Hildesheim. In dem Strafverfahren gegen ein Ehepaar, das über 20 Jahre eine familienanaloge Wohngruppe in Gifhorn geleitet hat, ist in der seit Januar andauernden Hauptverhandlung am heutigen Donnerstag durch die Strafkammer 3 des Landgerichts Hildesheim das Urteil verkündet worden. Wie das Gericht mitteilte, verurteilte die Kammer den 57-jährigen Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in zwei Fällen sowie wegen Misshandlung von Schutzbefohlenen in einem Fall zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 3 Jahren und 2 Monaten.
Im Übrigen wurde er freigesprochen. Die Angeklagte wurde wegen Misshandlung von Schutzbefohlenen in einem Fall zu einer Freiheitsstrafe von 1 Jahr und 3 Monaten verurteilt, wobei die Strafe hinsichtlich der Frau zur Bewährung ausgesetzt wurde.
Grundlage der Verurteilung wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern sei, dass der Angeklagte ein Mädchen mit zu sich in die Badewanne bzw. ein Bereitschaftszimmer genommen haben soll, wo es ihn unter anderem an seinem Geschlechtsteil anfassen musste. Die heutige Nebenklägerin war zur Tatzeit zwischen 5 und 8 Jahren, beziehungsweise 11 Jahre alt. Hinsichtlich des ausgeurteilten Missbrauchs von Schutzbefohlenen seien die ursprünglich in mehreren Fällen angeklagten Taten zu einer Tat zusammengefasst worden, da es sich um einen - über einen längeren Zeitraum erstreckten - Gesamtkomplex handelte. Hier habe die Kammer festgestellt, dass der Angeklagte einem zum Tatzeitpunkt zwischen 12 und 16 Jahre alten Mädchen, die im Verfahren ebenfalls als Nebenklägerin auftrat, Windelpakete (mehrere Windeln übereinandergelegt und verklebt) anlegte und sie auch in einem kleinen Käfig im Haus einsperrte. Das Tragen der Windeln sei nach den Ausführungen der Kammer zu keinem Zeitpunkt indiziert gewesen. Ein Hintergrund sei ein beim Angeklagten vorliegender Windelfetischismus.
Der Freispruch des Angeklagten im Übrigen erfolgte hinsichtlich weiterer vorgeworfener Taten zum Nachteil von zwei weiteren Nebenklägerinnen. Hier habe nach der Auffassung der Kammer und der Beweisaufnahme einiges dafür gesprochen, dass es auch zu ihrem Nachteil geschilderten Vorfälle gab. Allerdings sei - so auch das Ergebnis der Glaubwürdigkeitsgutachterin - nicht belegbar, dass die Schilderungen tatsächlich vollständig erlebnisbasiert sind. Eine der Frauen habe berichtete, dass sie etwaige Taten in Träumen erneut durchlebt und dies in einer therapeutischen Aufarbeitung thematisiert habe, die andere Frau zeigte sich nach der Auffassung der Kammer in ihrem Aussageverhalten zu inkonstant. Hier sei nach der Urteilsbegründung in Übereinstimmung mit dem Sachverständigengutachten nicht konkret greifbar gewesen, was erlebnisbasiert und somit mit der für einer Verurteilung erforderlichen Sicherheit feststellbar ist.
Ehefrau schritt nicht ein
Die Mitangeklagte und Ehefrau des 57-jährigen, die ebenfalls mit der Leitung der Wohngruppe betraut war, habe nach den Feststellungen das Handeln des Angeklagten in Bezug auf die Windelpakete und das Einsperren im Käfig gebilligt und sei nicht eingeschritten, obwohl sie dazu verpflichtet gewesen und auch die Möglichkeit gehabt hätte. Auch habe die Angeklagte selbst der betroffenen Nebenklägerin ein Windelpaket angelegt.
Bei der Strafe habe die Kammer zugunsten der Angeklagten berücksichtigt, dass die Taten lange zurückliegen (Tatzeitraum 1998 - 2003) und sie nicht vorbestraft sind. Zudem habe auch Berücksichtigung gefunden, dass die Angeklagten mit ihrer Aufgabe überfordert gewesen seien. Gegen sie sprachen dabei unter anderem der lange Tatzeitraum, der Vertrauensbruch und die hohe Intensität der Eingriffe.
Die Staatsanwaltschaft hatte für den Angeklagten die ausgeurteilte Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und zwei Monaten beantragt. Für die Angeklagte hatte die Staatsanwaltschaft 1 Jahr und 6 Monate beantragt, ebenfalls ausgesetzt zur Bewährung. Die Strafe der Angeklagten wurde für eine Dauer von 3 Jahren zur Bewährung ausgesetzt, zudem muss sie im Falle der Rechtskraft 6.000 Euro an die Stiftung Opferhilfe Niedersachsen bezahlen. Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Die Verfahrensbeteiligten haben die Möglichkeit, das Urteil mit dem Rechtsmittel der Revision anzufechten. Über die Revision hätte der Bundesgerichtshof zu entscheiden.
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