Osloß. Auf Anordnung des Landkreises Gifhorn muss eine alleinerziehende Mutter von sieben Kindern aus Moldawien ihre Wohnung in Osloß Anfang August verlassen und in die Sammelunterkunft in Ehra-Lessien ziehen. Während der Flüchtlingsrat Niedersachsen das Vorgehen hart kritisiert und in einer Pressemitteilung den Verbleib der Familie in ihrer Wohnung fordert, verteidigt der Landkreis Gifhorn sein Vorgehen und stellt die Umstände, die zu dieser Maßnahme geführt haben, komplett anders dar.
Die Flüchtlingshilfe berichtet in ihrer Pressemitteilung, die Familie müsse ausziehen, weil sie ihre Wohnung ohne Erlaubnis renoviert habe. Dabei ginge es vor allem um einen stark verschmutzten und verstaubten Teppich, der bereits durch die Vormieter genutzt worden sei, der sich trotz intensiver Bemühungen nicht mehr habe reinigen lassen. Die Mutter, die an schwerem Asthma leide, habe mehrfach einen Austausch beantragt, was seitens des Landkreises trotz vorgelegtem medizinischen Attest verweigert worden sei. Die Mutter habe dann den Teppich auf eigene Kosten durch Laminat ersetzt.
Der Landkreis schildert die Situation in einer Stellungnahme komplett anders. Die Familie sei nach der Zuweisung aus der Landesaufnahmebehörde Osnabrück im April 2018 in einer vom Landkreis Gifhorn angemieteten Wohnung in Osloß untergebracht worden. Diese sei vor Einzug durch den Landkreis Gifhorn renoviert worden. Ebenso sei eine umfassende und gründliche Reinigung des Teppichs erfolgt. Die Wohnung sei mit neuen Betten, Matratzen, Waschmaschine und weiteren Gebrauchsgegenständen (Reinigungsmaterialien) ausgestattet worden und habe sich in einem ordnungsgemäßen Zustand befunden. "Diese Vorgehensweise ist beim Landkreis Gifhorn Standard und wird immer so praktiziert. Bei Einzug in der Wohnung gab es seitens der Familie keine Beanstandungen. Für die Hygiene und Sauberkeit sind die Bewohner selbst verantwortlich", heißt es in der Stellungnahme des Landkreises.
Zunehmende Beschwerden der eigentliche Grund?
Doch der Austausch des Teppichs habe laut Landkreis gar nichts mit dem nun angeordneten Zwangsumzug zu tun. Grund seien die zunehmenden Beschwerden von Nachbarn und Schule bezüglich der Verhaltensweisen gegenüber dem sozialen Umfeld. Darüber hinaus gebe es Beschwerden des Vermieters hinsichtlich des Verhaltens in der Wohnung, Wahrung des Hausfriedens, Hygiene und Sauberkeit. Seitens des Landkreises Gifhorn seien die Probleme in zahlreichen Gesprächen intensiv mit der Familie besprochen worden. Trotz der umfänglichen Betreuung durch Sozialarbeiter sei es bisher nicht gelungen, eine Verhaltensänderung zu erreichen, so der Landkreis. Mit der Familie sei am 10. Juli letztmalig ein Gespräch geführt worden, um eine Verhaltensänderung herbeizuführen und die Probleme mit dem sozialen Umfeld und dem Vermieter lösen zu können. Hierbei seien ihnen auch mögliche Konsequenzen erläutert worden. "Die Familie zeigte weiterhin keine Einsicht und war nicht bereit das Verhalten zu ändern, sodass letztendlich der Umzug angeordnet werden musste", betont der Landkreis.
Ist das Vorgehen rechtswidrig?
Den Vorwurf des Flüchtlingsrates, das Vorgehen sei rechtswidrig, da es der EU-Aufnahmerichtlinie widerspreche, weist der Landkreis zurück. Da die Mutter alleinerziehend und ihre Kinder minderjährig seien, dürften sie nach der Richtlinie nur dann verpflichtet werden, in einer Gemeinschaftsunterkunft zu wohnen, sofern sie dort ausschließlich mit anderen Alleinerziehenden und ihren minderjährigen Kindern untergebracht würden. Solche eine spezifische Unterbringungsmöglichkeit existiere in Ehra-Lessien jedoch nicht, behauptet der Flüchtlingsrat. Der Landkreis widerspricht: "Die Unterbringung der Familie in der Gemeinschaftsunterkunft Ehra-Lessien erfolgt unter Berücksichtigung der familiären Situation in einem Haus speziell für alleinerziehende Mütter und Familien."
Auch die Auswirkungen des Zwangsumzugs von Osloß nach Ehra-Lessien werden vom Flüchtlingsrat Niedersachsen thematisiert. Für die Familie würde dies den Verlust ihres bisherigen Lebensumfeldes bedeuten und den Alltag erschweren. Die Kinder hätten sowohl in Osloß als auch im Kindergarten beziehungsweise in der Schule schnell Anschluss gefunden, sich in Vereinen engagiert und Freundschaften geschlossen. All dies müssten sie hinter sich lassen, kritisiert der Flüchtlingsrat. Die älteste Tochter würde bei einem Umzug täglich statt einer halben zirka zwei Stunden benötigen, um ihren Ausbildungsbetrieb in Wolfsburg mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zu erreichen.
"Intensivere Betreuung in allen Lebenslagen"
Laut Landkreis Gifhorn verlängere sich der Anfahrtsweg der Tochter zur Ausbildung nur um zirka 30 Minuten. Dies liege noch im verhältnismäßigen Rahmen. Generell sei durch den Umzug in die Gemeinschaftsunterkunft eine intensivere Betreuung in allen Lebenslagen der Familie gewährleistet, da in der Gemeinschaftsunterkunft permanent geeignetes Personal vor Ort sei. Die minderjährigen Kinder könnten außerhalb der Schul- und Kindergartenzeit in der Gemeinschaftsunterkunft betreut werden.
mehr News aus Gifhorn