Goslar. Der gestrige Festakt zum 1.100-jährigen Stadtjubiläum in der Kaiserpfalz markierte einen Höhepunkt der Feierlichkeiten im Jubiläumsjahr der Stadt Goslar. Bundeskanzlerin a. D. Dr. Angela Merkel war der Einladung von Oberbürgermeisterin Urte Schwerdtner gefolgt und hielt die Festrede beim großen Jubiläumsfestakt in der Aula regis, an dem neben geladenen Gästen der Stadt Goslar auch rund 420 Goslarer Bürger teilnahmen. Dies teilte die Stadt mit.
In ihrer Ansprache betonte Oberbürgermeisterin Urte Schwerdtner, dass die Stadt Goslar auch für 1.100 Jahre deutsche und europäische Geschichte stehe. Sie spannte einen Bogen von der Bedeutung Goslars im Heiligen Römischen Reich, über die Hansemitgliedschaft, den Reichtum durch den Bergbau mit dem heutigen Unesco-Welterbe, die Zonenrandlage Goslars bis zur Grenzöffnung und zur Pflege der Städtepartnerschaften in sechs Ländern.
Respektvoll und zukunftsorientiert
„Vor diesem europäischen Kontext konnten wir uns kaum eine passendere Festrednerin als Sie vorstellen“, wandte sich die Oberbürgermeisterin an Merkel. Auch in der jüngeren Geschichte sei viel in Goslar geschehen. Schwerdtner erinnerte an die Entwicklung der aufgegebenen Bundeswehr- und Bundesgrenzschutzstandorte mit Fliegerhorst, Energie-Campus und Kaiserpfalzquartier, die Integration der ausländischen Mitbürger und die aktuelle Hilfsbereitschaft für die Menschen aus der Ukraine. Heute gebe es in Goslar eine lebendige Stadtgesellschaft voller Kunst und Kultur, einem regen Vereinsleben und bürgerschaftlichem Engagement. „Eine Stadt ist immer das, was die Menschen, die in ihr leben, aus ihr machen. Für die kommenden Jahre wünsche ich mir, dass das Miteinander stimmt und dass wir die über 1.100-jährige Ausstrahlung Goslars nicht wie eine Selbstverständlichkeit hinnehmen, sondern respektvoll mit unserer Stadt umgehen und zukunftsorientiert handeln“, schloss Schwerdtner.
Bundeskanzlerin a.D. Angela Merkal bei ihrer Festrede in der Goslarer Kaiserpfalz. Foto: Stadt Goslar
Merkel spricht
Bundeskanzlerin a.D. Angela Merkel blickte zu Beginn ihrer Festrede auf die lange Geschichte der Stadt Goslar zurück: „Ich habe den Ruf, mich für Zahlen und Details zu interessieren, da müssen wir jetzt alle durch. Aber das kann auch Freude machen und lehrreich sein.“ An der Geschichte Goslars sehe man, dass diese immer geprägt sei von Menschen, deren Überzeugungen und Entscheidungen Auswirkungen auf das Wohl der einzelnen Bürger habe. Geschichte wiederhole sich nicht, aber Muster wiederholten sich.
Die im Vorfeld des Festakts viel gestellte Frage, warum sie als ehemalige Bundeskanzlerin in Goslar spricht, beantwortete Merkel mit zwei speziellen und einem allgemeinem Grund. Der erste spezielle sei die Tatsache, dass in Goslar 1950 die CDU gegründet wurde und Konrad Adenauer hier zum Vorsitzenden gewählt wurde, was sie bereits in den Jahren 2000 und 2010 zu den Parteijubiläen nach Goslar geführt habe. Als zweiter Grund führe sie eine großkoalitionäre Reminiszenz hierher, denn Sigmar Gabriel, mit dem sie eng und vertrauensvoll im Bundeskabinett zusammengearbeitet habe, habe seinen Lebensmittelpunkt in Goslar. Bei ihrem Besuch im Jahr 2019 auf seine Einladung hin sei sie nicht nur von der historischen Schönheit des Unesco-Kulturerbes beeindruckt gewesen, sondern auch von der lebendigen Bürgergesellschaft dieser Stadt, die sich auch in den Feierlichkeiten zum 1.100-jährigen Stadtjubiläum zeige.
