre Institutionen mit Schmutz bewirft - und die Demokraten nicht in der Lage sind, sich mit Selbstbewusstsein für die Zukunft der Freiheit einzusetzen? Warum sind die einen so laut und die anderen so leise?" Friedman verwies auch auf das Beispiel Israel: Jede Woche versammelten sich dort etwa 200.000 Menschen, um für Demokratie und Menschenwürde zu kämpfen. "Setzt man die Größe Deutschlands dazu ins Verhältnis, müssten hier rund zwei Millionen Menschen Woche für Woche demonstrieren. Stattdessen? Nichts."
Die AfD müsse ernst genommen werden, so Friedman. "Die meinen, was sie sagen. Jeder und jede sollte erkennen, dass es höchste Zeit ist, sich einzubringen."
Der ehemalige Vize-Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland warnte vor politischen Kooperationen mit der in Teilen rechtsextremen Partei: "Sollte die AfD einer deutschen Bundesregierung angehören, sind meine Koffer gepackt. Dann gehe ich. Mein Leben ist spätestens dann in Gefahr. Nicht nur weil ich Jude bin, sondern weil ich Demokrat, ein Bürger bin. Weil ich meine Klappe nicht halten will, aber dafür auch nicht ins Gefängnis möchte. Ich werde meine Freunde bitten mitzukommen, bevor es zu spät ist."
Einen anderen Ansatz im Umgang mit der Partei verfolgt Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger: Er betrachtet sich als erfolgreichen Bekämpfer der AfD. "Ich verhindere durch klare Ansprache der Probleme, dass immer mehr verärgerte Menschen aus der Mitte zu dieser Partei wandern", sagte der bayerische Wirtschaftsminister der Wochenzeitung die "Zeit". Die Berliner Ampel-Regierung und vor allem die Grünen seien dafür verantwortlich, dass inzwischen viele Menschen AfD wählten.
"Ich versuche zu retten, was zu retten ist", so Aiwanger. "Schauen Sie in die Bundesländer außerhalb Bayerns. Dort haben wir 20 bis 30 Prozent AfD." In Bayern seien es zehn bis elf Prozent.
"Ich halte Wähler bei mir, die in anderen Bundesländern AfD wählen." Aiwanger verteidigte auch seine umstrittene Rede auf der Anti-Heizungsgesetz-Demonstration im bayerischen Erding, bei der er forderte, dass sich die "schweigende Mehrheit" die "Demokratie wieder zurückholen" müsse. In Erding habe "der normale Durchschnittsbürger demonstriert, nicht der rechte Mob", sagte Aiwanger der Zeitung. "Diesen Leuten habe ich gesagt: Ihr repräsentiert die Mehrheit der Bevölkerung und die Politik und auch die Medien müssen wieder mehr die Mehrheitsmeinung der Bevölkerung abbilden."
Aiwanger sagte der Wochenzeitung, dass er Reden wie jene in Erding mit dem Ziel halte, die gesellschaftliche Spaltung zu bekämpfen: "Wenn es mich nicht gäbe, wäre das Land noch polarisierter."
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