Der allgemeine Grund sei, dass sie größte Bewunderung für diejenigen habe, die vor Ort in den Kommunen politisch engagiert seien. „Die Vielfalt unseres Landes drückt sich in der Vielfalt kommunalen Lebens aus“, deshalb sei ihr „Besuch in Goslar auch die Gelegenheit stellvertretend allen Kommunen in unserem Land zu danken, die in herausfordernden Zeiten ihren Dienst für unser Land tun.“ Als Aufgaben nannte Merkel die menschengemachten Veränderungen des Klimas, die Digitalisierung, den demografischen Wandel, die Corona-Pandemie und die vielen Konflikte durch Krieg, Terror und Gewalt, wodurch Menschen ihre Heimat verlassen müssten.
Queen Elizabeth II und die Ukraine
Mit Goslars Städtepartnerschaft zum englischen Windsor leitete Angela Merkel zum aktuellen weltpolitischen Teil ihrer Rede über. Der Tod von Queen Elizabeth II., die im Schloss Windsor ihre letzte Ruhestätte gefunden hat, markiere das endgültige politische Ende des 20. Jahrhunderts. Die englische Königin habe sich durch eine „Versöhnung und Zusammenhalt stiftende Würde ausgezeichnet – eine Eigenschaft, die derzeit nicht gerade gefragt sei. „Das kann uns durchaus Sorgen machen“. Merkel erinnerte auch an den verstorbenen ehemaligen Staatspräsidenten der Sowjetunion Michail Gorbatschow, der in der historischen Stunde 1989/90 das Ende der deutschen Teilung und damit des Warschauer Pakts zuließ und ein zum Ausgleich bereiter und fähiger Staatsmann gewesen sei.
Der Kriegsbeginn in der Ukraine am 24. Februar sei „eine tiefgreifende Zäsur“, durch die völkerrechtliche Prinzipien zerstört worden seien, auf die man sich geeinigt hatte. Der Westen habe seitdem Position bezogen, es bedürfe aber eines langen Atems. Die Staatengemeinschaft müsse an einer „gesamteuropäischen Sicherheitsstruktur gemeinsam mit Russland arbeiten. Der Kalte Krieg sei für die Menschen in der Ukraine zu einem realen Krieg geworden. Dies habe auch konkrete Folgen für Deutschland. „Glücklicherweise ist Deutschland ein starkes Land.“ Doch es gebe keinen Grund zur Selbstzufriedenheit. Die kommunale Arbeit stehe vor großen Herausforderungen. Vielleicht helfe aber der Rückblick ins „Auf und Ab“ der 1.100-jährigen Geschichte Goslars und auf die Menschen, die sich über die Jahrhunderte zum Wohl der Stadt eingesetzt hätten. Diese Geschichte möge allen, die heute in der Stadt Verantwortung tragen viel „Kraft, Mut und Weitsicht“ geben, um auch die heutigen Probleme zu bewältigen, schloss Merkel ihre Festrede.
1100 Jahre Goslar: Zwischenfazit zum Stadtjubiläum
Zum Abschluss zog Oberbürgermeisterin Schwerdtner bereits eine kleine Bilanz des Stadtjubiläumsjahres, bei dem sich zahlreiche Vereine und Institutionen stark in die Gestaltung des Festprogramms eingebracht haben und weiter einbringen. „Alle haben dazu beigetragen, den Glanz unserer Stadt über ihre Grenzen hinweg erstrahlen zu lassen“, sagte Schwerdtner. Sie dankte dem Organisationsteam mit Marina Vetter, Geschäftsführerin der Goslar Marketing Gmbh und Burkhard Siebert, Erster Stadtrat a.D., der die GMG noch bis zum Jahresende bei der Ausrichtung des Stadtjubiläums unterstützt, dem Fachbereich Kultur mit Leiterin Marleen Mützlaff und ihrem Team für die Organisation des Abends und aller weiteren Veranstaltungen. Ihr Dank ging weiter an alle, die dazu beigetragen haben, dass „unser Goslar in diesem Jahr 2022 – nach zwei veranstaltungsarmen Jahren mit wenigen Möglichkeiten der Begegnung und des Fröhlichseins – wieder mit Leben gefüllt wurde und wir unser Stadtjubiläum so ausgiebig feiern konnten und weiterhin können.“
Musikalischer Rahmen
Der Festakt wurde musikalisch umrahmt vom Jazzensemble „Future Jazz“ unter der Leitung von Jaroslaw Bartoszek, die unter anderem mit einer Jazzversion des Nina Hagen Liedes „Du hast den Farbfilm vergessen“ begeisterten. Dieses Lied hatte sich Angela Merkel beim Großen Zapfenstreich zu ihrer Verabschiedung gewünscht. Spontan ermöglichte die ehemalige Bundeskanzlerin ein Gruppenfoto auf der Bühne mit den Musikern. Der Abend endete mit einer stimmungsvollen Jazzvariante des traditionellen Steigerliedes „Glückauf“.
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